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Rechte Parteien und die Kultur
Polnische Regierung setzt auf Konfrontation

Seit Anfang des Jahres 2016 ist klar: Polens Nationalkonservative wollen die polnische Gesellschaft radikal umbauen. Der Kultur- und Geschichtspolitik messen sie dabei zentrale Bedeutung zu. Viele Autoren und Kulturmanager fühlen sich als Opfer dieser Politik. Sie protestieren und hoffen auf bessere Zeiten.

Von Martin Sander |
    Eine Menschenmenge vor dem Parlamentsgebäude in Warschau hält Banner und Fahnen in die Höhe.
    Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Warschau am 17.12.2016 (picture alliance /dpa /Marcin Obara)
    Ende Februar dieses Jahres zog Kulturminister und Vizepremier Piotr Gliński diese Bilanz aus den ersten 100 Tagen seiner Regierung:
    "Es ist uns in diesen 100 Tagen gelungen, wichtige Ziele zu erreichen. Die polnische Kultur entwickelt sich stabil. Alle Institutionen funktionieren so, wie sie es sollten. Wir haben auch wichtige neue Kultureinrichtungen ins Leben gerufen."
    Eine der ersten Neugründungen im Sinne der nationalklerikalen PiS-Regierung war ein Museum für Papst Johannes Paul II. und den langjährigen Primas des polnischen Episkopats Stefan Kardinal Wyszyński in Warschau. Eine weitere PiS-Errungenschaft dieses Jahres: Ein Museum für die Verfemten Soldaten im nordpolnischen Ostrołęka. "Verfemte Soldaten" heißen im Jargon der Nationalkonservativen und radikalen Rechten Angehörige des polnischen Untergrunds, die nach dem Zweiten Weltkrieg weiter gegen die kommunistischen Machthaber kämpften. Sie verübten allerdings auch zahlreiche Verbrechen an der Zivilbevölkerung, insbesondere an Juden. Die kriminelle Seite der "Verfemten Soldaten" wird von Kulturminister Gliński und seinen Leuten geflissentlich übersehen.
    Die zentralen Kulturprojekte der abgewählten liberalkonservativen Bürgerplattform torpediert die PiS-Regierung – vor allem das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Das über 100 Millionen Euro teure Museum steht kurz vor der Eröffnung. Es soll den Krieg nicht nur aus polnischer Perspektive zeigen, sondern Europa einbeziehen und sich dabei auf das Leiden der Zivilbevölkerung konzentrieren. PiS geht derzeit mit allen administrativen Tricks gegen das Museum vor. Mit eigenem Personal will man ein Museum der polnischen Kriegshelden daraus machen.
    "Die Entscheidung des Ministers hat uns erstaunt. Wir waren in den vergangenen Jahren an gewisse Freiheiten gewohnt, auch dass wir inhaltliche Fragen im Kreis von Museumsexperten diskutieren, statt dass einfach etwas von oben durchgedrückt wird", erklärt Janusz Marszalec. Noch ist Marszalec stellvertretender Direktor des Museum des Zweiten Weltkriegs. Doch zum 1. Februar soll die gesamte Leitung gehen. Es sei denn, die Richter, die beide Parteien im Streit angerufen haben, entscheiden anders.
    Theater versteht sich als Zone der Freiheit
    Auch im Theater will PiS Ordnung schaffen. Ein Beispiel: Im Bündnis mit anderen Parteien hat man im September Cezary Morawski als Direktor des renommierten Teatr Polski in Breslau etabliert. Morawski feuert nun unbequeme Schauspieler, nimmt gesellschaftskritische Inszenierungen vom Programm und ersetzt sie durch provinzielles Nationaltheater. Dagegen wehren sich nicht nur Mitarbeiter und Regisseure wie Krystian Lupa, sondern auch eine Publikumsinitiative, geführt von Magdalena Chlasta-Dzięciołowska:
    "Das Theater ist für Polen ein sehr wichtiges Medium. Es ist für uns eine Zone der Freiheit. Wenn man uns ein Theater nimmt, haben wir das Gefühl, man nimmt uns die Freiheit."
    Auch Schriftsteller und Filmemacher protestierten in diesem Jahr dagegen, dass PiS der Kultur nationale Themen nach eigenen Vorstellungen verordnen will. Altmeister Andrzej Wajda warnte kurz vor seinem Tod Anfang Oktober.
    "Unser Land kann doch kein Einparteienstaat werden. Wir ordnen uns nicht irgendwelchen Machthabern unter. Das habe ich schon erlebt. Wir haben uns nicht der deutschen Besatzung untergeordnet und auch nicht dem Regime nach Kriegsende. Unsere Arbeit, wo auch immer, im Kino, im Theater, in der Literatur war dagegen gerichtet."
    Sehr viele Autoren und Kulturmanager fühlen sich als Opfer der nationalkonservativen Politik. Sie protestieren und hoffen auf bessere Zeiten. Ob die 2017 kommen werden, ist ungewiss. Die Regierung setzt weiter auf Konfrontation – Gewalt gegen ihre Widersacher nicht ausgeschlossen.