Anstiftung zum Amtsmissbrauch, zur Verletzung des Amtsgeheimnisses und zur Begünstigung - das sind die Vorwürfe, wegen denen die Schweizer Justiz gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino ein Strafverfahren eröffnet hat. Trotzdem gebe es innerhalb der FIFA Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass Infantino weiterarbeiten dürfe, berichtet der Schweizer Rechtsexperte Mark Pieth aus mehreren Gesprächen, die er geführt hat. Das Argument: Die Vorwürfe hätten nicht direkt mit der FIFA zu tun.
Der Schweizer Rechtswissenschaftler war von 2011 bis 2013 Vorsitzender einer unabhängigen Kommission, die die FIFA reformieren sollte. Er verweist darauf, dass die Ethikkommission die Möglichkeit hat, Präsident Gianni Infantino für 90 Tage zu sperren. "Man müsste unbedingt als erstes die Frage stellen, ob Infantino überhaupt Präsident bleiben kann", sagte der Professor von der Universität Basel im Deutschlandfunk.
Dabei sei wichtig, ob die Vorwürfe gegen Infantino der FIFA schaden, oder ob die Vorwürfe vor allem den ebenfalls beschuldigten Staatsanwalt Michael Lauber treffen. Bei den Vorwürfen gegen Infantino geht es um geheime Treffen mit Lauber, dem Leiter der Schweizer Bundesanwaltschaft. Genau dieser Bundesanwalt sollte gegen frühere FIFA-Funktionäre ermitteln.
Pieth vertraut der Arbeit der Ethikkommission nicht
Es stelle sich jetzt für die Ethikkommission der FIFA die Frage, ob sich Infantino bei den Treffen mit Lauber "reinwaschen" wollte, so Pieth. In die Arbeit der Vorsitzenden der Kommission, Maria Claudia Rojas, hat er kein Vertrauen: "Die Frau versteht von der Sache gar nichts." Der Schweizer Sonderermittler Stefan Keller sei gefährlicher für Infantino als die Ethikkommission seines Verbandes.
Allerdings sei die Kommissionsvorsitzende Rojas abhängig von lateinamerikanischen Fußballfunktionären. Diese hielten im Moment offenbar nicht mehr viel von Infantino. Rojas könnte deshalb bei einem Stimmungswandel innerhalb der FIFA gegenüber Infantino das Instrument sein, um den Präsidenten aus dem Amt zu holen, vermutet Pieth.
Von anderen Verbänden wie dem DFB oder dem IOC, in dem Infantino seit Januar Mitglied ist, erwartet Pieth ebenfalls wenig Kritik: "Sportfunktionäre sind keine mutigen Leute. Wenn sie nicht unbedingt müssen, lassen sie den Infantino leben."
Es erstaune ihn daher überhaupt nicht, dass die Funktionäre nicht härter mit der FIFA ins Gericht gehen. Außerdem seien die nationalen Verbände eng mit dem Weltband verbandelt.
Die FIFA sehe nur auf dem Papier gut aus
Nach dem Korruptionsskandal aus dem Jahr 2015 war Infantino ein Jahr später mit dem Versprechen angetreten, das Image der FIFA wieder zu verbessern. Nun sei es angesichts der vielen Skandale fast egal, ob Infantino im Amt bleiben würde oder nicht. "Die Frage ist, hat die FIFA überhaupt noch ein Ansehen? Kann man ihr überhaupt noch schaden? Da ist nicht mehr viel zu retten", konstatierte Pieth.
Dabei sehe die FIFA auf dem Papier gut aus, meinte der Jurist. Der Verband habe in der Vergangenheit sinnvolle Reformen gemacht, allerdings seien die unterlaufen worden, "indem man die gute Leute herausgeworfen und stattdessen ganz schwache Leute hineingeholt hat".
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