Achim S. gibt sich höflich und kultiviert. Der einstige Klan-Gründer wird nicht müde zu betonen, mit dem Ku-Klux-Klan habe er heute nichts mehr zu tun.
"Ich bin einfach ein Mensch, für den Hautfarbe keine Rolle spielt. Ich bin kein Rassist."
Rückblick: Das Jahr 2000. Der Ort: Schwäbisch Hall. Ein beschauliches Kreisstädtchen im Nordosten Baden-Württembergs. Im Oktober 2000 gründete Achim S. hier einen Klanableger: Die "European White Knights Of The Ku-Klux-Klan". Die "Europäischen Weißen Ritter". Kurz darauf flog er in die USA und bekam dort in einer Klan-Zeremonie den Titel "Grand Dragon" verliehen.
Zu diesem Zeitpunkt war Achim S. den Behörden bereits gut bekannt. Er spielte in einschlägigen Bands in der rechtsextremen Szene, hatte beste Kontakte zur NPD. Ein ehemaliger Staatsschützer erinnert sich an Achim S. als überzeugten Rechtsextremisten:
"Der war überregional unterwegs, war auch im Internet sehr aktiv, hat CDs produziert. Wir waren immer mal wieder bei einer Durchsuchung, wo es um CDs ging, um verbotenes Liedgut. Er hat das gelebt."
Dann bekam Achim S. Streit mit einem NPD-Nachwuchsfunktionär und suchte sein Heil lieber beim Ku-Klux-Klan. Bevor er seine eigene Gruppe gründete, war er in einer anderen aktiv gewesen. Die Klan-Bewegung ist zersplittert, die Gruppierungen sind meist klein und voneinander unabhängig. Der gemeinsame Nenner sind: Antisemitismus und Rassismus, begründet mit entsprechenden Auslegungen der Bibel. Achim S. schrieb damals auf der Homepage seiner Klan-Gruppe:
"Die European White Knights erkennen Jesus Christus [...] als Erlöser an, der sein Blut für die weiße Rasse gab. [...] Wir glauben daran, dass deshalb die Blutslinie zu Gott, wie es uns die Bibel lehrt, nicht durch Vermischung gebrochen werden darf."
Achim S. nannte sich fortan Reverend Ryan Davis und warb im Internet:
"Ihr werdet die Elite der Weißen Rasse sein!"
Neue Mitglieder mussten bei der Aufnahme versichern, dass sie keine jüdischen Vorfahren haben und den Antrag mit Blut unterschreiben, im Kreis maskierter Kuttenträger. Zum Weißen Ritter geschlagen wurden sie mit einem Dekoschwert aus dem Möbelhaus. Man traf sich auf Burgruinen der Region, um Kreuze zu verbrennen, dachte zwischendurch darüber nach, Kinderschänder und Drogendealer an die Polizei zu verpfeifen. Und sonst? Wenig. Im baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss berichtete die Ex-Frau von Achim S. vor kurzem, die Gruppe habe sich damit vergnügt, den Kaninchen der Familie Whisky einzuflößen. Der CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, Matthias Pröfrock, kommt zum Schluss:
"Das war eine eher armselige Veranstaltung. Nicht nur intellektuell und inhaltlich armselig, sondern auch von allen anderen Dingen, die sie da getrieben haben."
Doch was wussten die Behörden damals über diese Veranstaltung? Der Staatsschützer, der Achim S. als rechtsextremen Musiker kannte, meldete bereits 1999, der Ku-Klux-Klan sei in Schwäbisch Hall aktiv . Die Resonanz darauf bei seinen Vorgesetzten beschreibt der Kripobeamte im Untersuchungsausschuss so:
"Es hat sich damals niemand dafür interessiert, ich habe praktisch keine Rückmeldung bekommen. Es wurde nicht als problematisch gesehen. Vielleicht hat man es als Spinnerei gesehen."
Der Kriminalbeamte schrieb auch eine Mitteilung an den baden-württembergischen Verfassungsschutz. Doch dort blieb die Information zwischen verschiedenen Abteilungen einfach hängen. Dabei hätten die die Alarmglocken schrillen müssen. Denn Achim S. war damals V-Mann des Verfassungsschutzes, er bespitzelte die rechte Szene. Seine Klan-Gründung aber, die verschwieg er. Erst Monate später wurde das dem Verfassungsschutz klar. Die Behörde zog die Notbremse und schaltete Achim S. als V-Mann ab. Noch gut zwei Jahre lang blieb die Klan-Gruppe aktiv, 2003 zerfiel sie. Der ganze Fall wäre wohl in Vergessenheit geraten, hätten nicht vor drei Jahren Ermittlungen im Umfeld des NSU-Komplexes ans Licht gebracht:
"Zwei Polizeibeamte waren über einen Zeitraum von etwa elf Monaten Mitglied oder hatten Kontakt zum KKK", sagte 2012 der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall von der SPD.
Und es kam noch dicker: Einer der beiden war der Vorgesetzte der Polizistin Michèle Kiesewetter gewesen, die im April 2007 in Heilbronn erschossen wurde, mutmaßlich vom NSU. Deshalb befasst sich der Untersuchungsausschuss damit. Für dessen Vorsitzenden Wolfgang Drexler stellt sich die Frage:
"Ob Polizeibeamte, die im Ku-Klux-Klan waren, ob die etwas mit dem Mord an der Michèle Kiesewetter zu tun hatten. Das Zweite natürlich: Wie kommt es überhaupt zustande, dass Polizeibeamte dem Ku-Klux-Klan beitreten? Das ist wohl einmalig in der Bundesrepublik Deutschland."
Auf Kontakte der beiden Polizisten zum NSU gibt es bislang keinerlei Hinweise. Beide beteuerten vor dem Ausschuss, damit hätten sie nichts zu tun. Ihre Mitgliedschaft im Klan spielten sie in ihren Aussagen herunter. Als naive Jugendsünden. Bei den Ausschussmitgliedern bleiben daran erhebliche Zweifel. SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou unterstreicht:
"Rassismus hat bei der Polizei nichts zu suchen!"
Doch Konsequenzen hatte ihre Klan-Mitgliedschaft für die Polizisten kaum. Die beiden kamen mit einer denkbar milden Rüge davon. Der Grund: Die Disziplinarverfahren begannen erst spät und verliefen dann so langwierig und zäh, dass Verjährungsfristen abgelaufen waren. Im NSU-Untersuchungsausschuss gärt der Verdacht, die Behörden könnten versucht haben, die Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaft der Beamten zu vertuschen. Die Ausschussmitglieder sind sich einig:
"Also aus meiner Sicht sind beide Disziplinarmaßnahmen mangelhaft durchgeführt worden."
"Da hilft nur eine Strategie: Asche aufs Haupt, das darf nie wieder vorkommen."
Der Klangründer Achim S. lebt heute übrigens in Mississippi. Im September soll er in Stuttgart als Zeuge aussagen und beteuert.
"Ich möchte hier helfen. Und dementsprechend sage ich auch die Wahrheit
Viel Neues darf man von ihm aber wohl kaum erwarten.