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Rechtsextreme Identitäre Bewegung
Hip, internetaffin und aggressiv

Wenn es so etwas wie rechte Hipster geben sollte, dann passt dieser Begriff wohl am besten auf die sogenannte Identitäre Bewegung. Deren Mitglieder sind jung, gebildet, gegen das Establishment, sehr internetaffin – und stramm rechts-deutschnational. Mit zum Teil makaberen Aktionen machen sie auf sich aufmerksam.

Von Nail Al Saidi |
    Demonstration der rechten "Identitären Bewegung" in Berlin.
    Demonstration der rechten "Identitären Bewegung" in Berlin. (imago stock&people)
    Berlin, Gorki Theater, Mitte September. Auf der Bühne: Jakob Augstein und Margot Käßmann. Sie reden über Glauben, Reformation und aktuelle gesellschaftspolitische Themen, auch über Flüchtlinge. Der RBB überträgt live im Radio.
    "Das christliche Abendland steht für Nächstenliebe, für Barmherzigkeit und für Fremdenfreundlichkeit. Und dafür steht Pegida nicht! Das will ich ihnen gerne absprechen."
    Dann wird es laut im Publikum.
    "Ich kann Eure Lügen nicht mehr hören."
    Zehn bis 15 Anhänger der rechtsextremen sogenannten "Identitären Bewegung" sprengen die Live-Übertragung: hauptsächlich junge Männer im Studentenalter.
    "Heuchler, Heuchler, Heuchler!"
    Die einen halten Schilder in die Luft, die anderen filmen die Aktion – für später, für Youtube.
    "Augstein, Käßmann hört gut her, die Zukunft wird identitär."
    Ein minutenlanger Sprechchor, dann werden sie aus dem Saal gewiesen. Der überrumpelte Jakob Augstein nennt die Identitären danach die Bodentruppe der AfD. In der Presse fallen Worte wie: "neurechte Spaßguerilla", "hippe Nazis" oder einfach nur "Rechtsextreme" – als solche bezeichnet sie auch der Verfassungsschutz. 300 bis 400 aktive Identitäre soll es in Deutschland geben. Tendenz steigend. Denn die Neuen von Rechtsaußen sind gut gebildet, internetaffin und präsentieren sich als hippe Jugendbewegung.
    "Wir erleben seit einigen Jahren den Versuch im Rechtsextremismus, sich ein neues Image zu geben, sich nach außen hin positiv darzustellen, sich als Sozialkritiker darzustellen. Und den alten Inhalten, den fremdenfeindlichen, mitunter rassistischen Inhalt nicht aufzugeben, aber in ein neues Gewand zu hüllen."
    Sagt Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen.
    "Das kann dazu führen, und ich glaube bei vielen Erscheinungen im Internet sieht man, dass es sehr viel mehr Menschen erreichen kann, dass es auch formal höher gebildete Menschen viel eher erreichen kann - als die Skinheadszene der 90er-Jahre oder 2000er-Jahre."
    Abgegriffene Neonazi-Klischees passen nicht
    Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel: Mit diesen abgegriffenen Neonazi-Klischees hat der neuste Trend am rechten Rand nichts zu tun. Und plumpe Sprüche wie "Ausländer raus" hört man von ihnen auch nicht. Identitäre selbst sehen sich als eine neurechte Elite von Vordenkern. Und als Retter der deutschen Kultur, denn die sei durch Einwanderung vom Aussterben bedroht, behaupten sie. Sie provozieren auf der Straße, in den sozialen Netzwerken und sogar an der Kühltheke im Supermarkt. Im Frühling haben Identitäre zu einer sogenannten Halal-Challenge aufgerufen: Man solle Schweinefleisch in die Theke von vegetarischen oder Halal-Lebensmitteln legen – und das dann per Handy dokumentieren und in den sozialen Netzwerken teilen.
    "Hier benutzt man internettypische Formen, lehnt sich an an die Ice-Bucket-Challenge und vermischt es einer mit einer sehr aggressiven, anti-muslimischen Botschaft."
    Die Aktion zielte gegen Muslime und ihre Halal-Essensvorschriften, dem Verbot, kein Schweinefleisch zu essen.
    "Das ist eingeschlagen wie eine Bombe. Da habe ich innerhalb von vier Wochen es geschafft, fast 9000 Likes zu bekommen auf der Seite; also Leute, die quasi uns da folgen bei Facebook."
    So spricht Melanie Dittmer über die Halal-Challenge in einem Vortrag auf Youtube. Dittmer gehört zur sogenannten "Identitären Aktion", die hinter dem Aufruf steckt. Eine Gruppe, die vor allem im Rheinland aktiv ist. Der Verfassungsschutz beobachtet Dittmer und die "Identitäre Aktion". Insgesamt geht man von 20 bis 30 aktiven Mitgliedern aus.
    Melanie Dittmer ist zu einem Interview bereit, vorausgesetzt sie wird nicht Nazi genannt. Treffpunkt ist ein Café in Bonn. Dittmer ist 37 Jahre alt und tritt jugendlich auf: langes Haar unter einer Wollmütze, ein tätowierter Arm und am Hals baumelt ein auffälliger Anhänger aus Holz: ein Kreis mit umgedrehtem V in der Mitte. Es ist der elfte Buchstaben im griechischen Alphabet: das Lambda.
    "Das ist das Zeichen der Identitären in Europa. Das hatten die Spartaner auf ihrem Schutzschild, als die Perser vor über 2000 Jahren in Griechenland eingefallen sind."
    Ausländer und Flüchtlinge als "Fremdkörper"
    Die Geschichte der Spartaner liefert die griffige Vorlage dafür, wie Melanie Dittmer und andere Identitäre die Welt von heute sehen – 2500 Jahre nach der Schlacht um Sparta. Ihrer Ansicht nach werde Deutschland und Europa immer noch von Mächten aus dem Orient bedroht. Nur würden diese Mächte heute Flüchtlinge heißen.
    "Das sind Asyl-Forderer, Invasoren, Wirtschaftstouristen – wie auch immer man die nennt. Jedenfalls gehören die nicht hier hin, der überwiegende Teil, und der sollten ganz schnell wieder gehen."
    Ausländer und Flüchtlinge passten noch nie in das Weltbild von Melanie Dittmer. Schon als Jugendliche ist sie zur NPD gestoßen. Von der Partei hat sie sich zwar getrennt, geblieben sind Kontakte in die rechtsextreme Szene. Vor einigen Jahren war sie bei der verfassungsfeindlichen Partei Pro NRW aktiv, dann bei inoffiziellen Pegida-Ablegern im Rheinland. Ihre bislang letzte Station am rechten Rand: die Identitären.
    Aktivisten der "Identitären Bewegung" stehen auf dem Brandenburger Tor und entrollen ein Transparent
    Aktivisten der "Identitären Bewegung" stehen auf dem Brandenburger Tor. (dpa)
    Jetzt verpackt sie ihre Ablehnung von Ausländern in neue Wörter und benutzt dazu den sogenannten Ethnopluralismus, eine alte Ideologie, neubelebt von den Identitären. Im Kern sagt der Ethnopluralismus: Alle Kulturen hätten ein Recht zu existieren. Aber bitte nur dort, wo sie herstammen. Und vermischen dürften sich die Kulturen nicht, sonst drohe der Niedergang der Völker.
    "Es gibt kulturelle Unterschiede, sprachliche, identitäre Unterschiede. Und das ist auch in Ordnung so, das hat die Natur so vorgesehen, ansonsten gäbe es auch nicht verschiedene Menschen. Und ich finde, das ist was Schönes und ich finde auch, dass man das bewahren sollte. Wenn man jetzt alle quasi Schranken, Grenzen aufheben will, und alles würde sich vereinheitlichen, dann hätten wir quasi den Einheitsmenschen, der gleich aussieht. Wenn man alle Farben zusammen schüttet, hat man am Ende braun."
    "Das klingt auf dem ersten Blick nicht sonderlich aggressiv und ausgrenzend", sagt Verfassungsschützer Thomas Pfeiffer. "Heißt aber in der Konsequenz, derjenige, der hier lebt und nicht ins Bild des Deutschen passt, wird auch in diesem Verständnis zum Fremdkörper gemacht, zu jemanden, der stört, zu jemanden, den man nach Möglichkeit irgendwie aus dem Land entfernen müsste. Es läuft nicht viel auf etwas Anderes heraus als auf das alte 'Ausländer raus'."
    Je länger Melanie Dittmer im Interview über ihr Weltbild redet, desto tiefer verstrickt sie sich in Theorien von Volk und Rasse. Fremde sind für sie auch im biologischen Sinne Fremdkörper. Einzelne könne ein Volk noch verkraften, behauptet sie, ansonsten drohe der Volkstod:
    "Es gibt verschiedene Menschenarten. Das äußert sich mit Sicherheit auch darin, wie so ein Volkscharakter ist. Genauso, wie bei Tieren, bin ich da sozusagen für Artenschutz."
    Und zu dieser deutschen Art gehört in Dittmers Augen nur, wer auch Deutsch geboren wird. Der Interviewer – mit seinen deutsch-arabischen Wurzeln – kann das nicht erfüllen.
    - "Sie sind Passdeutscher. Sie haben einen BRD-Pass. Den kriegt ja jeder hinterhergeschmissen, wenn er hier geboren wurde. Ihr Vater ist Iraker und Ihre Mutter Deutsche."
    - Autor: "Aber ich bin nur Passdeutscher, auch, wenn ich hier geboren wurde, hier aufgewachsen bin, zur Schule gegangen bin, deutsch spreche? Was unterscheidet uns beide?"
    - Dittmer: "Das Blut!"
    Das Blut. Ohne mit der Wimper zu zucken, sagt sie das. Melanie Dittmer, die Identitäre, die kein Nazi sein will.
    "Überall da, wo auf das Blut Bezug genommen wird, also das sind Formulierungen, die klassisch verweisen auf den Nationalsozialismus."
    Sagt der Sozialwissenschaftler Fabian Virchow, Leiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf. Virchow hält Melanie Dittmer und ihre sogenannte Identitäre Aktion für eine radikalisierte Strömung innerhalb der Identitären Bewegung; eine Strömung, die besonders aggressiv agiert.
    Für einen ihrer Auftritte wurde Dittmer im Frühjahr unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt – zu acht Monaten auf Bewährung. Bei einer Demo in Duisburg soll sie vor einer Moschee gerufen haben "Salafistenschweine" und "wir wollen keine pädophilen Muslime". In der Moschee wurde gerade gebetet. Gegen das Urteil hat Melanie Dittmer Berufung eingelegt.
    Identitäre Bewegung schürt Angst vor Islamisierung
    Selbst bei anderen Identitären gilt ihr Auftreten als verpönt. Als Konsequenz haben sich Dittmer und ihre Identitäre Aktion abgespalten von der ursprünglichen Gruppe, der bundesweit agierenden Identitären Bewegung, die es seit zwei Jahren in Deutschland auch als Verein gibt. Zwei Namen, doch die Symbole wie das Lambda auf den Fahnen und die politischen Ziele unterscheiden sich kaum: Beide sind gegen Migration und schüren Panik vor Islamisierung und Überfremdung.
    "Ich habe, muss ich sagen, Frau Dittmer nie gesehen und ich weiß gar nicht, ob es die Identitäre Aktion noch aktiv ist."
    Sagt Martin Sellner. Der 27-jährige Wiener gilt als Kopf der deutschsprachigen Identitären Bewegung, die es auch in Österreich gibt und dort von Sellner angeführt wird.
    "Es war allerdings so, dass viele Inhalte, die diese Gruppe gepostet hat, eben so eine Vermischung von neurechten Ideen und Symbolen - wie unserem Lambda – mit altrechten Ideen und Symbolen. Also alles, was auch aus dieser alten Szene kommt."
    "Alte Szene", "altrechte Ideen": Sellner meint damit alles, was mit dem Nationalsozialismus zusammenhängt. Damit habe seine Bewegung und er nichts zu tun, beteuert er – zumindest nicht mehr. Denn früher hat sich auch Martin Sellner unter Neonazis aufgehalten. Eine Jugendsünde, behauptet er. Hätte es damals schon die Identitären gegeben, er wäre sofort eingetreten. Von Rechtsextremen distanziere er sich heute:
    "Auf den Straßen gab es immer nur die alten, gleichen ewigen Skinheads, Nationalisten, NPD-Leute. Und wir haben gesagt: Das geht nicht mehr, wir müssen auch denen die Straßen streitig machen."
    Er und ein paar Freunde hätten eine neue rechte Heimat gesucht, sagt Sellner – abseits von Neonazis. Sie lasen Texte neurechter Autoren und bekamen mit, wie sich schon Anfang des Jahrtausends in Frankreich ein sogenannter Identitärer Block gebildet hat, eine Gruppe, die sich "Jugendbewegung ohne Migration" nennt und die gegen eine vermeintliche Islamisierung ankämpft, nur mit Mitteln des zivilen Widerstands. 2012 importierten Sellner und Co. das Konzept nach Österreich. Heute zählt die Gruppe dort 300 Aktivisten.
    "Es gibt eine andere Jugend. Es gibt einen normalen Patriotismus, der nichts mit NS zu tun hat. Und der hat auch ein Recht, ein Mitspracherecht in politischen Debatten. Und den wollten wir ein Gesicht geben und auf die Straße bringen."
    Und Martin Sellner selbst will sein Sprachrohr sein. Der Arztsohn hat sein Philosophie- und Jurastudium unterbrochen. Zurzeit ist er nur der multimediale Vorzeige-Identitäre aus Österreich. Videos bei Youtube, hyperaktiv bei Twitter. Und mit seinem eigenen Modelabel kleidet er die Mitstreiter ein und auch sich selbst bei den Videobotschaften. Auf den T-Shirts stehen Sprüche wie: "So sehen Patrioten aus" oder "Ethnopluralist".
    "Servus Leute. Mein Name ist Martin Sellner. Ich bin ein identitärer Aktivist und ich mache patriotische Videos auf Youtube. Und man sagt mir nach, dass ich zu lange spreche und dass ich auch zu lange Videos mache."
    Freche, selbstironische und kumpelhafte Selbstinszenierung
    Frech, selbstironisch und kumpelhaft. Ist die Kamera an, kommt Sellner immer gut gelaunt rüber, auch an diesen Morgen Anfang Oktober bei einem Gespräch über Skype. Mit der Hand fährt er sich durch braune Haar: undercut und nach rechts gescheitelt. Dazu Hornbrille und ein T-Shirt.
    Martin Sellner ist gerade in einem Vorort von Wien, ansonsten auch oft in Deutschland unterwegs. Er unterstützt deutsche Aktivisten, redet bei Vorträgen und auch bei Pegida-Demos in Dresden. Dort peitscht der nette Identitäre aus dem Netz die Massen an, wettert gegen die Lügenpresse und schürt Ängste vor muslimischen Vergewaltigern. Ebenfalls engen Kontakt hält Sellner in Deutschland zu anderen Vordenkern der Neuen Rechten – zum Beispiel zu Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtspopulistischen Monatsmagazins "Compact". Der vergleicht den jungen Sellner in Ausstrahlung und Wirkung sogar mit der linken Rebellenikone Rudi Dutschke.
    "Diese komplette Einheitsmeinung ärgert mich sehr. Und Leute, die jetzt ganz bewusst ihre idealistische Meinung vertreten, wie Rudi Dutschke, mit diesen Leuten, muss ich sagen, bin ich immer schon besser zurechtgekommen."
    ILLUSTRATION: Jugendliche betrachten am 09.07.2013 in Berlin eine im rechten Bereich agierende Webseite.
    Eine Seite der Identitären Bewegung im Netz (dpa/ picture alliance/ Bernd von Jutrczenka )
    Sellner und die Identitären wollen es genauso machen wie Dutschke und seine Mitstreiter. Nur dieses Mal soll die Revolte von rechts kommen. Die Identitären fühlen sich dabei wie die 68er auserkoren als akademische Elite, die die Gesellschaft verändert. In Sponti-Manier wollen sie mit Provokationen Diskurse beeinflussen und den radikalen Rechtsruck anstoßen. Ein Höhepunkt dabei fand Ende August statt, mitten in Berlin.
    "Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung haben am Samstag das Brandenburger Tor besetzt und Banner entrollt. Mit der Aktion will die Gruppe nach eigenen Angaben gegen die Asylpolitik der Bundesregierung demonstrieren."
    "Man möchte die Eliten treffen und provozieren, deswegen die Besetzung des Brandenburger Tores", sagt Sozialpsychologe Andreas Zick, er leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. "Das ist ja jetzt keine antimuslimische Widerstandsbewegung, sondern man möchte in Berlin, im Zentrum, im Herz, den politischen Eliten zeigen, dass man sie ärgern kann."
    Sogenannte Machteliten als Feindbild
    Die sogenannten Machteliten in Gesellschaft und Politik sind das eigentliche Feindbild der Identitären, die seien zu linksliberal und zu viel Multikulti. Flüchtlinge seien eigentlich nicht das Problem, behaupten Identitäre, sondern nur die Politiker, die sie ins Land ließen. Mit dieser Logik machen sich die Aktivisten immun gegen Rassismusvorwürfe. Gleichzeitig verbreiten sie Panik vor einem sogenannten "Großen Austausch", eine Europa-Untergangstheorie der Neuen Rechten - ebenfalls importiert aus Frankreich. Die Identitären behaupten, die etablierten Regierungen ließen zu, dass einheimische Deutsche und Europäer langfristig von Muslimen ersetzt würden.
    "Sie haben im Moment ein leichteres Spiel, weil sich Europa gerade zerlegt. Die Identitären haben schon vor sechs Jahren schon von Umvolkung und so weiter geredet. Und von Überfremdung. Und in dem Moment, wo wir große Migrationsbewegungen haben, ist das immer Wasser auf die Mühlen derjenigen, die schon immer davor gewarnt haben. Sie ernähren sich von einer überbordenden Muslimfeindlichkeit, die wir nicht im Griff haben."
    In Deutschland seien Muslime die am meist gehasste Gruppe in der Gesellschaft, erklärt Rassismusforscher Andreas Zick. Generell herrsche hierzulande eine große Ablehnung gegen Zuwanderer sogar auch in der Mitte der Gesellschaft. Das habe er in den vergangenen Jahren regelmäßig in repräsentativen Umfragen herausgefunden. Quer durch alle Gesellschaftsschichten kam sein Institut zu erschreckenden Ergebnissen:
    "Wir sollten in der Öffentlichkeit sehr viel selbstbewusster gegenüber Migranten auftreten - haben 45 Prozent zugestimmt. Wir sollten junge Migranten häufiger in ihre Grenzen weisen: 41 Prozent. Wir sollten darauf achten, nicht stärker von Migranten überrannt zu werden: 41 Prozent."
    Rassismus als deutscher Alltag? Für Andreas Zick liegen hier die Gründe, warum sich anti-islamische Gruppen wie die Identitäre Bewegung zurzeit so bestärkt fühlen.
    "Man braucht geradezu die Islamisierung, um die eigene Identität zu bestimmen. Man braucht geradezu die Abgrenzung gegenüber Muslime, dem Islam. Eine Religion gegen die Nation. Man muss ständig Islamisierung unterstellen, weil nur aus dieser Differenz heraus bestimmt sich die Identität. Und das macht diese Identität selbst für den Rest der Gemeinschaft so bedrohlich."
    Als es im Interview mit Martin Sellner um Straf- und Gewalttaten geht, schiebt er jede Verantwortung von sich. Wenn Asylunterkünfte brennen, verurteilt er das. Mehr aber auch nicht. Schuld an der Gewalt seien nicht die Brandstifter, sondern die politischen Eliten, die Zuwanderung zuließen, sagt er:
    "Dann kann es sein, dass irgendeiner in seiner Wut und seinem Ärger, vielleicht betrunken, wenn seine Frau ihn verlassen und er keinen Job hat, dass dann so was passiert. Ich glaube nicht, dass Menschen geboren werden als Asylheimanzünder. Ich glaube, dass das ein Prozess ist, ein Nebeneffekt dieser nicht existierenden Debatte über das Ganze."
    Den seit Monaten andauernden Streit über eine Obergrenze für die Zuwanderung von Flüchtlingen nimmt er scheinbar nicht wahr – oder will ihn nicht wahrnehmen. Lieber schimpft er über die Politik. Bleiben die Identitären bei ihrer politischen Agitation, geht Rassismusforscher Andreas Zick davon aus, dass Gewalttaten gegen Ausländer noch zunehmen könnten.
    "In dem Moment, wo sie an eine Umvolkung glauben und wir durch kleine, nette schöne, hübsche, lustige Aktionen in Unruhe versetzt werden, bedienen sich andere solcher Ideologien zur Rechtfertigung ihrer Taten. Das ist das, wo die Identitären und viele andere Verantwortung haben, die sie auch übernehmen müssen, die sie nicht mehr loswerden. Noch funktioniert Gewaltdistanz. Noch funktioniert sie. Das Problem ist von außen betrachtet, es ist im Kern so rassistisch. Der Rassismus strebt eigentlich immer nach gewaltorientierter Durchsetzung."