"So, bitte Vorsicht beim Überqueren der Straße…" Stauffenbergstraße, Berlin. Vor der Gedenkstätte Deutscher Widerstand sind zwei Polizeitransporter vorgefahren. Etwa 20 Polizeischüler werden von ihren Lehrern zu einem Hoteleingang gelotst.
Schüler: "Ja, die Mütze auch an der Garderobe, oder?" Lehrer: "Die Mütze können Sie auch an der Garderobe…"
Die Schüler sehen sehr jung aus.
Ein Lehrer zum anderen: "Haste noch ’nen Siebzehnjährigen dabei?" Der andere: "Ja, einen oder zwei."
Sie sind im zweiten Semester, mittlerer Dienst. Thema: Polizei im NS-Staat.
"Ja, also wir haben… mit den Schülern wollen wir einen Projekttag machen: Einmal die Polizei im NS-Staat, ich hab' einen kleinen Diavortrag gehalten. Die Schüler haben aber im ersten Semester sich intensiv schon mit Polizeigeschichte – Geschichte Weimarer Republik, Nationalsozialismus – beschäftigt", sagt Polizeioberkommissar Salbrecht, Fachleiter für politische Bildung an der Polizeiakademie Berlin.
Rolle der damaligen Polizei bei NS-Verbrechen
Erst heute Morgen haben sie noch einmal Auschwitz besprochen, berichtet der Klassenlehrer, Polizeihauptkommissar Reichert. "Und da war schon eine ganz starke Betroffenheit in der Klasse spürbar. Und ich denke mal, das wird hier durch die praktische Anschauung nochmal vertieft."
Und wie reagieren die Schüler?
Salbrecht: "Bei so einer Veranstaltung ist man natürlich so ein bisschen aufgeregt. Für viele ist es das erste Mal, dass sie in Uniform draußen sind, und dann gleich bei so einer Gelegenheit. Die Fachlehrer dann auch in der besten Ausstattung sozusagen…"
Er blickt an seiner schmucken Ausgehuniform herunter.
"Sie sind mit Sicherheit auch gespannt."
Im Saal des Hotels gegenüber der Gedenkstätte beginnt gleich eine Veranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee. Die Mützen sind an der Garderobe deponiert.
"Ich glaub', ich geh' da relativ offen ran. Ich finde, es ist ein wichtiges Thema, das man ansprechen sollte. Wir hatten oft genug Theorieunterricht dazu, und das jetzt nochmal in so einem praktischen Abbild zu sehen ist immer mal eine schöne Sache." Schutzpolizist in Ausbildung Schulze, 18 Jahre alt.
"Das Thema Nationalsozialismus hatten wir in der Schule behandelt und auch, wie sich die Polizei verhalten hat in der Zeit", berichtet Schutzpolizist in Ausbildung Dähn. Wie denkt er darüber? "Ja, das Verhalten der Polizei halte ich halt für überhaupt nicht gut, was die da gemacht haben, mit der Verfolgung, mit den Erschießungen auch teilweise, und das sollte einfach verhindert werden. Und die Leute sollten auch aufgeklärt werden darüber, was da passiert ist, dass so was halt einfach nie wieder passiert."
Vortrag von Angela Orosz-Richt, im KZ geboren
"Verehrte Ehrengäste, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Polizistinnen und Polizisten, Soldatinnen und Soldaten, vor allem aber liebe Überlebende des Holocaust..."
Auf der Bühne ein Bild, das Stacheldrahtzäune in Auschwitz zeigt. Im Saal Schulklassen. Viele Uniformen. Hauptrednerin ist Angela Orosz-Richt, geboren am 21. Dezember 1944 in Auschwitz. Kind einer Familie aus Ungarn. Sie lebt seit vielen Jahren in Kanada.
"My mother never spoke about the horrors to anyone."
Angela Orosz-Richt spricht über den Überlebenskampf ihrer Mutter im KZ, die Schläge, Schikane, die Sklavenarbeit. Vom Tod ihres Vaters durch Erschöpfung. Von der SS, von Mengele. Bei ihrer Geburt wog sie ein Kilo. Die Polizisten verfolgen die Rede konzentriert. Sie klatschen.
In den letzten Jahren gab es in der deutschen Polizei eine wachsende Zahl von Vorfällen, die als rechtsextremistisch eingestuft werden können: Von Hakenkreuz-Grüßen per Whatsapp bis zum Horten von Waffen und Munition für einen ominösen "Tag X". Der Deutschlandfunk recherchierte Ende letzten Jahres bei der Bundespolizei und den 16 Polizeien der Länder über 200 solcher Fälle. Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.
Inzwischen herrscht Tatendrang. An Polizeischulen spricht man intensiver mit Bewerbern, prüft selbst deren Tattoos. In neuen Unterrichtsplänen für die Ordnungshüter ist viel von Berufsethik und interkultureller Kompetenz die Rede, von Demokratie, Grundrechten und -werten. Sachsen meldet eine neue Polizeiprofessur für gesellschaftspolitische Bildung. Bayerns offizielles Ziel ist es, "'schwarze Schafe' aus den Reihen der bayerischen Polizei fernzuhalten. Das ist uns ausgesprochen wichtig."
Bislang zu wenig systematische Erkenntnisse
"Das ärgert mich besonders", moniert Rafael Behr, Professor an der Polizeiakademie Hamburg.
"Es kommt eine kleine Anfrage, das wirbelt den ganzen Apparat auf und alle werden jetzt gefragt: Schreibt mal, was ihr dazu tut. Dann müssen wir aus der letzten Schublade alles rausholen: Wir machen ein Ethikseminar, im Staatsrecht kommt Demokratie, Politologie haben wir auch. Das ist aber zusammengetragenes Stückwerk. Das hat keine konzeptionelle Tiefe."
Was noch fehlt: Ein klarer Befund. Einzelne Bundesländer ergänzen ihre Statistiken durch neue Kategorien, etwa die Kombination aus "rechtsextrem" und "Polizeibedienstete". Bundesweit aber gibt es bislang kaum Fakten. Das Lagebild bleibt verschwommen.
"Willkommen! Sie sind verbunden mit der Pressestelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz."
Beim BfV, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, entsteht eine neue "Zentralstelle zur Erfassung und Aufklärung rechtsextremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst". Schon Anfang des Jahres sollte der Inlandsgeheimdienst ein Lagebild zu rechter Gesinnung im Staatsdienst vorlegen. Es wird wohl Frühjahr werden, heißt es nun.
Wie viele Polizisten sind rechtsextrem? Das hessische Innenministerium entschied 2019 nach einer Serie von Skandalen, die Einstellungen ihrer Beamten zu untersuchen. Am vergangenen Montag wurden erste Ergebnisse der Online-Befragung präsentiert. Hessens Innenminister Peter Beuth, CDU:
"Es ist so, dass die Studie ergeben hat, dass die Kolleginnen und Kollegen wirklich mit beiden Beinen ganz fest auf der freiheitlich-demokratische Grundordnung, auf unserer Verfassung stehen."
Der Minister schien erleichtert, dass sich nur 1,7 Prozent der Beamten selbst als "rechts" oder "ausgeprägt rechts" einstuften. Was aus den vielen Zahlen konkret abzuleiten ist, wird wohl erst eine wissenschaftliche Auswertung ergeben.
"Freund, Helfer, Straßenkämpfer" - Polizei in der Weimarer Republik
"Hier kommen wir jetzt zu Charlotte Ritter… die ersten Frauen in der Polizei..."
Dirk Götting, Leiter der Forschungsstelle Polizei und Demokratiegeschichte an der Polizeiakademie Niedersachsen, hat eine Besuchergruppe zu Gast.
"Vor allem eben die politische Auseinandersetzung nach 1930 fand zumindest auf Reichsebene ja nicht mehr in den Parlamenten statt. Und die Polizei musste dazwischen."
Seine Forschungsstelle hat eine Ausstellung über die Polizei in der Weimarer Republik kuratiert: "Freund, Helfer, Straßenkämpfer". Gegen den erstarkenden Rechtspopulismus und die Verharmlosung der NS-Geschichte, findet Götting, müssten auch die Historiker aufstehen.
"Oder aber wenn sich Politiker, ich sag mal: recht schamlos am Baukasten der Altnazis bedienen, dann sind wir als die, die für Geschichte, Polizeigeschichte zuständig sind, gefordert."
Die "Barbarisierung" der Polizei in der NS-Zeit sei heute vielen bekannt, glaubt er. Umso wichtiger werde es, diese Geschichte von vorne zu erzählen, vom Ende der Weimarer Republik her.
"Dann sind die Hürden gar nicht so unmöglich und so unwahrscheinlich hoch. Da ist man erstaunt, wie viele Parallelen es gibt. Das Ausstellungskonzept geht davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Behörden, wo wir die Ausstellung zeigen, auch durch die Ausstellung führen. Und bei diesen Veranstaltungen, da kamen dann schnell Diskussionen. Also, wir brauchten gar nicht viel zu Rechtspopulismus sagen. Die Diskussion war sofort da."
Wie Polizeigewerkschaften zur AfD stehen
"Ich sehe schon auch zumindest eine Gefahr darin, dass die AfD die Sicherheitsbehörden, nicht nur die Polizei, für sich einzunehmen versucht. So nach dem Motto: 'Wir sind auf eurer Seite, und wenn ihr uns wählt, werden wir uns um euch kümmern.'"
Daniel Kretzschmar vom Bund Deutscher Kriminalbeamter BdK, Vorsitzender des Berliner Landesverbandes. Gerade in Berlin prahlt die AfD gern, alle Polizisten würden sie wählen.
"Das ist schwer zu schätzen, muss ich gestehen. Aber es ist auszuschließen, weil mindestens ich wähle sie nicht – und ich kenne auch zahlreiche andere, die das nicht tun. Trotzdem muss man natürlich auch festhalten, dass nicht nur in Berlin, auch insgesamt in der AfD viele Leute aus Sicherheitsbehörden ja auch aktiv als Abgeordnete oder in der Partei unterwegs sind. Und die haben natürlich auch gewachsene Verbindungen in die Behörden."
Auch im BdK wird debattiert: Wie damit umgehen? Die GdP etwa, die Polizeigewerkschaft im DGB, grenzt sich ab von der AfD und verlangt ein wirksameres Vorgehen gegen rechte Umtriebe. Die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund dagegen scheint eher zu lavieren.
Der Unterschied zeigte sich auch bei den Ereignissen in Thüringen. Während die Deutsche Polizeigewerkschaft dem von der AfD mitgewählten FDP-Ministerpräsidenten via Twitter gratulierte, rief die GdP zum "konsequenten Widerstand echter Demokraten" auf.
Die Haltung der Verbandsvertreter hat auch ganz konkrete Auswirkungen, etwa über die Personalräte. Zahlreiche Disziplinarverfahren mit Verdacht auf Rechtsextremismus werden eingestellt. Selbst, wenn die Hinweise aus der Polizei kamen.
"Letztendlich entmutigt es ja auch die Leute, die bereit sind, sich zu öffnen und zu sagen: 'Hier läuft was schief.' Ich glaube aber, dass wir solche Leute auch brauchen, um in eine Fehlerkultur zu kommen. Wenn keiner sagt 'Hier läuft was schief', dann denken alle, es ist toll."
Das andere große Problem: Nachwuchs. Nach langen Jahren des Sparens stellen die meisten Bundesländer und auch der Bund jetzt tausende neue Polizisten ein. Es mangelt an geeigneten Kandidaten. Berlin hat 2018 schon die Mindestgröße abgeschafft.
Salbrecht: "Wenn man wenig einstellt, kann man stark sieben. Aber was ist uns wichtig? Uns ist nicht wichtig, ob jemand 1,64, 1,65 oder 1,62 Meter groß ist, sondern es kommt uns mehr auf die Einstellung an. Was jemand mitbringt."
AfD empört über Interesse des Verfassungsschutzes
Der AfD-Abgeordnete Roland Hartwig empfängt in seinem Abgeordnetenbüro. Der parlamentarische Geschäftsführer leitet auch die "VS AG", die Partei-Arbeitsgruppe Verfassungsschutz.
"Die wurde gegründet, weil die Sorge bestand, dass nach der Ablösung von Herrn Maaßen aus dem Amt – Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz – sein Nachfolger einen Kurswechsel vornehmen würde mit Blick auf unsere Partei."
Hartwig verströmt kühle Konzernseriosität. Über 30 Jahre lang hat der Jurist für die Bayer AG gearbeitet. Maaßen, lobt er, habe sich stets geweigert, die AfD ins Visier zu nehmen. Der Ex-Verfassungsschützer gilt der Partei längst als eine Art Lichtgestalt. Die AfD empfindet das verschärfte Interesse des Verfassungsschutzes als Wettbewerbs-Nachteil gegenüber anderen Parteien.
"Und dementsprechend sehen wir das natürlich mit großer Empörung und wehren uns auch dagegen."
Vorsorglich hatte Hartwig schon Anfang November 2018 – kurz vor Maaßens Versetzung in den einstweiligen Ruhestand – eine Handreichung für Parteimitglieder erarbeitet, die ihnen Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nahebringt. Und zugleich empfiehlt, wie sie besser ihre Zunge hüten:
"Achtung! Wichtiger Hinweis! Nachfolgend werden verschiedene Anhaltspunkte dargestellt, die vom Verfassungsschutz rechtlich nachvollziehbar als Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet wurden."
Eine Auswahl:
"Forderungen nach einem uneingeschränkten Ausschluss von Ausländern aus allen Sozialsystemen."
"Die Forderung, alle Minarette abzureißen."
"Die Einladung von Extremisten zu einem Vortrag."
"Die Relativierung der NS-Verbrechen."
Kann man AfD-Mitglied und Beamter sein?
"Wir freuen uns ganz besonders eben auch über die vielen Beamten – Richter, Staatsanwälte aber auch Polizisten."
Die AfD scheint Sorge zu haben, dass mehr Aufmerksamkeit der Behörden ihre Mitglieder im Staatsdienst verunsichern könnte. Im Dezember verließ der AfD-Bundestagsabgeordnete Lars Hermann Fraktion und Partei. Begründung: Der Rechtsruck durch den Vormarsch des "Flügel". Und seine "Beamtenpflichten" als Bundespolizist. Im Januar folgte die Abgeordnete Verena Hartmann, wieder mit Verweis auf den "Flügel". Auch sie war mal Polizistin.
"Die Beamten sind völlig gelassen und haben auch nichts zu befürchten. Einmal weil wir eine bürgerlich-demokratische Partei sind, zum anderen weil wir in einer immer noch sehr frühen Phase des Verfassungsschutzes sind."
Zunächst, rechnet Hartwig vor, müsste die ganze AfD zum Verdachtsfall erklärt, dann als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Dies müsste danach gerichtlich geprüft und durch eine Berufungsinstanz bestätigt werden. Der Jurist lächelt.
"Erst dann kämen die Dienstherren auf ihre Beamten zu und würden dann sagen: 'Es ist mit der beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht vereinbar, in dieser Partei noch zu sein.' Aber da wir diese Phase, da bin ich mir sehr sicher, nie erreichen werden, gibt es überhaupt kein Grund, sich jetzt hier Sorgen zu machen."
Rechts außen sieht Dr. Hartwig keine Bedrohung: "Eine breite Gefahr gibt es nicht."
Mangelnder Respekt vor Einsatzkräften
"Johann Kühme. Ich bin seit 42 Jahren im Polizeidienst, hab' nach dem Abitur als Wachtmeister angefangen."
Johann Kühme ist Polizeipräsident in Oldenburg. Seine Direktion reicht von Vechta rauf bis nach Cuxhaven an der Elbmündung, gut 11.000 Quadratkilometer, eine Spur größer als Jamaika. Kühme beklagt zunehmende Aggression in der Gesellschaft.
"Das begann damals, vor 15 Jahren etwa, mit Respektlosigkeit gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen, in ganz normalen Einsatzsituationen wurden sie beleidigt, bepöbelt, bespuckt. Und setzte sich dann fort, als auch Feuerwehrkameradinnen und -kameraden, Rettungskräfte angegriffen wurden. Also Menschen, die helfen wollen, werden attackiert."
Seit anderthalb Jahren etwa, beobachtet Kühme, gebe es vermehrt auch Drohungen, Beschimpfungen und Hassmails gegen Amts- und Mandatsträger.
"Also Bürgermeisterinnen, Bürgermeister oder Menschen in vergleichbaren Funktionen. Menschen, die demokratisch zustande gekommene Entscheidungen repräsentieren, verantworten, und dafür angegiftet werden."
Würde diese Entwicklung nicht gestoppt, müsste die Demokratie einpacken.
Alle Polizeidirektionen Niedersachsens haben in den letzten Monaten Amtsträger zu Veranstaltungen eingeladen, um über das Ausmaß der Verrohung und konkrete Hilfe zu sprechen.
"In diesem Zusammenhang habe ich immer darauf hingewiesen, dass Sprache zu Hass führen kann, Hass kann zu Hetze führen, und Hetze kann zu Gewalt führen."
Und der AfD – auch im Fernsehen – ihre Wortwahl vorgehalten.
"Wenn Bundestagsabgeordnete der AfD pauschal von Muslima sprechen, die als 'Kopftuchmädchen' titulieren, von 'alimentierten Messermännern' sprechen oder vom 'Vogelschiss' in der deutschen Geschichte reden."
Nicht "in alle Richtungen offen" sein
Die AfD rügte sogleich eine "Verletzung der Neutralitätspflicht", rief nach Ermittlungen und Disziplinarmaßnahmen. In den sozialen Medien wurde Kühme als "Cloputzer", "Hetzer" und "Volkspolizist" attackiert.
"Sofort vom Dienst suspendieren ohne Pensionen."
"Sofort aus dem Amt ohne Bezüge."
Per E-Mail wurde ihm mit Erschießung gedroht.
"Nicht heute, nicht morgen, denk einfach an Lübcke."
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war am 2. Juni 2019 ermordet worden.
"Hier in Oldenburg, Ende Mai, Anfang Juni 1932, war zum ersten Mal im damaligen Deutschen Reich eine Nazi-Landesregierung an der Macht. Carl Röver war der Ministerpräsident, hat hier in diesem Büro auch seine Amtsgeschäfte wahrgenommen."
In seinem Büro. Das sei sein "Lebensthema", sagt der Sozialdemokrat.
"Dieses Thema – Naziterror, Holocaust – Da darf kein Zweifel übrig bleiben bei Aussagen, die man tätigt. Es darf keine Interpretationsspielräume geben, weil, dann ist man beliebig – ich will jetzt von Feigheit gar nicht sprechen – dann ist man beliebig, in alle Richtungen offen, kann zu allen sagen: 'So hab' ich das nicht gemeint.' Das muss ganz klar sein."
Er sagt, er fürchte sich nicht.
"Die Frage ist ja immer, gerade wenn man so auch im Fokus der Kritik dann steht, ändert man das? Und da sag ich: Nö. Ich hab' eine Haltung. Die bleibt so. Punkt."
Polizeischülern Widerstand beibringen
Lehrer: "Gut, dann gehen wir mal los. Wir gehen los!"
Die Schar der Berliner Polizeischüler überquert die Straße.
"So wir gehen jetzt in den Bendlerblock noch mal rein…"
Die Schilderungen der in Auschwitz geborenen Angela Orosz-Richt vom Überlebenskampf ihrer Mutter haben Eindruck hinterlassen.
"Ja, ich war schockiert über die Geschichte, die sie uns erzählt hat. Wir müssen das Beste draus machen, um so was auf jeden Fall zu verhindern, dass Antisemitismus oder generell Rassismus noch mal in so einem Maße – ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll – überhand nehmen soll. Der Tag hat mir sehr geholfen."
"Ich bin der Überzeugung, es wird und darf so nicht passieren, und dazu tragen ich und mein Kollege und meine restlichen Leute hoffentlich einen Teil bei, dass so etwas nie wieder passiert in unserer Geschichte."
Die Schüler sammeln sich im Innenhof des Bendlerblocks, vor der Gedenktafel für die nach dem missglückten Aufstand am 20. Juli 1944 hier erschossenen – Beck, Olbricht, Schenk Graf von Stauffenberg und andere.
Sie rücken zusammen.
"So, Geschichte Schlag auf Schlag hier heute. Sie müssen jetzt mal thematisch einen Cut setzten irgendwie. Was wir jetzt hier erleben, ist Widerstand deutscher Offiziere."
Der Lehrer rekapituliert noch einmal kurz.
"Kennen Sie den Film mit Tom Cruise…"
Lehrer zwei: "Operation Walküre, ungefähr…?"
Lehrer zwei: "Operation Walküre, ungefähr…?"
Schüler: "Also, es hat sich um ein Attentat auf Hitler gedreht…"
"Richtig."
"Von dem besagten Stauffenberg."
Der Schüler zeigt durchaus Kenntnisse.
Ist das nicht heikel: Polizeischülern Widerstand beizubringen? Klassenlehrer Reichert lächelt. Was die Nazis getan haben, sagt er, hätte ja nun wahrlich nichts mit Grundrechten und Menschenwürde zu tun gehabt, mit jener Verfassung, auf die Polizisten heute vereidigt werden.
"Wenn irgendjemand was verlangen würde, was darüber hinaus gehen würde, dann würden wir, und dann haben wir auch die Pflicht zu, remonstrieren (Bedenken äußern hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Weisung, d.Red.) und haben auch die Pflicht und das Recht, dann Widerstand zu leisten. So steht's sogar im Grundgesetz."
Und wenn ein Kollege was sagt?
Und die Schüler? Würden sie den Mund aufmachen, wenn von Kollegen rechtsradikale Sprüche kämen?
"Na sicherlich. Wie gesagt, wir vertreten Recht und Ordnung, und das werde ich dementsprechend auch vertreten."
"Das geht mir auch so. Mir ist jetzt auch noch kein Rassismus oder sonstiges bei uns in der Klasse aufgefallen, da wir uns einfach alle auch fair und gleich untereinander behandeln."
Kurze Toilettenpause. "Und dann kommen wir wieder raus, machen ein Gruppenfoto mit ihrem Klassenlehrer, okay, ja? Und dann setzen wir auf die Fahrzeuge auf. Okay? Machen wir so?"