Martin Zagatta: Zuvor aber
Beitrag in Informationen am Mittag, Deutschlandfunk (MP3-Audio)
Informationen über den Untersuchungsausschuss, den der Bundestag eingesetzt hat zur Aufklärung der Neonazi-Mordserie, zur Aufklärung der Pannen, die dazu geführt haben, dass diese sogenannte Zwickauer Zelle ein Jahrzehnt lang so unbehelligt morden konnte. Der Ausschuss hat heute seine Arbeit aufgenommen.
Mitgehört hat Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, rechtsextremer Alltagskultur entgegenzutreten. Guten Tag, Frau Kahane.
Anetta Kahane: Ja, guten Tag.
Zagatta: Frau Kahane, die Art und Weise, wie die Aufklärung dieser Verbrechen und die Aufklärung dieser Ermittlungspannen jetzt betrieben wird, die wird ja heftig kritisiert. Erwarten Sie denn überhaupt etwas von diesem Untersuchungsausschuss?
Kahane: Wir müssen was davon erwarten. Es gibt gar keine Alternative, als auch im parlamentarischen Raum die Instrumente zu schärfen, um solchen skandalösen Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Deswegen brauchen wir den ganz dringend und ich meine, unsere Hoffnungen – ich spreche jetzt mal für viele Leute, die in der Initiativen-Welt arbeiten – konzentrieren sich darauf, dass der Herr Edathy von der SPD seinen Job gut macht. Es hängt natürlich auch sehr viel von dem Einsatz der Person ab, und wir sind da eigentlich ganz zuversichtlich, dass er das sozusagen neutral und mit Engagement tun wird.
Trotzdem ist natürlich dieser Untersuchungsausschuss schon von vornherein mit einigen Handicaps versehen, die die Ermittlungsarbeiten dieses Ausschusses behindern. Zum Beispiel Beweisrecht haben die Linkspartei und die Grünen nicht, und es gab ja verschiedene Befürchtungen, dass die SPD und die CDU, die jeweils Minister in den Ämtern hatten, als diese skandalösen Versäumnisse passierten, dass die sich ein bisschen schonen lassen wollen. Es gab Vorschläge, wie man diese Untersuchungsausschüsse dann ausstattet, dass die anderen Parteien dort Beweisanträge stellen können, die sind abgelehnt worden. Also es ist schon am Anfang einiges an Schwierigkeiten aufgetaucht.
Zagatta: Befürchtet wird ja auch, dass Länder beziehungsweise Landesbehörden da die Auskunft verweigern können oder könnten. Kann denn dann überhaupt viel herauskommen?
Kahane: Na ja, die Länder haben ja von vornherein gesagt, dass sie nur bedingt zusammenarbeiten werden. Das ist einer der Kritikpunkte, die man an einem Bundestagsausschuss überhaupt haben kann: Die Länder sind da nicht auskunftspflichtig, und man kann nur hoffen, dass die Länder wirklich aktiv mitarbeiten wollen. Wenn sie es nicht wollen, brauchen sie es nicht, und das ist eines der großen Probleme, warum ein solcher Untersuchungsausschuss beim Bundestag in sich problematisch ist. Und dass dann Länder absagen und harsch sind und so weiter, das ist natürlich extrem unangenehm, so wie bei dem ganzen Fall des NSU, dieser nationalsozialistischen Untergrundgruppe, zum Ausdruck kommt, in was für einem skandalösen Zustand manche Dinge im ganzen Bereich Sicherheit gerade sich befinden.
Zagatta: Sie beschäftigen sich - und haben das ja jetzt auch angesprochen - schon lange mit dem Thema. Wie erklären Sie sich heute mit all dem, was man mittlerweile weiß, dass diese Neonazi-Zelle so lange, so unbemerkt, so ungestört morden konnte?
Kahane: Ach, da gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Zum einen das berühmte Versagen vor Ort, dass der Verfassungsschutz in Thüringen und die Polizei in Thüringen offenbar Informationen nicht weitergegeben haben, oder irgendwie die Ermittlungen nicht an den Punkt gekommen sind. Das ist natürlich ein Vorgang, der ist dramatisch. Für mich sind Leute, die da fahrlässig gehandelt haben, mitverantwortlich für den Tod von diesen zehn Menschen und für die Verletzung vieler anderer. Das ist das eine Problem und das andere Problem ist, dass generell in Deutschland das Thema Rechtsextremismus irgendwie immer ein bisschen mit langen Fingern angefasst wird. Es ist so schwer zu identifizieren, es kriecht so aus der Mitte und die drei Täter von der NSU "waren so nette Nachbarn". Es gibt ja immer wieder Reportagen darüber, "wie nett die waren", als sie in Zwickau gewohnt haben, und wie unauffällig. Das entspricht auch unserer Beobachtung, dass Rechtsextreme gerade in den neuen Bundesländern in vielen Regionen immer noch sich wie die Fische im Wasser bewegen, also unauffällig sind, und in vielen Punkten auch durchaus mit Mehrheitsmeinungen anschlussfähig.
Zagatta: Tut man sich deshalb auch so schwer jetzt mit der Aufklärung, oder ist das der Föderalismus?
Kahane: Na ja, der Föderalismus kommt ja noch dazu. Es ist ein bisschen schwierig, anhand dieses Vergehens jetzt eine Föderalismusdebatte zu führen, aber es gibt eine Demokratiedebatte. Die, finde ich, sollte man auf jeden Fall führen. Der Föderalismus und die einzelnen Ämter, die in jedem Bundesland sind und die dann irgendwie alle so ganz geheim sind und nicht richtig zusammenarbeiten, machen es noch schwieriger, eine Demokratie transparent zu machen. Beispielsweise, was ich jetzt ganz problematisch finde, dass die Petra Pau, die wirklich eine aufgeschlossene und im besten Sinne liberale Linke ist, vom Verfassungsschutz beobachtet wird und gleichzeitig in diesem Untersuchungsausschuss sitzt, der den Verfassungsschutz bewerten soll, das ist unmöglich. Das ist tatsächlich ein demokratiepolitischer Skandal ohne gleichen, und man kann diese Gleichsetzerei der Neonazis mit der durchaus schwierigen Linken-Partei, das kann man jetzt als Wahlkampfinstrument benutzen und damit alles noch ein bisschen mehr durcheinanderbringen, den Föderalismus und dann haben wir die Links-Rechts-Diskussion und dann haben wir die verschiedenen Zuständigkeiten, und so verschwinden im Prinzip auch die Handlungsmöglichkeiten und die Aufklärungsmöglichkeiten, und das finde ich sehr, sehr schwierig.
Zagatta: Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Frau Kahane, ich bedanke mich für das Gespräch.
Kahane: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, rechtsextremer Alltagskultur entgegenzutreten. Guten Tag, Frau Kahane.
Anetta Kahane: Ja, guten Tag.
Zagatta: Frau Kahane, die Art und Weise, wie die Aufklärung dieser Verbrechen und die Aufklärung dieser Ermittlungspannen jetzt betrieben wird, die wird ja heftig kritisiert. Erwarten Sie denn überhaupt etwas von diesem Untersuchungsausschuss?
Kahane: Wir müssen was davon erwarten. Es gibt gar keine Alternative, als auch im parlamentarischen Raum die Instrumente zu schärfen, um solchen skandalösen Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Deswegen brauchen wir den ganz dringend und ich meine, unsere Hoffnungen – ich spreche jetzt mal für viele Leute, die in der Initiativen-Welt arbeiten – konzentrieren sich darauf, dass der Herr Edathy von der SPD seinen Job gut macht. Es hängt natürlich auch sehr viel von dem Einsatz der Person ab, und wir sind da eigentlich ganz zuversichtlich, dass er das sozusagen neutral und mit Engagement tun wird.
Trotzdem ist natürlich dieser Untersuchungsausschuss schon von vornherein mit einigen Handicaps versehen, die die Ermittlungsarbeiten dieses Ausschusses behindern. Zum Beispiel Beweisrecht haben die Linkspartei und die Grünen nicht, und es gab ja verschiedene Befürchtungen, dass die SPD und die CDU, die jeweils Minister in den Ämtern hatten, als diese skandalösen Versäumnisse passierten, dass die sich ein bisschen schonen lassen wollen. Es gab Vorschläge, wie man diese Untersuchungsausschüsse dann ausstattet, dass die anderen Parteien dort Beweisanträge stellen können, die sind abgelehnt worden. Also es ist schon am Anfang einiges an Schwierigkeiten aufgetaucht.
Zagatta: Befürchtet wird ja auch, dass Länder beziehungsweise Landesbehörden da die Auskunft verweigern können oder könnten. Kann denn dann überhaupt viel herauskommen?
Kahane: Na ja, die Länder haben ja von vornherein gesagt, dass sie nur bedingt zusammenarbeiten werden. Das ist einer der Kritikpunkte, die man an einem Bundestagsausschuss überhaupt haben kann: Die Länder sind da nicht auskunftspflichtig, und man kann nur hoffen, dass die Länder wirklich aktiv mitarbeiten wollen. Wenn sie es nicht wollen, brauchen sie es nicht, und das ist eines der großen Probleme, warum ein solcher Untersuchungsausschuss beim Bundestag in sich problematisch ist. Und dass dann Länder absagen und harsch sind und so weiter, das ist natürlich extrem unangenehm, so wie bei dem ganzen Fall des NSU, dieser nationalsozialistischen Untergrundgruppe, zum Ausdruck kommt, in was für einem skandalösen Zustand manche Dinge im ganzen Bereich Sicherheit gerade sich befinden.
Zagatta: Sie beschäftigen sich - und haben das ja jetzt auch angesprochen - schon lange mit dem Thema. Wie erklären Sie sich heute mit all dem, was man mittlerweile weiß, dass diese Neonazi-Zelle so lange, so unbemerkt, so ungestört morden konnte?
Kahane: Ach, da gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Zum einen das berühmte Versagen vor Ort, dass der Verfassungsschutz in Thüringen und die Polizei in Thüringen offenbar Informationen nicht weitergegeben haben, oder irgendwie die Ermittlungen nicht an den Punkt gekommen sind. Das ist natürlich ein Vorgang, der ist dramatisch. Für mich sind Leute, die da fahrlässig gehandelt haben, mitverantwortlich für den Tod von diesen zehn Menschen und für die Verletzung vieler anderer. Das ist das eine Problem und das andere Problem ist, dass generell in Deutschland das Thema Rechtsextremismus irgendwie immer ein bisschen mit langen Fingern angefasst wird. Es ist so schwer zu identifizieren, es kriecht so aus der Mitte und die drei Täter von der NSU "waren so nette Nachbarn". Es gibt ja immer wieder Reportagen darüber, "wie nett die waren", als sie in Zwickau gewohnt haben, und wie unauffällig. Das entspricht auch unserer Beobachtung, dass Rechtsextreme gerade in den neuen Bundesländern in vielen Regionen immer noch sich wie die Fische im Wasser bewegen, also unauffällig sind, und in vielen Punkten auch durchaus mit Mehrheitsmeinungen anschlussfähig.
Zagatta: Tut man sich deshalb auch so schwer jetzt mit der Aufklärung, oder ist das der Föderalismus?
Kahane: Na ja, der Föderalismus kommt ja noch dazu. Es ist ein bisschen schwierig, anhand dieses Vergehens jetzt eine Föderalismusdebatte zu führen, aber es gibt eine Demokratiedebatte. Die, finde ich, sollte man auf jeden Fall führen. Der Föderalismus und die einzelnen Ämter, die in jedem Bundesland sind und die dann irgendwie alle so ganz geheim sind und nicht richtig zusammenarbeiten, machen es noch schwieriger, eine Demokratie transparent zu machen. Beispielsweise, was ich jetzt ganz problematisch finde, dass die Petra Pau, die wirklich eine aufgeschlossene und im besten Sinne liberale Linke ist, vom Verfassungsschutz beobachtet wird und gleichzeitig in diesem Untersuchungsausschuss sitzt, der den Verfassungsschutz bewerten soll, das ist unmöglich. Das ist tatsächlich ein demokratiepolitischer Skandal ohne gleichen, und man kann diese Gleichsetzerei der Neonazis mit der durchaus schwierigen Linken-Partei, das kann man jetzt als Wahlkampfinstrument benutzen und damit alles noch ein bisschen mehr durcheinanderbringen, den Föderalismus und dann haben wir die Links-Rechts-Diskussion und dann haben wir die verschiedenen Zuständigkeiten, und so verschwinden im Prinzip auch die Handlungsmöglichkeiten und die Aufklärungsmöglichkeiten, und das finde ich sehr, sehr schwierig.
Zagatta: Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Frau Kahane, ich bedanke mich für das Gespräch.
Kahane: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.