Ja, die Zahlen sind alarmierend, beunruhigend. Aber viele Beobachter zwischen Erzgebirge und Ostsee verwundert es überhaupt nicht. Es erstaunt nur die Menschen, die die ostdeutsche Provinz weit umfahren.
Extrem rechte Einstellungen sind in Teilen Ostdeutschlands völlig selbstverständlich. Selbst im gutbürgerlichen Potsdam-Babelsberg beispielsweise trifft man Menschen im Supermarkt, in der – bei Rechtsextremen äußerst beliebten – Thor Steinar-Kleidung. Und keinen stört es.
In einer am Dienstag veröffentlichten Brandenburger Jugendstudie – als ob es noch eines weiteren Belegs bräuchte – stimmt die Hälfte der Schülerinnen und Schüler der Aussage zu: Man sollte endlich Schluss machen mit dem „Gerede über unsere Schuld gegenüber den Juden“. Ein Indikator eines verfestigten Antisemitismus'.
Von demokratischer Teilhabe verabschiedet
Und was folgt daraus: ein Reflex. Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus seien kein ostdeutsches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, heißt es.
Das sind Relativierungen, um das Problem kleinzureden. Denn gerade viele Menschen im Osten haben sich von demokratischer Teilhabe verabschiedet. Und träumen in Zeiten der Unsicherheit von einer „autoritären Staatlichkeit“, wünschen sich eine „völkische Gemeinschaft“. Und da kommt die AfD ins Spiel.
Sie bietet den Menschen einen Resonanzraum für ihr rechtes Gedankengut. Mehr noch: Gerade im Osten ist die AfD der Motor für ein reaktionäres, extrem rechtes ostdeutsches Identitätsmodell. Die AfD ist der Verstärker für nationalistische Wertvorstellungen. Sie wird nicht aus Protest, sondern als bewusste Wahlentscheidung gewählt.
Was es jetzt braucht: Empathie, Solidarität, Vielfalt, ethische Werte des Miteinanders, des Unterhakens. Doch die AfD will das Gegenteil: die Gesellschaft auseinander reißen. Ihre Arbeitsgrundlage ist der Hass.
Was es jetzt braucht sind Stärkungen der Demokratie-Institutionen. Die Akteure demokratischer Milieus benötigen institutionelle Unterstützung, den Schulterschluss; gerade im ländlichen Raum.
Man muss die Rechten nicht wählen
Man muss keine Rechtsextremen wählen, wenn einem die Politik nicht gefällt. Man kann sich in Ortsbeiräten, als Stadträtin engagieren.
Es reicht aber nicht, wenn Landtagsabgeordnete – wie kleine Fürsten – im Wahlkreisbüro den Wählerinnen und Wählern gönnerhaft die Hand reichen. Sie müssen permanent unterwegs sein: auf den Marktplätzen, vor den Supermärkten, in den Vereinen – und ihre Politik erklären. Ansonsten wird der Osten nächstes Jahr bei den Landtagswahlen noch weiter nach rechts driften.
Es braucht eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Alltagsrassismus. Da ist jede und jeder gefragt. Da muss gehandelt werden. Und zwar jetzt. Nicht irgendwann.