Bereits seit August beobachte man eine zunehmende Radikalisierung der "Querdenken"-Bewegung, sagt Olaf Sundermeyer, Journalist und Rechtsextremismus-Experte. Dabei mache sich die "Querdenken"-Bewegung zunehmend Argumentationsformen, Protestformen und politische Ziele von Rechtsextremisten bei der Auseinandersetzung mit Staat und Regierung zu eigen. Die Radikalisierung zeige sich auch mit dem entschlossenem und teilweise gewaltsamen Vorgehen gegen Polizei, Politiker und Journalisten, so Sundermeyer.
"Ich würde aber davor warnen, von einer Unterwanderung zu sprechen", sagt Sundermeyer. "Rechtsextremisten sind sehr frühzeitig ein Bündnis eingegangen mit den Querdenkern eingegangen. Michael Ballweg, der Kopf der Querdenker aus Stuttgart, sagt immer, 'wir einigen uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner'. Und das ist die rigorose Ablehnung der Regierungspolitik in der Coronakrise - also gegen den Infektionsschutz und die Maßnahmen." Im Kern ginge es dabei darum, dass "man gemeinsam die Regierung stürzen möchte."
Rechtsextremisten von Anfang an dabei
Schon zu Beginn der Demonstrationen seinen deutschlandweit regional ganz unterschiedlich Rechtsextremisten, Hooligans, die NPD und der inzwischen aufgelöste Flügel der AfD mit dabei gewesen. Sie hätten die Kundgebungen zunächst beobachtet und teilweise auch selbst organisiert. Außerdem hätten rechte Youtuber - die vor allem in der Reichsbürger-Szene aktiv sind - die "Querdenken"-Bewegung "in der alternativen Gegenöffentlichkeit mit großgemacht", sagt Sundermeyer.
Bei den Kundgebungen in Berlin habe es Absprachen zwischen den Organisatoren der "Querdenken"-Szene und organisierten Rechtsextremisten gegeben. "So sah sich inzwischen die gesamte rechtsextremistische Szene mit all ihren Gruppierungen ermutigt, als Teil dieser Bewegung die eigenen Ziele zu verfolgen, nämlich den Staat anzugreifen", so Sundermeyer. Dabei seien dieselben Rechtsextreme und Hooligans dabei, wie beim Höhepunkt der Flüchtlingskrise.
Mit Blick auf die "Querdenken 711" müsse man aber auch sagen, dass die Bewegung mehrheitlich friedlich sei. "Sie drückt ihren Protest als eine Art zivilen Ungehorsam gegen die Abstandsregeln und das Maskentragen aus", so Sundermayer. Diese Einstellung könne allerdings als massive Gesundheitsgefährdung bewertet werden, wenn Zehntausende dicht gedrängt demonstrierten.
Das Interview wurde am 09.11.2020 geführt.