Eine Obstplantage in der Nähe von Wiesbaden in Hessen. Victoria Bernhardt und Maike Hardtmann schützen ihre Kleidung mit grünen Jacken und Hosen, wie man sie im OP trägt. Fünf sonderbare Pferche stehen auf der Wiese neben Apfelbäumen in der Morgensonne. Jedes ist von einem Bauzaun umschlossen, darin jeweils ein Koffer, eine Mülltonne und ein rundes Maischefass aus Plastik.
"So, jetzt spiele ich mal die Müllabfuhr."
Die beiden jungen Frauen rollen die Tonne zu einer großen Plastikplane auf dem Boden. Jens Amendt betreut die Doktorandin und die Studentin am Forensischen Institut der Universität Frankfurt.
"Ja gut, kippen wir halt mal. Ich schaufele. – Soll ich hinten anheben? – Ja, ja, es kommt, und reicht schon, glaube ich."
Der Biologe zieht mit einem Spaten zähen, dunkelbraunen Matsch aus der Mülltonne.
"Ah, der Unterkiefer."
Es riecht nach Urin.
"Das ist richtig, nach Fäkalien, das hat denke ich auch viel mit Ammoniak zu tun, aber das ist ganz unterschiedlich je nachdem, wie lange etwas draußen gelegen hat und welche Möglichkeiten Insekten hatten, das zu zersetzen, riecht das auch ganz unterschiedlich."
Die Forscher machen Verwesungsversuche
Genau solche Unterschiede interessieren die Rechtsmediziner. Der stinkende Matsch ist alles, was nach dem Sommer von einem Schweinekadaver übriggeblieben ist. Die Forscher machen hier Verwesungsversuche. Bei Kadavern unter freiem Himmel können spezialisierte Insektenforscher sehr gut nachvollziehen, wie lange sie da liegen. Die Fliegenarten lösen einander im Laufe der Verwesung mit der Besiedlung zuverlässig ab. Anders ist das bei verpackten Leichen.
"Es gibt wenig Untersuchungen dazu, und gleichzeitig aber auch wieder Fälle in der Praxis, wo Tote in Koffern, in Fässern, manchmal auch in Mülltonnen entsorgt werden und erst nach längerer Liegezeit gefunden werden. Und wir möchten gerne wissen: Gibt es Instrumentarien wie zum Beispiel die Insektenbesiedlung oder auch vielleicht die Klassifizierung von Verwesung, die es uns erlaubt, etwas darüber zu sagen, wie lange diese menschliche Leiche da gelegen hat in diesem Koffer."
Die Mülltonne hat Fliegen kaum abhalten können. Sie haben ihre Eier an den Rand des Deckels gelegt, und die winzigen Maden sind hineingekrochen. Das haben die Forscher beobachten können. Viermal schon haben sie in den vergangenen Wochen die Behälter geöffnet und den Zustand dokumentiert.
Jetzt kommt das Maischefass.
"Das ist noch ein ganzes Tier. – Na, riecht wieder anders. – Ah, Jens ist recht flüssig. – Nicht so schnell, bitte. – Achtung Schwippschwapp."
Ein Schweinchen rutscht aus der Tonne. Es sieht alles andere als frisch aus, bläulich angelaufen, aber ansonsten intakt.
"Das ist jetzt über drei Monate tot. Also genauso lange tot wie das andere. – Jens, da ist nichts. – Ja, ich glaub’s."
Für eine Menschenleiche in einem Maischefass hat Jens Amendt erst im vergangenen Jahr ein Gutachten schreiben müssen.
Zum Schluss sieht man nur noch sein Skelett
"Eine Leiche wurde offensichtlich auseinandergenommen und dann in ihre einzelnen Teile in dieses Fass gesteckt. Und man hat überhaupt keine Ahnung, seit wann diese Körperteile da drin sind, sie waren erstaunlicherweise noch sehr gut erhalten, obwohl eventuell ein Zeitraum von vielen Jahren im Raum steht, und auch das war ein Grund, so einen Versuch noch mal zu starten, um etwas über Zeitachsen aussagen zu können, wie schnell passiert das eigentlich? Wir wissen so wenig bis gar nichts über Verwesung in solchen Gefäßen."
Auch wenn die genaue Auswertung erst noch folgen muss – Jens Amendt hat schon erste Ergebnisse.
"Wir werden sicherlich Unterschiede finden können in der Zusammensetzung der unterschiedlichen Insektengruppen, die in den Gefäßen drin gewesen sind. Mein erster Eindruck ist zum Beispiel, dass in der Mülltonne andere Insekten dominiert haben, als das im Koffer der Fall gewesen ist."
Als letztes schauen die Forscher in einen Koffer.
"Ah ja da oben ist noch ganz viel, krass! [Tippen Pinzette Behälter] Hier ist eine dicke. – Ich glaube, das ist was Käferartiges."
Insektenlarven und -puppen finden sie reichlich, aber von dem Schweinchen ist kaum noch etwas übrig.
"Wir sehen jetzt hier einen Schweinekadaver, der am Anfang so in etwa Spanferkelgröße gehabt hat. Und jetzt sieht man nur noch sein Skelett in einer Leichenflüssigkeit, weil die eben aus dem Koffer nicht so einfach abfließen kann, und man sieht noch diverse Gewebeteile, die so eine Art cremige Substanz darstellen. Also eigentlich nicht mehr als Gewebe per se zu erkennen sind, dass das mal Schwein gewesen ist."
Die Insektenproben kommen ins Labor, die Kadaver schaufelt Jens Amendt in eine Mülltonne – für den Abdecker.
"Hat ein bisschen was von Sandburgenbauen gerade jetzt gehabt, nicht? Also soll ich die mal mit der Schaufel versuchen reinzuwuchten? – Iiih!"