Tobias Armbrüster: Die deutsche Rekord-Hochspringerin Ariane Friedrich muss sich in diesen Tagen eigentlich auf die Olympischen Spiele in London vorbereiten, die beginnen in knapp drei Monaten. Aber Ariane Friedrich hat in diesen Tagen so etwas wie einen Klotz am Bein. Sie hat im Internet Namen und Wohnort eines Mannes veröffentlicht, der sie sexuell belästigt haben soll. Der Mann soll ihr ein Foto seines Geschlechtsteils zugeschickt haben, dazu außerdem eine anzügliche E-Mail. Frau Friedrich behauptet nun, sie sei schon öfter sexuell belästigt worden und bei diesem Fall sei ihr nun der Kragen geplatzt, deshalb hat sie Name und Wohnort veröffentlicht. Das Problem ist: einen Mann mit dem Namen des Beschuldigten gibt es mehrmals, es dürften also auch Unschuldige unter Verdacht geraten. Auf der Facebook-Seite von Ariane Friedrich haben nun in den vergangenen Tagen Tausende von Usern ihre Kommentare hinterlassen. Viele unterstützen sie, es gibt allerdings auch zahlreiche kritische Stimmen, die sprechen dann von einem Internet-Pranger. – Am Telefon ist nun der Jurist Tobias Gostomzyk, er ist Professor für Medienrecht an der TU Dortmund, er befasst sich häufiger mit juristischen Aspekten im Internet. Schönen guten Tag, Herr Gostomzyk.
Tobias Gostomzyk: Ja guten Tag, ich grüße Sie.
Armbrüster: Herr Gostomzyk, darf man das einfach, bei Facebook einen Namen mit Wohnort und mit einem solchen Vorwurf veröffentlichen?
Gostomzyk: Das ist problematisch. Jedenfalls in dieser Konstellation ist das problematisch, weil Frau Friedrich – so habe ich es jedenfalls der Presse entnommen – im Vorfeld ein Posting bekommen hat über Facebook mit einem Bild und mit dem Inhalt, den Sie bereits beschrieben haben, und von daher ist diese Information grundsätzlich als vertraulich einzustufen. Dann ist es problematisch, diese Information zu nehmen und auf Facebook zu veröffentlichen.
Armbrüster: Das heißt, wenn ich mit so etwas an die Öffentlichkeit gehen will, dann darf ich das nicht über Facebook tun?
Gostomzyk: Dann ist das problematisch, das über Facebook zu tun. Es wäre auch über andere Wege problematisch, wenn Sie es in einer Zeitung bringen würden. Da unterscheidet sich das Internet nicht von der gängigen Presse. Wenn man sich dagegen wehren will, ist die Frage, ob an die Öffentlichkeit gehen der richtige Weg ist, auch wenn man dafür natürlich Verständnis haben kann aus der aufgebrachten Situation von Frau Friedrich heraus. Aber es gibt auch Rechtsschutzmittel und da wäre Frau Friedrich sicher besser beraten gewesen, diese zu aktivieren.
Armbrüster: Gilt für diesen Mann, gilt für einen solchen potenziellen Belästiger dann sozusagen das Briefgeheimnis und gilt das auch im Internet?
Gostomzyk: Ja, Sie können das Briefgeheimnis nennen. Es geht um vertrauliche Informationen und das gilt auch für E-Mail-Kontakte. Da gibt es jedenfalls in diesem Punkt keinen wesentlichen Unterschied zwischen E-Mails und Briefen.
Armbrüster: Was könnte der Mann nun tun gegen Frau Friedrich?
Gostomzyk: Der Mann könnte sich überlegen, es gibt zwei Ebenen: Es gibt einmal die personenbezogenen Daten, die dort veröffentlicht worden sind, also der Name und der Wohnort, verbunden mit einem Vorwurf, und dort, wo es um persönlichkeitsbezogene Daten geht, könnte er sich überlegen, ob er Unterlassung erwirkt. Da könnte es juristisch heikel sein, aber es dürfte doch überwiegende Erfolgsaussichten haben nach meiner Einschätzung.
Daneben gibt es noch ein Foto, das veröffentlicht worden ist, und wenn er tatsächlich der Urheber dieses Fotos ist, dann handelt es sich darüber hinaus noch um eine Urheberrechtsverletzung. Auch dagegen könnte dieser Mann vorgehen.
Armbrüster: Welche Konsequenzen könnte das für Ariane Friedrich haben?
Gostomzyk: Das hätte die Konsequenz: Erstens hätte der Mann damit Erfolg und das Gericht würde sie wahrscheinlich erst mal abmahnen im nächsten Schritt. Das wäre aber nicht zwingend Voraussetzung. Dann müsste er zu Gericht gehen, um dort per einstweiliger Verfügung eine Unterlassung zu erwirken, und daraufhin müsste Frau Friedrich diese Information dort herausnehmen und auch das Bild müsste dann herausgenommen werden und Frau Friedrich müsste dann entsprechend auch die Kosten tragen – in dem einen Fall der Urheberrechtsverletzung sogar noch vermutlich ein bisschen mehr als in dem anderen Fall, jedenfalls vorausgesetzt, dass der Vorwurf, den Frau Friedrich dort angebracht hat, zutreffend ist.
Armbrüster: Aber geht das denn nicht alles eigentlich völlig in die falsche Richtung, denn eigentlich, sagt man doch immer, ist es eine gute Strategie für Frauen, die belästigt werden, offensiv damit umzugehen und frei darüber zu sprechen?
Gostomzyk: Ja. Das ist vollkommen richtig so und das zeigt auch ein gewisses Dilemma dieses Falls, und deswegen gibt es jetzt aus meiner Sicht auch die große öffentliche Diskussion, dass es auf der einen Seite den Grundsatz gibt, Selbstjustiz soll nicht stattfinden, auf der anderen Seite aber jetzt Selbsthilfegruppen und sicher auch psychologische Ratgeber sich auf den Standpunkt stellen würden, man sollte in solchen Situationen sich nicht wegducken, sondern alles möglichst öffentlich machen, um denjenigen bloßzustellen, der hier mit seinen sexuellen Angeboten auch einen gewissen Druck auf Frau Friedrich ausübt, und das ist ein Dilemma, das sich jedenfalls rechtlich so nicht ohne Weiteres auflösen lässt. Es könnte aber sein, dass Richter wiederum, wenn sie über diesen Fall zu entscheiden haben, auch diese Motivlage mit einbeziehen und da auch Besonderheiten dieses Einzelfalls sehen würden und dass sich die Gewichte tendenziell auch zu Gunsten von Frau Friedrich verschieben würden, weil es gibt ja nicht nur die Frage, ob eine Unterlassung jetzt angebracht ist oder nicht, sondern es gibt noch weitere Justierungsmöglichkeiten, die Richter haben, beispielsweise wenn es um Kostenfragen geht.
Armbrüster: Der Jurist und Medienrechtler Tobias Gostomzyk über die Kontroverse um die Hochspringerin Ariane Friedrich und den Vorwurf des Internet-Prangers auf ihrer Facebook-Seite. Besten Dank, Herr Gostomzyk.
Gostomzyk: Gerne! Schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Tobias Gostomzyk: Ja guten Tag, ich grüße Sie.
Armbrüster: Herr Gostomzyk, darf man das einfach, bei Facebook einen Namen mit Wohnort und mit einem solchen Vorwurf veröffentlichen?
Gostomzyk: Das ist problematisch. Jedenfalls in dieser Konstellation ist das problematisch, weil Frau Friedrich – so habe ich es jedenfalls der Presse entnommen – im Vorfeld ein Posting bekommen hat über Facebook mit einem Bild und mit dem Inhalt, den Sie bereits beschrieben haben, und von daher ist diese Information grundsätzlich als vertraulich einzustufen. Dann ist es problematisch, diese Information zu nehmen und auf Facebook zu veröffentlichen.
Armbrüster: Das heißt, wenn ich mit so etwas an die Öffentlichkeit gehen will, dann darf ich das nicht über Facebook tun?
Gostomzyk: Dann ist das problematisch, das über Facebook zu tun. Es wäre auch über andere Wege problematisch, wenn Sie es in einer Zeitung bringen würden. Da unterscheidet sich das Internet nicht von der gängigen Presse. Wenn man sich dagegen wehren will, ist die Frage, ob an die Öffentlichkeit gehen der richtige Weg ist, auch wenn man dafür natürlich Verständnis haben kann aus der aufgebrachten Situation von Frau Friedrich heraus. Aber es gibt auch Rechtsschutzmittel und da wäre Frau Friedrich sicher besser beraten gewesen, diese zu aktivieren.
Armbrüster: Gilt für diesen Mann, gilt für einen solchen potenziellen Belästiger dann sozusagen das Briefgeheimnis und gilt das auch im Internet?
Gostomzyk: Ja, Sie können das Briefgeheimnis nennen. Es geht um vertrauliche Informationen und das gilt auch für E-Mail-Kontakte. Da gibt es jedenfalls in diesem Punkt keinen wesentlichen Unterschied zwischen E-Mails und Briefen.
Armbrüster: Was könnte der Mann nun tun gegen Frau Friedrich?
Gostomzyk: Der Mann könnte sich überlegen, es gibt zwei Ebenen: Es gibt einmal die personenbezogenen Daten, die dort veröffentlicht worden sind, also der Name und der Wohnort, verbunden mit einem Vorwurf, und dort, wo es um persönlichkeitsbezogene Daten geht, könnte er sich überlegen, ob er Unterlassung erwirkt. Da könnte es juristisch heikel sein, aber es dürfte doch überwiegende Erfolgsaussichten haben nach meiner Einschätzung.
Daneben gibt es noch ein Foto, das veröffentlicht worden ist, und wenn er tatsächlich der Urheber dieses Fotos ist, dann handelt es sich darüber hinaus noch um eine Urheberrechtsverletzung. Auch dagegen könnte dieser Mann vorgehen.
Armbrüster: Welche Konsequenzen könnte das für Ariane Friedrich haben?
Gostomzyk: Das hätte die Konsequenz: Erstens hätte der Mann damit Erfolg und das Gericht würde sie wahrscheinlich erst mal abmahnen im nächsten Schritt. Das wäre aber nicht zwingend Voraussetzung. Dann müsste er zu Gericht gehen, um dort per einstweiliger Verfügung eine Unterlassung zu erwirken, und daraufhin müsste Frau Friedrich diese Information dort herausnehmen und auch das Bild müsste dann herausgenommen werden und Frau Friedrich müsste dann entsprechend auch die Kosten tragen – in dem einen Fall der Urheberrechtsverletzung sogar noch vermutlich ein bisschen mehr als in dem anderen Fall, jedenfalls vorausgesetzt, dass der Vorwurf, den Frau Friedrich dort angebracht hat, zutreffend ist.
Armbrüster: Aber geht das denn nicht alles eigentlich völlig in die falsche Richtung, denn eigentlich, sagt man doch immer, ist es eine gute Strategie für Frauen, die belästigt werden, offensiv damit umzugehen und frei darüber zu sprechen?
Gostomzyk: Ja. Das ist vollkommen richtig so und das zeigt auch ein gewisses Dilemma dieses Falls, und deswegen gibt es jetzt aus meiner Sicht auch die große öffentliche Diskussion, dass es auf der einen Seite den Grundsatz gibt, Selbstjustiz soll nicht stattfinden, auf der anderen Seite aber jetzt Selbsthilfegruppen und sicher auch psychologische Ratgeber sich auf den Standpunkt stellen würden, man sollte in solchen Situationen sich nicht wegducken, sondern alles möglichst öffentlich machen, um denjenigen bloßzustellen, der hier mit seinen sexuellen Angeboten auch einen gewissen Druck auf Frau Friedrich ausübt, und das ist ein Dilemma, das sich jedenfalls rechtlich so nicht ohne Weiteres auflösen lässt. Es könnte aber sein, dass Richter wiederum, wenn sie über diesen Fall zu entscheiden haben, auch diese Motivlage mit einbeziehen und da auch Besonderheiten dieses Einzelfalls sehen würden und dass sich die Gewichte tendenziell auch zu Gunsten von Frau Friedrich verschieben würden, weil es gibt ja nicht nur die Frage, ob eine Unterlassung jetzt angebracht ist oder nicht, sondern es gibt noch weitere Justierungsmöglichkeiten, die Richter haben, beispielsweise wenn es um Kostenfragen geht.
Armbrüster: Der Jurist und Medienrechtler Tobias Gostomzyk über die Kontroverse um die Hochspringerin Ariane Friedrich und den Vorwurf des Internet-Prangers auf ihrer Facebook-Seite. Besten Dank, Herr Gostomzyk.
Gostomzyk: Gerne! Schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.