Der Ton der politischen Auseinandersetzung ist rauer geworden, oft auch verletzend. Die Neigung zur Toleranz nimmt ab. Die Abneigung beschränkt sich dabei nicht nur auf Personen, sondern erstreckt sich auch auf das "System", auf die Demokratie selber.
Die Meinungsfreiheit genießt einen großzügigen verfassungsrechtlichen Schutz. Im Namen von Artikel 5 des Grundgesetzes ist viel möglich. Gilt die Meinungsfreiheit für alles?
Der Staatsrechtler und Rechtsphilosoph Uwe Volkmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main fragt, ob das Recht darauf ausreichend eingestellt ist.
Die Gerichte sind bei der Auslegung der Meinungsfreiheit sehr großzügig. Auch da ließe sich fragen: Ist das richtig? Ist das das richtige Signal, das eine Rechtsprechung ausgibt?
Demokratie heißt auch Bereitschaft zum Dialog
In den Grundrechten seien nicht nur Abwehrrechte formuliert, sondern drücke sich auch ein objektives Wertesystem aus, so Volkmann weiter. Die Grundlage der Demokratie sei nicht nur der Wahlakt und der Minderheitenschutz, sondern die wechselseitige Achtung und Respektierung der Rechtsträger.
Es sei "Aufgabe des Rechts, die Kultur des wechselseitigen Respekts und der Achtung ein Stück zu schützen und durchzusetzen", so Volkmann.
Wir hätten gegenwärtig unterschiedliche Wahrnehmungen von Freiheit der Meinungsäußerung. Es gebe Gruppen, die sich in ihren Diskurs-Universen einigeln. Auch in der Universität sei das anzutreffen. Was verloren gehe, sei die Fähigkeit zum gruppenübergreifenden Gespräch.
"Achtung des anderen stark machen"
Dieser problematischen Entwicklung möchte Volkmann entgegenwirken und die unterschiedlichen Gruppen ins Gespräch bringen. Das hohe Gut der Meinungsfreiheit dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die Schwelle dessen, was man sagen darf, könne nicht von einem individuellen Gefühl des Beleidigtseins abhängen.
Ihre Schranke finde die Meinungsfreiheit bei "evident unrichtigen Tatsachenbehauptungen". Eine Leugnung des Holocaust beispielsweise fällt aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit heraus. Volkmann betonte, dass das Recht "die Achtung des anderen als Person stark machen" solle. Das Recht könne wenig mehr machen als didaktische Impulse und Signale aussenden. Aber das immerhin.