Wer am Bahnhof in Helsinki ankommt, den begrüßen die Lautsprecher auf Finnisch – und auf Schwedisch, die zweite offizielle Sprache in Finnland. Ticketautomaten sind zweisprachig, Verkehrsschilder, Webseiten von Behörden und Unternehmen. Für etwa fünf Prozent der Bevölkerung ist Schwedisch die Muttersprache.
"Ich komme aus einer Familie schwedischsprachiger Fischernomaden, die entlang der Westküste segelten. Zuhause haben wir nur Schwedisch gesprochen, ich ging auf eine schwedischsprachige Schule und später auf die Uni."
Wachsender Hass
Johanna Holmström ist Erfolgsautorin aus Helsinki, 34 Jahre alt. Und sich bewusst, dass sie einer Minderheit angehört – die aber immer mehr in Bedrängnis gerate, erzählt sie. Viele Schwedenfinnen vermieden es mittlerweile sogar, in der Öffentlichkeit ihre Sprache zu sprechen.
"Der Hass auf uns kommt immer in Intervallen, wenn die Leute unsicher, unglücklich sind, wenn sie Angst um ihren Job haben. Das war in den 90ern während der großen Rezession so, und jetzt wieder.
Die Abneigung ist klar gewachsen: Eine Freundin wurde in der Umkleide eines Schwimmbads angegangen – weil sie mit ihrem Kind Schwedisch sprach. Oder man hört: Wir sind in Finnland, sprich gefälligst Finnisch oder geh heim! Aber was soll das heißen? Meine Vorfahren sind vor hunderten Jahren nach Finnland gekommen!"
Auch die Finnen-Partei dürfte dazu beitragen, dass immer mehr Finnen den schwedischen Teil ihrer Gesellschaft ablehnen. Die Partei war auch die treibende Kraft hinter einer Bürgerinitiative. Sie wollten das "Zwangs-Schwedisch" an finnischen Grundschulen abschaffen.
Keine Stimme in der Regierung
Damit hatte die Partei zwar keinen Erfolg. Dafür bekam sie bei den Parlamentswahlen 2015 fast 18 Prozent der Stimmen – und vertrieb die liberale "Schwedische Volkspartei" nach 36 Jahren aus der Regierung.
"Das war einer der größten Triumphe der Finnenpartei. Und weil sie manche Themen wie den Euro-Austritt nicht durchsetzen konnten, bauscht sie ihre Fremdenfeindlichkeit zum Riesenthema auf. Das ist eine Bedrohung für uns, und gibt dem Rassismus Aufwind.
Ich kriege Mails, in denen steht, du bist schuld, dass so viele Migranten kommen, man sollte dich erhängen, vergewaltigen. Ich habe das Gefühl, in unserer Gesellschaft wird so viel Wert auf Leistung und Technik gelegt, dass darüber das Zwischenmenschliche vergessen wird."
Jedes Anderssein ist schlecht
Eva Biaudet war für die Schwedische Volkspartei schon Ministerin für Gesundheit und Soziales, zuletzt Ombudsfrau für Minderheiten in Finnland. Hassmails hat sie aber auch vorher schon bekommen.
"Mir scheint, da wird viel vermischt: Jedes Anderssein ist schlecht, egal ob es Glauben, Nationalität oder Sexualität betrifft. Und der Hass auf Frauen. Vielleicht haben wir auch zu lange in einer Blase gelebt hier oben und erschrecken jetzt, weil der Rest der Welt näher kommt. Manche Leute denken, sie könnten Finnland stärken, wenn sie sich abschotten."
Dabei kamen schon im 13. und 14. Jahrhundert die ersten Schweden ins Land. Aber Schweden war lange auch Besatzungsmacht – bis heute halten sich die Vorurteile über eine wirtschaftlich und sozial privilegierte Minderheit, erzählt Holmström.
"Aber als Finnland Teil von Schweden war, gab es hier nichts, man musste Städte, eine ganze Gesellschaft erst aufbauen. Dafür haben die Schweden ihre gebildete Oberschicht hergeschickt. Sicher, diese Familien wurden reich und beuteten auch Arbeiter aus. Aber das waren wenige!"
Zusammenhalt unter den Minderheiten
Ihre Nachkommen halten nicht nur untereinander zusammen, sondern auch zu anderen Minderheiten. Etwa zu Ausländern, die bisher nur vier Prozent der Bevölkerung ausmachen, beobachtet auch Eva Biaudet.
"Wir finden Einwanderung bereichernd, auch die schwedischsprachigen Medien gehen viel offener mit Migranten um. Die schwedisch dominierten Gemeinden haben viel mehr Flüchtlinge aufgenommen – es gibt ja Gemeinden, in denen über 90 Prozent Schwedischsprachige leben."
Auch wenn diese in Helsinki klar in der Minderheit sind, gibt es genug Kitas und Schulen, in die Finnlandschweden wie Johanna Holmström ihre Töchter schicken können.
Die Mädchen sprechen längst Schwedisch. Finnisch. Und Arabisch: Ihr Vater stammt aus Algerien. Damit sind sie eine doppelte Minderheit im Land.