Igor Malitsky will erkannt werden. Mit einer blau-grau gestreiften Häftlingsmütze auf dem Kopf läuft er über den harschen Schnee des riesigen Areals von Auschwitz-Birkenau.
"Wir haben in Charkov einen großen Versammlungsraum. Da sitzen Juden, Tataren, Russen, Männer, Frauen was für einen Unterschied soll es denn da geben, es sind Menschen. Menschen! Und deswegen ist Nationalismus das Schlimmste was es gibt."
Außer im früheren deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, war Igor Malitsky unter anderem im damaligen KZ Mauthausen in Österreich gefangen. Gemeinsam mit weiteren Mauthausen-Überlebenden hat der 93-Jährige einen offenen Brief unterschrieben, der auch an Bundeskanzler Sebastian Kurz gerichtet ist. Malitzky schreibt:
"Ich weiß aus eigener Lebenserfahrung was entsteht, wenn Xenophobie und Antisemitismus, Teil der staatlichen Politik zu werden drohen. Man darf nicht zulassen, dass in der Regierung rechtsextreme Politiker sind."
Viele Überlebende machen sich Sorgen, bestätigt Oskar Deutsch. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.
"Jetzt sind viele von ihnen sicherlich verunsichert. Wie kann es sein, dass heute noch eine Regierung in Österreich von einer Partei besetzt wird, die diese Vergangenheit hat. Nicht nur diese Vergangenheit hat, sondern auch heute ist es fast an der Tagesordnung, dass irgendein Funktionär der FPÖ sich antisemitisch äußert."
"Umfärbung " in FPÖ-geführten Ministerien befürchtet
40 Prozent der FPÖ-Abgeordneten, sowie zahlreiche FPÖ-Mitarbeiter und Minister seien bei deutsch-nationalen Burschenschaften. Freiheitliche Minister hätten nun direkten Zugriff auf Polizei, Bundesheer oder Geheimdienst, kritisiert der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde. So ist FPÖ-Innenminister Herbert Kickl unter anderem auch für die Gedenkstätte Mauthausen zuständig, auch wenn Kickl hierfür eine ÖVP-Staatssekretärin an die Seite bekommen hat.
"Ob es da speziell Probleme gibt, kann ich mir nicht vorstellen, weil Mauthausen zu international ist, dort Probleme zu machen, wird sich diese Regierung hüten. Aber was schon passiert - sowohl im Innenministerium als auch in vielen von FPÖ-geführten Ministerien ist eine Umfärbung und da kommen Leute rein in die Ministerien für sehr verantwortungsvolle Positionen, die ganz klar Antisemiten sind."
Israel unterhält mit FPÖ-Abgeordneten Beziehungen nur auf Arbeitsebene
Die Wiener Kultusgemeinde will mit der FPÖ keinen Kontakt. Und der Vorstand hat gerade einstimmig einen entsprechenden Beschluss erneuert.
"Das zeigt ganz genau, dass diese jüdische Gemeinde geschlossen gegen die FPÖ auftritt."
Die Kultusgemeinde mit ihren rund 8000 Mitgliedern liegt damit auf der Linie der israelischen Regierung. Diese verkehrt mit den sechs FPÖ Ministern bisher nur auf Arbeitsebene, doch anders als bei der ersten schwarz-blauen Koalition im Jahr 2000 wurde die israelische Botschafterin nicht abgezogen. Sebastian Kurz sei ein Freund der jüdischen Gemeinde, betont Oskar Deutsch und man habe eine gute Gesprächsbasis, die er nutzen wolle.
FPÖ unter Beobachtung
Auch Martin Engelberg verfolgt diese Debatte ganz genau. Jüdischer Österreicher und Abgeordneter der konservativen ÖVP von Sebastian Kurz:
"Ich bin hier in Österreich geboren und aufgewachsen. Ich weiß genau, wer die FPÖ ist und kenne ihre Geschichte und auch ihre Gegenwart. Für mich ist der entscheidende Punkt, dass diese Regierung sich ganz klar bekennt gegen, gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen. Für mich ist die Herausforderung darauf zu achten, dass das auch wirklich so eingehalten wird."
Martin Engelberg ist auch Mitglied der israelisch-österreichischen Parlamentariergruppe. Und hat in der israelischen Zeitung "Haaretz" die Koalition mit den Rechtspopulisten verteidigt und begründet.
Für Engelberg gibt es auch jetzt schon Grenzen. Etwa FPÖ-Anzeigen oder Interviews von Ministern in der rechtsextremen Zeitschrift "Aula".
Die schwarz-blaue Koalition in Österreich ist noch keine vier Wochen im Amt. Oft heißt es, lasst uns doch einfach mal machen. Für den ukrainischen Auschwitzüberlebenden Igor Malitzky, kein Argument:
"Ich sage ja immer, die Rote Armee hat die Faschisten zwar besiegt, aber der Faschismus ist damit nicht ausgerottet. "