Dartford, 30 Kilometer südöstlich von London in der Grafschaft Kent; ein zubetoniertes Pendlerkaff mit 70.000 Einwohnern; kein Wunder, dass es in keinem Reiseführer zu finden ist. Das einzig Bemerkenswerte: Hier wuchsen Mick Jagger und Keith Richards nur zwei Ecken voneinander entfernt auf, trafen sich 1961 auf dem Bahnhof zufällig wieder und gründeten kurz darauf die Rolling Stones. Heute deutet in der austauschbaren Fußgängerzone mit ihren Wettbüros und Nagelstudios absolut nichts auf die bevorstehende Wahl.
Sind Sie sicher, dass Wahlen sind, fragt Robert ein 43-jähriger Elektroingenieur ungläubig; Nein von UKIP und ihrem Chef Nigel Farage da halte er gar nichts:
"Er scheint mit den Ängsten der Menschen zu spielen, mit ihren Sorgen und nutzt das, um sie vor seinen Karren zu spannen."
Im TV-Spot macht der charismatische, stets grinsende und Kette rauchende Anführer Nigel Farage Stimmung vor allem gegen die da oben, die abgehobenen "Cretins" der anderen politischen Parteien.
"Wir sind nicht gegen Menschen aus anderen Ländern, aber der gesunde Menschenverstand diktiert, dass wir das Tor nicht für ganz Osteuropa offen halten sollten. Es ist Zeit, zuerst an die Interessen des britischen Volkes zu denken."
Das findet der Renter Bob Clark auch, den wir im weitgehend verwaisten Einkaufszentrum Dartfords treffen. Viele Shops stehen hier leer, unbeachtet bleibt das halbe Dutzend Münz-Spiel-Autos.
"UKIP – die werde ich wählen. Das sind die Besten überhaupt. Wir helfen zu vielen kleinen Ländern und sollten uns eher selbst helfen – aber das ist unser eigener Fehler."
Kent ist wie das gesamte ländliche England noch fest in der Hand der Konservativen. Bei der letzten Wahl haben sie hier 72 von 84 Mandaten gewonnen. Einer ist der Landrat Jan Wolzog, mit dem wir eigentlich verabredet sind.
Der Tory sagt das Interview kurzfristig ab – angeblich aus Zeitgründen. Vielleicht aber auch, weil seine Wiederwahl fraglich ist. Denn ausgerechnet Jo Shipham kandidiert in Dartford gegen ihn und für UKIP. Jo ist seine Schwiegermutter.
"Es gibt im Leben weit wichtigere Dinge als Politik - die Familie natürlich. Aber vor allem für meine Tochter ist es doch schwierig, sie steht zwischen Baum und Bork. Und dann ist auch noch mein Sohn Wahlkampfleiter der Tories. Er hat es sehr schwer genommen, als ich die Tories nach Jahrzehnten verlassen habe. Nach einem Streit sagte er, du spinnst einfach, aber ich werde Dich immer lieben, Mama."
Jo Shipham ist Witwe und 73. Da UKIP kein Wahlbüro hat, treffen wir sie im Biergarten. Zerbrechlich wirkt sie und ihren Falten sieht man an, dass sie leidenschaftlich gern qualmt. Sie sei gegen Einwanderung und Homo-Ehe, aber für Gymnasien und kleine Geschäfte.
"Wir glauben, dass der Bierpreis sinken, und dass dem Pub-Besitzer erlaubt werden sollte, auch Rauchern Platz zu bieten."
Und dann geht’s mit zum Klinkenputzen.
Canvassing nennt man in England die persönliche Werbung des Kandidaten beim Wähler. Nicht jede Tür der schmucken Einfamilienhäuser öffnet sich. Aber jene, die aufmachen, äußern durchweg Sympathie für die Protestpartei UKIP. Wie Sonja 62, klein und mollig – und deutschstämmig.
"Ihr habt uns schon bekehrt, und auch meinen Sohn und seine Frau. Wir brauchen was Neues! - Und Sie sprechen Deutsch? - Ja natürlich. Meine Mutter hat ‚nen Engländer geheiratet und sie kam von Hamburg."
Und dann regen sich alle gemeinsam auf über Ken Clarke; der Tory-Minister hat vor Kurzem UKIP und deren Wähler als Sammlung von Clowns beschimpft.
"Die haben uns Spinner und versteckte Rassisten genannt – uns – das britische Volk! Wie kann er es wagen, uns als Clowns zu bezeichnen, nur weil wir gegen ihn sind?"
Doch Jo’s Begleiter John Lee ist überzeugt, dass Clarke der UKIP nur noch mehr Wähler zutreibe. Wenn man in Kent künftig nicht mehr nur einen, sondern zehn Landräte stellen sollte, dann wäre das ein Riesenerfolg.
Sind Sie sicher, dass Wahlen sind, fragt Robert ein 43-jähriger Elektroingenieur ungläubig; Nein von UKIP und ihrem Chef Nigel Farage da halte er gar nichts:
"Er scheint mit den Ängsten der Menschen zu spielen, mit ihren Sorgen und nutzt das, um sie vor seinen Karren zu spannen."
Im TV-Spot macht der charismatische, stets grinsende und Kette rauchende Anführer Nigel Farage Stimmung vor allem gegen die da oben, die abgehobenen "Cretins" der anderen politischen Parteien.
"Wir sind nicht gegen Menschen aus anderen Ländern, aber der gesunde Menschenverstand diktiert, dass wir das Tor nicht für ganz Osteuropa offen halten sollten. Es ist Zeit, zuerst an die Interessen des britischen Volkes zu denken."
Das findet der Renter Bob Clark auch, den wir im weitgehend verwaisten Einkaufszentrum Dartfords treffen. Viele Shops stehen hier leer, unbeachtet bleibt das halbe Dutzend Münz-Spiel-Autos.
"UKIP – die werde ich wählen. Das sind die Besten überhaupt. Wir helfen zu vielen kleinen Ländern und sollten uns eher selbst helfen – aber das ist unser eigener Fehler."
Kent ist wie das gesamte ländliche England noch fest in der Hand der Konservativen. Bei der letzten Wahl haben sie hier 72 von 84 Mandaten gewonnen. Einer ist der Landrat Jan Wolzog, mit dem wir eigentlich verabredet sind.
Der Tory sagt das Interview kurzfristig ab – angeblich aus Zeitgründen. Vielleicht aber auch, weil seine Wiederwahl fraglich ist. Denn ausgerechnet Jo Shipham kandidiert in Dartford gegen ihn und für UKIP. Jo ist seine Schwiegermutter.
"Es gibt im Leben weit wichtigere Dinge als Politik - die Familie natürlich. Aber vor allem für meine Tochter ist es doch schwierig, sie steht zwischen Baum und Bork. Und dann ist auch noch mein Sohn Wahlkampfleiter der Tories. Er hat es sehr schwer genommen, als ich die Tories nach Jahrzehnten verlassen habe. Nach einem Streit sagte er, du spinnst einfach, aber ich werde Dich immer lieben, Mama."
Jo Shipham ist Witwe und 73. Da UKIP kein Wahlbüro hat, treffen wir sie im Biergarten. Zerbrechlich wirkt sie und ihren Falten sieht man an, dass sie leidenschaftlich gern qualmt. Sie sei gegen Einwanderung und Homo-Ehe, aber für Gymnasien und kleine Geschäfte.
"Wir glauben, dass der Bierpreis sinken, und dass dem Pub-Besitzer erlaubt werden sollte, auch Rauchern Platz zu bieten."
Und dann geht’s mit zum Klinkenputzen.
Canvassing nennt man in England die persönliche Werbung des Kandidaten beim Wähler. Nicht jede Tür der schmucken Einfamilienhäuser öffnet sich. Aber jene, die aufmachen, äußern durchweg Sympathie für die Protestpartei UKIP. Wie Sonja 62, klein und mollig – und deutschstämmig.
"Ihr habt uns schon bekehrt, und auch meinen Sohn und seine Frau. Wir brauchen was Neues! - Und Sie sprechen Deutsch? - Ja natürlich. Meine Mutter hat ‚nen Engländer geheiratet und sie kam von Hamburg."
Und dann regen sich alle gemeinsam auf über Ken Clarke; der Tory-Minister hat vor Kurzem UKIP und deren Wähler als Sammlung von Clowns beschimpft.
"Die haben uns Spinner und versteckte Rassisten genannt – uns – das britische Volk! Wie kann er es wagen, uns als Clowns zu bezeichnen, nur weil wir gegen ihn sind?"
Doch Jo’s Begleiter John Lee ist überzeugt, dass Clarke der UKIP nur noch mehr Wähler zutreibe. Wenn man in Kent künftig nicht mehr nur einen, sondern zehn Landräte stellen sollte, dann wäre das ein Riesenerfolg.