Der historische Wahlsieg der PiS in Polen scheint sicher. Dennoch gab der gestrige Wahlabend einige Rätsel auf, insbesondere der Auftritt der Spitzenpolitiker der Rechtskonservativen. Parteichef Jaroslaw Kaczynski sprach als erster und stellte die Spitzenkandidatin seiner Partei Beata Szydlo als "Vize-Vorsitzende" vor, nicht als künftige Ministerpräsidentin.
Die neue Opposition im Sejm spekuliert deshalb bereits über eine mögliche erste Wahllüge der PiS - vielleicht schlägt die Partei doch Jaroslaw Kaczynski als Ministerpräsident vor. Joanna Kluzik-Rostkowska von der rechtsliberalen "Bürgerplattform":
"Ich will keine Gerüchte verbreiten. Aber ich habe beobachtet, dass Jaroslaw Kaczynski sich schon zu Ende des Wahlkampfes bemerkbar gemacht hat. Zuerst ist Beata Szydlo also Gesicht der Partei, als künftige Ministerpräsidenten angepriesen worden. Aber dann hat sich der Parteichef zu Wort gemeldet. Er kämpft offenbar darum, dass die PiS seine Partei bleibt."
Beata Szydlo befeuerte diese Spekulationen noch. Sie verwies auf Jaroslaw Kaczynski als Hauptverantwortlichen für den Sieg ihrer Partei. Kaczynski hatte sich im Wahlkampf zurückgehalten, weil er als Ministerpräsident in den Jahren 2006 und 2007 viele Bürger gegen sich aufgebracht hatte. Auch damals hatte er vor der Wahl erklärt, er wolle nicht Regierungschef werden.
Die zweite große Frage nach der Wahl: Wie weit will die PiS mit dem Umbau des Staates gehen? Für eine Verfassungsreform, von der PiS immer wieder gefordert, wird ihr die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit fehlen. Doch der Rocksänger Pawel Kukiz, der mit seiner Partei zum ersten Mal ins Parlament einzog, bot sich bereits als Partner an.
"Wir haben eine neue Bewegung geboren, und unser Ziel ist es, die Verfassung zu ändern. Der Staat soll wieder seinen Bürgern gehören. Ich garantiere Euch, spätestens in zwei Jahren wird das gegenwärtige politische System in Polen platzen."
"Bei uns geht es nur einigen wenigen gut (...), die PiS wird das ändern"
Berührungspunkte gibt es: Sowohl PiS als auch die Partei von Kukiz wollen mehr Vollmachten für den Staatspräsidenten. Beide politischen Kräfte dürften sich auch über rechtsgerichtete weltanschauliche Elemente in der Verfassung verständigen können - etwa eine Klausel, dass es keine gleichgeschlechtliche Ehe geben kann. Allerdings tritt Kukiz für eine Änderung des Wahlsystems ein: Er fordert ein Mehrheitswahlrecht, das lehnt die PiS ab. Tatsache ist, dass die PiS bei ihren Wählern große Hoffnungen geweckt hat. Viele Warschauer bewerteten das Wahlergebnis am Tag danach optimistisch, so der 70-jährige Ryszard Pszontka, ein ehemaliger Elektriker:
"Bei uns geht es nur einigen wenigen gut, die anderen kommen nur so einigermaßen über die Runden. Die PiS wird das ändern, und ich bin zu 80 Prozent überzeugt, dass sie das auch schafft.
Doch die Versprechen der PiS kosten viel Geld, vor allem die Rücknahme der Rentenreform. Die Polen sollen nun doch nicht erst mit 67 in den Ruhestand gehen. Kritiker warnen davor, dass die neue Regierung das Land weiter verschulden wird. Entsetzen herrschte nach der Wahl indes bei linksgerichteten Wählern. Nach gegenwärtigem Stand schafft es keine Formation aus linken Parteienspektrum ins Parlament. Konrad Bednarski, 40 Jahre alt und Mitarbeiter einer Stiftung:
"Wenn ich höre, wie die PiS Stimmung gegen Kriegsflüchtlinge aus Syrien macht, wenn sie sich lustig macht über Menschen, die ihr Geschlecht ändern wollen, dann fällt mir nichts mehr ein. Das wird uns auf lange Sicht zurückwerfen."
Definitv allerdings kann sich im Moment noch kein polnischer Politiker zu seinen Zukunftsplänen äußern: Erst mit der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses wird klar, welche Parteien mit wie viel Abgeordneten in den Sejm einzieht. Hochrechnungen wie in Deutschland gibt es in Polen nicht.