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Rechtsruck nach der Präsidentenwahl
"Österreich könnte den polnischen oder ungarischen Weg gehen"

Ist die FPÖ rechtspopulistisch oder rechtsradikal? Die Zuordnung fällt nicht so einfach, weil sie mit Symbolen zu spielen weiß. Wie genau, erläuterte der Wiener Historiker Oliver Rathkolb im Deutschlandfunk. Auf der einen Seite demonstrative Israelbesuche, auf der anderen völkisches Gedankengut. Der Wissenschaftler warnt, Österreich könne einen ähnlichen Weg gehen wie Polen oder Ungarn.

Der Wiener Zeithistoriker Oliver Rathkolb im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Abschluss der Wahlkampagne von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer.
    Wie funktioniert der Rechtspopulismus in Österreich? (dpa / picture alliance / Christian Bruna)
    Oliver Rathkolb ist Professor am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien und Vorsitzender des Beirats zum "Haus der Geschichte", das in Wien entstehen soll. Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich konnte sich der Grüne Alexander van der Bellen jüngst nur knapp gegen den rechtspopulistischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durchsetzen. In den "Kulturfragen" im Deutschlandfunk äußert sich Rathkolb zum Aufstieg des Rechtspopulismus in Österreich und seiner Ursachen.
    Die FPÖ bemühe sich, führte Rathkolb aus, einen Schnitt zur NS-Zeit zu machen. Das Hantieren mit Nazi-Symbolen sei deutlich zurückgegangen - insbesondere unter der Führung von Parteichef Hans-Christian Strache. Das zeige sich auch an den demostrativen Besuchen Straches und Hofers in Israel. Zudem setze die FPÖ statt auf NS-Symbole gegenwärtig mehr auf den Kampf gegen die, im FPÖ-Diktionsstil gesprochen, "islamistische Unterwanderung".
    Das Problem sind die Identitären
    Allerdings habe die FPÖ trotzdem ein Problem mit dem rechten Rand, was vor allem daran liege, so der Historiker, dass sich die FPÖ von der Indentitären Bewegung nicht distanzieren möchte. Die "Identitären" sind eine Fortentwicklung der Neuen Rechten. Sie vertreten die Vorstellung eines Ethno-Pluralismus und treten für kulturell und ethnisch homogene Staaten ein. Allerdings sprechen sie im Unterschied zu klassisch rassistischen Vorstellungen nicht von einer Höher- oder Minderwertigkeit von Volksgruppen und bestreiten daher häufig, rechtsradikal oder fremdenfeindlich zu sein. Professor Rathkolb zufolge versuchen sie in Österreich, mit "unglaublichen Provokationen", die Öffentlichkeit zu beeinflussen, wenn es um die Migrations- und Flüchtlingsfrage geht.
    Die gegenwärten Entwicklungen korrelierten immer den sozialen und ökonomischen Entwicklungen des Landes, führte der Wissenschaftler aus. Wenn es gelingen sollte, einen fairen Integrationskurs in Österreich zu fahren und gleichzeitg die Arbeitslosenzahl zu senken, dürften die Diskussionen künftig wieder mehr rational und weniger emotional geführt werden. Wenn dass aber nicht gelinge, könne man sich nicht sicher sein, wie die Nationalsratswahlen 2018 ausgingen. Rathkolb verwies darauf, dass die FPÖ bereits heute mit mehr als 35 Prozent stärkste politische Kraft in Österreich ist. Es sei daher durchaus möglich, dass das Land dann entweder den polnischen oder ungarischen Weg gehen werde, was die Wählerströme betreffe. In beiden Ländern sind derzeit mit der PIS und der Fidesz rechtskonservative Parteien an der Regierung. In Ungarn erreichte die Fidesz 2010 eine Zweidrittel-Mehrheit.
    Lufthoheit über Stammtische
    Derzeit, so Rathenkolb, habe die Politik "den Diskurs mit den Gesellschaften in den Bundesländern abseits der großen urbanen Zentren verloren". Besonders vor dem Hintergrund der Debatte um islamistischen Terror habe deshalb die Freiheitlichen Partei Österreichs "auf den Stammtischen die Lufthoheit errungen".
    Das komplette Gespräch können Sie sechs Monate lang nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Angebot nachhören.