Zwölf Kilometer südöstlich von Leipzig betritt Jörg-Michael Bunzel das Verwertungs-Entsorgungszentrum 1. Sein Arbeitsplatz, eine mit Wellblech verkleidete Lagerhalle, liegt am Rande des ehemaligen Braunkohletagebaureviers Espenhain, heute Teil eines künstliches Seengebiets.
"Ja, wir befinden uns hier in der Annahmehalle. Wir dürfen hier genehmigt bis zu 2.500 Tonnen Gips annehmen. Und dann haben wir in der Mitte natürlich unsere gesamte Aufgabeeinheit stehen, wo die Gipsabfälle aufgegeben werden und in nachfolgenden Schritten der Aufbereitung unterzogen werden",
erklärt Jörg-Michael Bunzel, Entwicklungschef beim Unternehmen Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgung. Wo früher Schaufelradbagger Braunkohle förderten, steht nun die erste industrielle Aufbereitungsanlage für Gips. Was für den Verschnitt in Gipsverarbeitungswerken längst üblich ist, gibt es seit Juli auch für Gipsabfälle. Bislang geht das Material entweder auf die Deponie, deckt Kalihalden ab oder füllt Bergbaulöcher. Sachsen und andere Bundesländer wollten diese Lösung nicht länger unterstützen. Und so bekam Jörg-Michael Bunzel den Auftrag ein Verfahren zu entwickeln, um Gipsabfälle wieder zu verwerten.
"Also wie sie sehen, gipshaltige Abfälle, maßgeblich Gipskartonplatten, die sowohl aus der Installation kommen und ohne Anhaftungen sind als auch vom Rückbau: Da sehen sie halt Tapeten dran, Farben dran, Fliesen", erläutert der Ingenieur. Nur wenige Meter von ihm entfernt taucht der Bagger in einen Schuttkegel vorsortierter Gipsabfälle, schwenkt zum Aufgabebunker und wirft den Inhalt ab. Das Material wird erst einmal grob zerkleinert und von Metallen befreit. Anschließend geht es über ein Band zur Klassieranlage im zweiten Teil der Halle.
Nach mehrmaligem Sieben und Zerkleinern entsteht Recycling-Gips
Dort werden die handtellergroßen Abfälle in zwei Schritten weiter zerkleinert bis nur noch feines weißes Gipspulver übrig bleibt. Über Siebanlagen werden zwischendurch Papierstücke und Tapetenreste herausgefischt. Sieben, Zerkleinern, Sieben, Zerkleinern, Sieben. Klassieren nennt das der Fachmann. Ergebnis ist Recycling-Gips, Ausgangsstoff für neue Gipskartonplatten.
"Sie sehen hier einen reinen Gips. Wir haben teilweise Gipsgehalte, die liegen zwischen 85 und 90 Prozent. Da würde manche Lagerstätte sich freuen, solche reinen Gipsgehalte zu bekommen", betont Jörg-Michael Bunzel. Die Qualität ist entscheidend, um mit Naturgips konkurrieren zu können. Auch das abgetrennte Papier will der Anlagenentwickler künftig wieder verwerten. Wenn möglich in Papierfabriken, erzählt er auf seinem Weg von der Halle Richtung Bürocontainer. Er hinterlässt dabei weiße Fußspuren auf dem Asphalt.
"Gips ist chemisch nichts anderes als Calciumsulfat plus Kristallwasser. Nehm ich ein halbes Molekül weg, dann bindet der ab. Dadurch ist Gips unendlich recycelbar. Jeder Handwerker kennt das von zu Hause. Der rührt sein Gips auch an, indem er einfach Wasser zugibt."
Obwohl Gips unendlich recycelbar ist und die Qualität stimmt, hat Jörg-Michael Bunzel zurzeit ein Problem. Ihm fehlt das Material zum Recyceln. Die Anlage ist auf 75.000 Tonnen pro Jahr im Dreischichtbetrieb ausgelegt, läuft derzeit aber nicht einmal eine Schicht. Der Grund dafür ist einfach: Abfälle gehen immer den günstigsten Weg. Aktuell nach Osteuropa. Dort werden gipshaltige Abfälle für wenige Euro pro Tonne verklappt. Das ärgert den Entwicklungschef, schließlich habe man einen Millionenbetrag und drei Jahre Entwicklungszeit in die Anlage investiert. Er bleibt dennoch zuversichtlich:
"Da liegt jetzt unsere Aufgabe, die Kunden zu überzeugen, dass der stoffliche Verwertungsweg der bessere ist. Zumal wir wirtschaftlich arbeiten und die Preise schon da waren."
Wer auch noch überzeugt werden muss, sind die Abnehmer. Denn bislang wird der Recycling-Gips Made in Leipzig nur von der Konzernschwester Casea abgenommen. Aber das könnte sich bald ändern. Ein Konzept des Bundesverbands der Gipsindustrie sieht künftig 13 weitere Abnahmestellen verteilt über ganz Deutschland vor. 300.000 Tonnen Gipsabfälle könnten so als Recycling-Gips zurück in den Kreislauf gelangen.