Archiv

Recycling
Neue Pflichten für Verpackungshersteller

Strohhalme, Kaffeebecher, Gemüsefolie: Einmal verwendet, landen sie im Müll. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will das ändern. Alle Hersteller und Vertreiber von Verpackungen müssen sich bis Ende 2018 online im neuen Verpackungsregister anmelden.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 06.09.2018
    Entsorgung von Haushaltsabfällen: Blick in eine gelbe Wertstofftonne am Straßenrand.
    2016 waren die Deutschen mit der Müllerzeugung pro Kopf EU-Spitzenreiter (imago )
    Auch während der Produktion dieses Beitrags – so viel sei eingeräumt – entsteht neuer Müll, in Form eines Pappkaffeebechers und einer Papiertüte für das Croissant. Genau diese Verpackungen – besonders jene aus Plastik, gehen der Umweltministerin gegen den Strich:
    "Das Beispiel, was mich am meisten schockiert hat, war ein Plastikbecher, der zusätzlich mit einer Pappschicht versehen war, um stabiler zu sein", sagt Svenja Schulze, Sozialdemokratin und seit einem halben Jahr für die Umwelt zuständig: "Wenn die Leute das nicht trennen, dann kriegt man das nicht mehr auseinander, wenn das einmal im gelben Sack gelandet ist. Und die können dann eben nicht recycelt werden, weil man’s nicht richtig auseinander kriegt."
    2016 hat jeder Deutsche 220 Kilogramm Müll produziert
    Deshalb nimmt die Bundesregierung nun die Wirtschaft in die Pflicht: Sämtliche Hersteller und Vertreiber von Verpackungen müssen sich bis Ende dieses Jahres online im neuen Verpackungsregister namens Lucid anmelden – egal, ob sie Salatfolie für den Supermarkt oder Pappe für den Versandhandel produzieren.
    "Diese zentrale Stelle ist praktisch die Überwachungsbehörde, damit wir diejenigen, die wir als Trittbrettfahrer bezeichnen, also Unternehmen, die ihre Verpackungen heute zum Beispiel im Dualen System nicht angemeldet haben, damit wir die auch bekommen. Die müssen künftig bezahlen. Und über den gesetzlichen Zwang sich zu registrieren, wollen wir an die auch rankommen, die das bisher noch nicht gemacht haben."
    Mit gut 220 Kilogramm pro Kopf war Deutschland im Jahre 2016 innerhalb der Europäischen Union negativer Spitzenreiter: Kein anderer Mitgliedsstaat produziert so hohe Verpackungsmüllberge wie wir. Seit den neunziger Jahren haben Bundesregierungen aller Couleur auf Freiwilligkeit gesetzt – Unternehmen, die sich nicht am Dualen System beteiligten, mussten keine Sanktionen fürchten.
    Ziel ist es, Müll von vornherein zu vermeiden
    "Dem Versandhändler ist auch bis heute nur untergeordnet klar, dass er sich mit seiner Versandverpackung auch unter der Verpackungsverordnung schon hätte beteiligen müssen. Das fällt ihm jetzt gerade auf, bis 1.1.2019 muss er sich registrieren, aber die Beteiligungspflicht bestand schon vorher", erklärt Gunda Rachut, Vorstand der neuen Zentrale für das Verpackungsregister, kurz ZSVR. Dort kann sich ab sofort jeder Hersteller im Internet registrieren, damit zum 1. Januar 2019 – wenn das neue Verpackungsgesetz in Kraft tritt, möglichst viele Daten vorliegen. Entscheidend ist für die Bundesumweltministerin aber vor allem eines: Müll von vornherein zu vermeiden.
    "Wer meint, er könne Wegwerfplastikteller durch Wegwerf-Aluteller ersetzen, das wollen wir auf keinen Fall, das ist eher noch schlimmer für die Umwelt. Sondern wir wollen wirklich, dass wir wegkommen von dem einfach nur einmal benutzen und wegschmeißen."
    Schulze hofft nun darauf, dass das Lucid-Register EU-weit Schule macht. Dabei war es umgekehrt die Europäische Kommission, die im Frühjahr sehr viel rigoroser als die deutsche Umweltministerin dem Plastikmüll den Kampf ansagte und ein komplettes Verbot für Einmal-Plastik vorschlug. Sozialdemokratin Schulze findet das gut:
    "So’n kleiner Strohhalm, da denkt man ja erstmal, das ist nicht so ein Problem. Ist aber durch die Menge einfach ein Riesenproblem, und da kann man Glas nehmen, da kann man aus Apfelresten gemachte Strohhalme nehmen, also da haben wir gute Alternativen, und dann kann man sowas auch verbieten."
    Verbraucher reagieren allergisch auf eingeschweißte Gurken
    Viel Gehör hat sich Schulze damit bisher allerdings nicht verschaffen können. Umso mehr setzt sie auf die gesetzliche vorgeschriebene Recycling-Quote, sie soll in den nächsten vier Jahren von derzeit 36 auf 63 Prozent erhöht werden. Dass zudem immer mehr Verbraucher allergisch auf eingeschweißte Gurken oder zigfach verpackte Süßigkeiten reagieren, hat auch die Umweltministerin registriert, sie will deshalb weitere Gespräche führen.
    Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, den Verpackungsmüll zu reduzieren. Die Erhöhung der Recyclingquote bis 2022 sei aber nur ein wichtiger Schritt. Daneben müsse es darum gehen, Verpackungen, wo immer möglich, zu reduzieren.