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Recycling von Baustoffen
Aus Bauschutt werden neue nachhaltige Fassaden

Sechs Prozent des Treibhausgases Kohlendioxid werden weltweit bei der Produktion von Zement frei. Trotzdem werden Baustoffe kaum wiederverwertet, wenn Gebäude abgerissen werden. Forscher von zwei Fraunhofer-Instituten wollen das ändern.

Von Hellmuth Nordwig |
    Trümmer des Universitätsturms nach der Sprengung PUBLICATIONxINxGERxSUIxONLY 1074700843 Debris the after the Detonation 1074700843
    Aus Bauschutt läßt sich mehr machen als nur Straßenbelag (imago stock&people)
    Wenn ein Haus abgebrochen wird, fällt jede Menge Schutt an. Recycelt werden davon bisher aber nur rund 5 Prozent. Und das, obwohl Bausand inzwischen schon knapp wird, bedauert Norbert Leiss vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik.
    "Die Wiederverwendung beschränkt sich heute eher darauf, dass man das Material im Straßenunterbau als eher minderwertige Anwendung verwendet. Das ist in unseren Augen kein echtes Recycling. Und zum anderen landet es doch überwiegend auf der Deponie oder als Deponiebaustoff."
    Norbert Leiss steht vor einer Maschine, die das ändern soll. Noch passt sie in einen Umzugskarton, sie ist ein Demonstrationsmodell. In einen Trichter füllt der Forscher geschreddertes Baumaterial: Körner, die nur ein paar Millimeter groß sind. Da ist zum Beispiel ein Ziegelstückchen zu erkennen oder kleine Betonteile.
    Materialunterschiede optisch erkennen
    Die Stückchen werden in der Anlage so verteilt, dass sie einzeln auf einem Förderband landen. Dieses fährt das Material in eine Zone, die mit einer Infrarotkamera bestückt ist. Wozu sie dient, erklärt Benjamin Timmerbeil vom Fraunhofer-Institut für Optronische Systeme und Bildauswertung.
    "Sie erkennt die Materialunterschiede optisch. Und aufgrund dessen können wir das Material unterscheiden und aussortieren. Das Sortieren selbst geschieht über Druckluftdüsen, und die werden in Echtzeit angesteuert. Das heißt also, wenn wir die Materialien erkennen, können wir sie kurze Zeit später sofort sortieren."
    Chemischer Fingerabdruck
    Druckluft pustet die Steinchen also je nach Material in eine jeweils andere Richtung, wo sie dann ziemlich sortenrein anfallen. Zu rund 90 Prozent, und das sogar bei Körnchen, die nur einen Millimeter klein sind, berichten die Fraunhofer-Forscher.
    Der Clou bei der Sortierung: Jedes Material hat seinen charakteristischen chemischen Fingerabdruck im Infrarotbereich. Den misst die Kamera und entsprechend werden die Druckluftdüsen angesteuert. Dieses Verfahren ist in der Industrie bereits bewährt.
    "Das ist eine vielfältig anwendbare Technologie. Gerade bei Plastikmaterialien zum Beispiel wird die eingesetzt. Oder im Bereich der Weintrauben- oder Kaffeebohnensortierung. Also das ist ein sehr weites Feld."
    CO2 -neutrale Produktion
    Nun kommen also auch Baustoffe dazu. Für eine Wiederverwertung ist es hier extrem wichtig, dass die Fraktionen chemisch einheitlich sind. Denn jedes Material hat seine speziellen Eigenschaften. Die Fraunhofer-Forscher verarbeiten ihre Recyclate deshalb zu unterschiedlichen Baumaterialien. Zum Beispiel zum sogenannten Porenbeton, einem leichten Ziegelersatz mit guter Wärmedämmung. Oder zu einer Fassadenplatte, bei der das recycelte Material Zement ersetzt, wie Norbert Leiss erklärt.
    "Die besteht zu 70 Prozent aus Bauschutt. Diese Platte wird gebunden durch ein sogenanntes Geopolymer. Es ist zementfrei, und damit muss man bei der Produktion kein CO2 ausstoßen. Also ein sehr nachhaltiges Material. Es ist sehr leicht und kann auch in den notwendigen Festigkeiten hergestellt werden."
    Auch einen schalldämmenden Putz haben die Spezialisten aus Recyclingmaterial entwickelt. Zugelassen sind all diese Baustoffe noch nicht. Aber die Forscher haben demonstriert, dass man aus Bauschutt mehr machen kann als Straßenbelag.