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Recycling
Wunschlisten für das neue Wertstoffgesetz

Obwohl die Deutschen Weltmeister im Mülltrennen sind, landen immer noch zu viele Rohstoffe auf der Müllkippe oder werden verbrannt. Der Bund bereitet deshalb ein neues Wertstoffgesetz vor. Wir haben das zum Anlass genommen, einschlägige Experten zu fragen, was sie in ein Wertstoffgesetz schreiben würden.

Von Daniela Siebert |
    Eine Frau legt eine Tüte mit Restmüll in eine Mülltonne.
    Ein neues Wertstoffgesetz soll die alten Verpackungsverordnungen ablösen (dpa / picture alliance / Bernd Weißbrod)
    Die Deutsche Umwelthilfe - DUH
    Das Wertstoffgesetz könnte ein Quantensprung für die Kreislaufwirtschaft in Deutschland werden, hofft Thomas Fischer, Recyclingexperte bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Vor allem Kunststoff, Metalle und Verbundmaterialien, die aus mehreren Stoffen zusammengesetzt sind, sollten künftig direkt bei den Bürgern eingesammelt werden. In Form von Verpackungen und Produkten. Am besten werde das über eine Wertstofftonne organisiert, die vor Ort abgeholt werde:
    "Also es ist verbraucherfreundlicher, einfach nur in den Hof zu gehen und seine Wertstoffe dort in die Tonne zu packen als sie im Keller oder sogar in der Wohnung in irgendwelchen Säcken zu sammeln über längere Zeit und dann zu Wertstoffinseln zu fahren, wie beispielsweise in Bayern."
    Für die genannten Wertstoffe sollte das Wertstoffgesetz auch selbstlernende Quoten festlegen, fordert die DUH:
    "Wir haben momentan eine Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von nur 36 Prozent, technisch machbar wären ohne Probleme 60 bis 70 Prozent. Entsprechend sollten die Recyclingquoten immer dem Stand der Technik angepasst werden und so kommt man dann eben auch immer zu beweglichen selbstlernenden Quoten."
    Anders als bislang sollte nur als recycelt zählen, was am Ende des Recyclingprozesses wirklich hinten herauskomme, nicht das, was vorne in die Anlagen reingeht, so die DUH. Auch Sperrmüll sollte künftig nicht mehr verbrannt, sondern als Wertstoff recycelt werden.

    Die Privatwirtschaft
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie - BDI - will die bisherigen Verpackungsverordnungen als Wertstoffgesetz fortschreiben und Kunststoffe und Metalle einbeziehen. BDI-Geschäftsführer Harald Lösch:
    "Es geht halt lediglich darum, einige Mengen mehr pro Jahr in dieses System gelbe Tonne umzuleiten."
    Die Finanzierung des Systems möchte der BDI über Lizenzentgelte organisieren. So wie es bislang für die Verpackung von Waren praktiziert wurde, also auch für die Waren selbst. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der "Grüne Punkt". Quotenvorgaben im Gesetz hält man im BDI nicht für opportun:
    "Wir selbst würden keine Quotenvorgaben formulieren wollen, aber eins ist klar: Dass wir grundsätzlich der Meinung sind, das Thema Kreislaufwirtschaft und Nutzung von Sekundärrohstoffen ist ein Thema, an dem die Industrie natürlich ein großes Interesse hat, weil es einfach die Kosten generell auch senken kann."
    Umso wichtiger ist dem BDI, der auch den Dachverband der großen, privaten Entsorgungskonzerne vertritt, dass eine neu einzurichtende privatwirtschaftlich organisierte "Zentrale Stelle" die Kontrolle über das System bekommt. Nach Ansicht des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, BVSE, sollten in so einem System die Sammlung und Verwertung der Rohstoffe über Ausschreibungen vergeben werden.

    Die Wissenschaft
    Quoten ja oder nein, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Stefan Gäth, Professor für Abfall- und Ressourcenmanagement an der Universität Giessen, hält sie für überflüssig: Die Gewinne, die man mit Recycling machen könne, seien ausreichend attraktiv.
    Janis Winzer sieht das ganz anders. Er ist Fachmann für produktbezogenen Umweltschutz am Berliner Fraunhofer Institut IZM und hält Quotenvorgaben gerade beim Kunststoff für wichtig. Die dürften aber nicht fix sein:
    "Nach einer gewissen Zeit erreicht man die beispielsweise, dann tritt der Effekt ein, dass sich niemand mehr Mühe gibt, also gerade auf der privatwirtschaftlichen Seite."
    Janis Winzer plädiert für dynamische, selbstlernende Quoten, die eine Steigerung nach oben belohnen. Ähnlich sein Ansatz für die Finanzierung eines Wertstoffrecyclingsystems: Lizenzgebühren, die sinken, wenn die Hersteller ihre Produkte und Verpackungen von vornherein recyclingfreundlich konzipieren.
    Auch Sperrmüll müsste künftig als Wertstoff definiert werden, fordert der Wissenschaftler.

    Der Verband Kommunaler Unternehmen - VKU
    Der VKU würde ein Wertstoffgesetz am liebsten allein für Kunststoffe erlassen, ohne Papier, Glas, Textilien, Elektrogeräte, Metall zu erfassen.
    "Weil es dafür schon eingefahrene Systeme gibt, die sich bewährt haben, über Jahre bzw. beim Papier auch schon über Jahrzehnte, von daher braucht es da keinen Regelungsbedarf für etwas, was schon funktioniert," sagt Patrick Hasenkamp, Sprecher des VKU.
    Für Kunststoff würde der Verband eine Recyclingquote von 50 Prozent oder mehr ins Gesetz schreiben, die dualen Systeme komplett abschaffen und für die Sammlung von Haushaltsmüll allein die Kommunen verantwortlich machen.

    Fazit
    Strittig in der Diskussion um das Wertstoffgesetz ist vor allem, wer den ersten Zugriff auf die Wertstoffe im Haushaltsmüll haben soll, die privaten oder die öffentlichen Entsorger. Weitgehende Einigkeit besteht unter Fachleuten darin, dass bislang viel zu viele Wertstoffe aus dem Hausmüll in der Verbrennung landen. In Fachkreisen "thermische Verwertung" genannt. Ob und wann ein Wertstoffgesetz wirklich kommt, ist offen.