Das vertraute Geräusch, ein akustisches Stück Heimat: Die Altglascontainer werden mal wieder geleert. Das klingt gut und nachhaltig. Sieben dieser Container, die wie selbstverständlich auf den Plätzen hinter unseren Häusern stehen, sind jetzt auch in der Ausstellung im MARTA Herford zu sehen: der Wettbewerbsbeitrag von Nataliya Jukhova aus Berlin. Von außen sind sie grün. Grün, das steht übertragen für eine rosige Zukunft, wenn es auch im deutschen Alltag für leere Wein- und Olivenölflaschen stehen mag.
Udo Holtkamp: "Das Konzept, dass wir hier nicht gebastelte Arbeiten haben wollen: Es ist ja ein Designpreis; in der Regel wollen wir etwas haben, was ein hochwertiges Upcycling ist."
Der Mehrwert ist innen zu finden: Die Einwurflöcher der Altglascontainer sind jetzt die Bullaugen von Waschmaschinen vom Schrottplatz und innen ist alles verkleidet mit Goldfolie und ineinandergesteckt zum Höhlenspielplatz für Kinder: Kinder - die Erben der Recycling-Revolution - bekommen ein Stadtmöbel, einen Spielplatz, der das Thema Recycling schon materiell in sich trägt. Udo Holtkamp, Leiter der Herforder Reyclingbörse, einem Sozialkaufhaus, ist seit sieben Jahren die Seele des Designpreises. "Transformationsdesign". Dingen, Materialien eine völlig neue Nutzung zu geben, sie umzudeuten, zu retten: Das ist Konzept. "Dorf macht Oper", eine mobile Bühne aus Holzresten. Oder Lampen aus Altkleidern, wir retten so einiges:
"Eigentlich sieht man hier eine Fülle von Materialien, die man anders nutzen kann, die man nicht wegwerfen muss. Ob sich das dann in der Gesellschaft durchsetzt? Oder ob das immer eine Minderheit bleibt, die so denkt und so handelt? Das ist noch mal eine ganz andere Frage."
Neunutzung von alten Windradrotorenblättern
Ein anderes Stadtmöbel hat die Herforder Jury mit dem zweiten Preis dieses Jahres bedacht: In Rotterdam gibt es inzwischen ausgewachsene Halden für ausgediente Bauteile von Windmühlen zur Stromgewinnung. Insbesondere die Rotorenblätter sind der Stabilität wegen aus Verbundwerkstoffen gefertigt, ermüden jedoch nach einiger Laufzeit und sind dann nicht recyclebar. Effektiv und final: Schrott. Wohin damit?
Die Designer von "Superuse" aus Rotterdam konstruieren Sitzlandschaften aus den bis zu 80 Meter langen Ex-Rotorenblättern. Visuell futuristisch, bekommt man hier auch ein neuartiges Sitzgefühl. Sonderbar in sich federnd: Auf dem Platz vor dem MARTA kann man es zwei Monate lang ausprobieren.
"Ressourcen gibt es, das wissen wir alle, nicht im Überfluss. Aber wer handelt danach, setzt dieses Wissen tatsächlich in die Tat um? Das ist ja die spannende Frage."
Natürlich wollen wir alle gerne nachhaltig leben, Welt und Wale retten. Aber deshalb ästhetisch eine Büßerkutte aufzutragen, wie noch vor Jahrzehnten, das will wohl kaum noch jemand, ergänzt Udo Holtkamp. Der dritte Preis ging an das Verfahren "Zerobarracento", also "Null von Hundert", der italienischen
Modedesignerin Camilla Carrara. Komplexer als das klingen mag, hat sie im Rahmen aufwendiger wissenschaftlicher Forschung ein Verfahren entwickelt, wie man Baumwolle ohne Materialreste zu Mänteln, Kleidern, Hüten verarbeiten kann. Im Ergebnis: Très chic. Man müsse, so Udo Holtkamp, und das gelte für eine schmale Bevölkerungsschicht, auch nicht mehr sehen, dass etwas Recyclingware sei.
"Gut, dafür haben wir viele Beispiele und das suchen wir auch: Dieser, sag ich mal, Birkenstock-Look, dass der nicht mehr da ist. Sondern dass dieses wirklich hochwertige Produkte sind oder sinnvolle Produkte, die man auch gerne nutzt. Aber ob das eine Massenbewegung wird? Da würde ich eher meine Zweifel haben. Wäre natürlich klasse!"
Skurrile Ideen fürs Recycling
Als Designpreis-Jury ist man natürlich immer Lobby für das Alternative. Auch wenn manches Design dem Mainstream wohl für immer fremd bleiben wird - oder allzu weit in die Zukunft denkt: Da ist ein mobiler Trauerort zu sehen, gefertigt aus Grabsteinen, den man als Obstschale nutzen kann. Und da ist ein Kamm für Plastikmüll im Meer, über den wir an Werkstoff für unsere heimischen 3-D-Drucker kommen könnten - in 50 Jahren vielleicht?
Auf Anhieb überzeugt indes das Konzept von Bruna Winter und Emmy Galle - "tubadesign" – aus München. Messer, Gabeln, Löffel, gedanklich um die Ecke, designt:
"Es gibt Besteck in den Sozialkaufhäusern ohne Ende. Gebrauchtes Besteck. Und das sieht immer anders aus."
Weil wir alle über die Jahre verschiedene Designs im Besteckkasten ansammeln, die dann auf einem Gästetisch nicht mehr so richtig zusammenpassen.
"Ich habe Einzelteile, die sonst weggeworfen würden, die verbinde ich durch die Farbe zu einem Set."
Tubadesign sandstrahlt und emailliert das Besteck, waschmaschinenfest, in kräftigen Farben – Schwarz, Weiß, Grün – und verkauft es dann neu, im Sechser-Set. Völlig zurecht dafür der erste Preis. Und man kann damit kaum als Gutmensch herumprotzen, es ist einfach nur eine wirklich sehr gute Idee.