Xaver Schlager ist seit Freitag offiziell Spieler von RB Leipzig. Der amtierende DFB-Pokalsieger holte damit einen verlorengegangenen Zögling zurück ins Red-Bull-Reich. Der Österreicher ist einer von wenigen Hochtalentierten, die nach ihrer Zeit bei Red Bull Salzburg nicht den Weg direkt nach Leipzig antraten. Es folgte der Umweg über Wolfsburg, einem Werksklub, der mit dem Dosenproduzenten aus Österreich nichts zu tun hat. Ein Umweg, der in der Fußballstrategie von Red Bull auch nicht vorgesehen ist.
Denn Red Bull profitiert normalerweise "von der Talentförderung, von einer Staffelung von Klubs innerhalb des Konzerns, sodass Spieler von der Anfangsphase einer Profikarriere oder schon früher beginnend im Jugendbereich bis hin zum Champions-League-Spieler aufgebaut und dann gegen geringere Transfererlöse weitergereicht werden können. Das haben wir bei diesen Konstrukten und am stärksten bei der Red-Bull-Gruppe", sagt Christoph Breuer, Sportökonom an der Deutschen Sporthochschule Köln.
Die königliche Familie Abu Dhabis hat viele Klubs in der Hand
Mit Konstrukten meint Breuer die sogenannten MCOs. MCO, das steht für „Multi-Club Ownership“. Damit sind Gruppen von Fußballklubs gemeint, die ein- und demselben Besitzer gehören. Quasi Fußballkonzerne, unter deren Dach mehrere Teams vereint werden. Nun ist RB Leipzig aufgrund der 50+1-Regel nicht offiziell im Besitz von Red Bull, aber dass die Geldgeber aus Österreich das Sagen in Leipzig haben, bestreitet wohl kaum jemand.
Die bekanntesten MCOs sind Red Bull sowie die City Football Group, zu der neben dem englischen Meister Manchester City noch zehn weitere Klubs gehören und die sich im Besitz der königlichen Familie Abu Dhabis befindet. Abseits aller Bedenken hinsichtlich der Ursprünge der finanziellen Quellen sind beide MCOs hervorragend aufgestellt.
Zahl der MCO-Gruppen hat sich verdreifacht
"Wenn wir über Multi-Club Ownership sprechen, dann gibt es dort ein breites Spektrum hinsichtlich des Grad der Zentralisierung. Ich denke, abgesehen von der Fassade von Red Bull, dahinter steckte ein zentralgesteuertes Vorgehen, besonders im Bereich Scouting und auch Marketing. Das ist wahrscheinlich auch noch so und es läuft im Allgemeinen sehr gut“, sagt Gabriele Marcotti, Kolumnist für den US-Sportsender ESPN.
Neben den Paradebeispielen gibt es aber noch viele andere MCO-Gruppen, wie Fernando Roitman, der Gründer von CIES Sports Intelligence, erklärt: "Uns ist aufgefallen, dass sich die Zahl quasi verdreifacht hat in den vergangenen fünf Jahren. Im Moment zählen wir mindestens 70 MCOs auf der ganzen Welt, zu denen zwischen 170 und 180 Klubs gehören."
Wirklich nachhaltig wirken viele Konstrukte nicht
Viele dieser Gruppen agieren jedoch bei weitem nicht so strategisch wie Red Bull. Die Pacific Media Group etwa, die kürzlich zehn Prozent vom 1. FC Kaiserslautern erwarb, kontrolliert Vereine in Belgien, den Niederlanden, Dänemark, England, Frankreich und der Schweiz. Allerdings waren zuletzt Abstiege und interne Unruhen zu verzeichnen. Es gibt Aussagen von Verantwortlichen, wonach man besonders beim Scouting und in der Datenanalyse brillieren möchte, aber wirklich nachhaltig wirkt das Konstrukt noch nicht.
Gabriele Marcotti ist sich unsicher, ob viele Investoren wirklich genau wissen, was sie mit ihren angesammelten Fußballklubs vorhaben. "Mit was ich Probleme habe, sind Beispiele wie David Blitzer. Er ist Teilbesitzer von Crystal Palace, er ist Teilbesitzer des FC Augsburg. Er hat in der Major League Soccer den Club Real Salt Lake übernommen. Auf dem Papier ergibt das alles Sinn. Wir kreieren diese Synergien, vom Scouting über Sponsoring bis hin zu den medizinischen Abteilungen. Aber in der Praxis geschieht das nicht wirklich, wenn man etwas tiefer bohrt."
Die lokale Kultur ist immer noch sehr entscheidend
Crystal Palace und Augsburg haben noch keine wirklichen Synergien entwickelt. Das mag im Fall von David Blitzer nicht überraschen, da er sich bei den meisten seiner Investitionen im Profisport wenig bis gar nicht ins operative Geschäft einmischt. Allerdings kann es auch sein, dass der theoretische Gedanke hinter MCOs praktisch nur schwer umzusetzen ist.
"Aus meiner Sicht ist es eine sehr nette Idee, aber die Verantwortlichen haben Probleme, es richtig hinzubekommen. Das liegt vielleicht daran, dass die lokale Kultur immer noch sehr entscheidend ist. Wenn du als Außenstehender reinkommst, mögen es viele vielleicht, dass du Geld mitbringst, aber wenn du den Leuten sagst, wie sie ihren Klub zu führen haben, gibt es Widerstand."
Regelungen sind eingeführt
Widerstand kommt zuweilen auch von Verbänden. Schon um die Jahrtausendwende, als etwa die Investmentfirma ENIC die Clubs Rangers FC, Slavia Prag, AEK, Vicenza Calcio, FC Basel und Tottenham Hotspur besaß, gab es Bedenken bezüglich etwaiger Beeinflussung von internationalen Wettbewerben, sollten die Teams gegeneinander antreten.
Die UEFA hat entsprechende Regelungen eingeführt. Auch nationale Verbände sind nicht untätig geblieben. So verbietet die Fußball-Föderation Italiens, dass zwei Clubs mit demselben Besitzer in einer Liga gegeneinander antreten dürfen. Als Salernitana im Sommer 2021 in die Serie A aufstieg, musste dessen Eigentümer Claudio Lotito seine Anteile an Verwalter übergeben und einen Verkauf einleiten, weil ihm bereits der langjährige Erstligist Lazio gehörte.
Jeder möchte sein Stück vom Kuchen
Solche Entscheidungen könnte es künftig noch häufiger geben, weil bei den MCOs das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, wie auch Fernando Roitman findet: "Es gab eine richtige Explosion, was die Zahl der MCOs betrifft, was sich unserer Meinung nach fortsetzen wird. Das ist zumindest der Trend momentan. Das hat unmittelbar mit dem Wachstum der Fußballindustrie im vergangenen Jahrzehnt zu tun.“
Jeder möchte sein Stück vom Kuchen, manche möchten aber lieber gleich mehrere Stücke auf einmal.