Die Erwartungen sind gewaltig. Und die historische Dimension des gemeinsamen Auftritts von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande vor dem Europäischen Parlament ist allgegenwärtig. So auch bei Martin Schulz, SPD. Der Parlamentspräsident hatte beide nach Straßburg eingeladen:
"Ich glaube, dass der Besuch eines französischen Staatsoberhauptes, einer deutschen Regierungschefin wenige Tage nach dem 25. Jahrestag der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ein sehr symbolischer Vorgang ist. Vor 26 Jahren haben kurz nach dem Fall der Mauer der damalige Präsident Francois Mitterrand und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl im damaligen Parlament gesprochen. Ich glaube, das ist sicher auch am 25. Jahrestag der Deutschen Einheit ein sehr starkes Signal".
"Deutschland kann nicht alleine führen"
Es geht allgemein um die Lage der EU, die derzeit nicht die beste ist: in der Flüchtlingskrise war und ist viel von nationalen Interessen und wenig von Gemeinschaft die Rede und auch bei der Rettung Griechenlands gab es erst im Sommer viel Streit über die richtigen Lösungsansätze. Umso wichtiger jetzt, so meint der Außenpolitiker Elmar Brok, CDU, sei deshalb der neuerliche deutsch-französische Schulterschluss:
"Also erstens finde ich gut, dass sie in dieser Krise gemeinsam auftreten. Dadurch wird wieder das deutsch-französische Tandem deutlich. Denn nur so kann Führung stattfinden und Deutschland kann nicht alleine führen. Und deswegen ist der gemeinsame Auftritt wichtig. Und zweitens hoffe ich, dass hier auch ein außenpolitisches Konzept deutlich wird, ein großes außenpolitisches Programm".
Das ist derzeit nur bedingt erkennbar. Trotz der weitgehenden Geschlossenheit der EU nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland. Bei anderen zentralen europäischen Herausforderungen aber, so meint auch der Abgeordnete der Grünen im EU-Parlament, Rainhard Bütikofer, fehle weiterhin ein gemeinschaftlicher Ansatz:
"Ich bin gespannt, weil ich in wesentlichen Fragen wenig deutsch-französischen Schulterschluss aktuell sehe. Mit TTIP zum Beispiel. Ich schaue mir an, was zum Beispiel jetzt in Syrien passiert. Da wartet Hollande überhaupt nicht auf eine europäische Abstimmung, eine gemeinsame Politik. Sondern schickt einfach mal ein paar Bomber".
Eine Perspektive aufzeigen
Es geht also heute um die ganz großen Themen dieser Union. Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Glaubwürdigkeitskrise, die zunehmende Spaltung innerhalb der Union in Ost und West, in Arm und Reich - für viele ist die EU längst mehr Teil des Problems als Teil der Lösung. Deshalb hoffen die Abgeordneten auf klare Worte von Hollande und Merkel - aber auch auf einen Hinweis, wie es mit dieser Union eigentlich weitergehen soll:
"Dass sie konkrete Vorschläge unterbreiten, wie die Europäische Union künftig funktionieren soll. Wohin sie gehen soll. Und wie das Maß an Integration, dass sie vorschlagen, wie dieses Maß an Integration gleichzeitig Gerechtigkeit, Demokratie und auch soziale Gerechtigkeit sichern kann", so die Erwartungshaltung bei Gaby Zimmer, Fraktionschefin der Linken. Doch viel Zeit bleibt nicht: gerade einmal zwei Stunden sind für die An- und Aussprache zur Lage der EU vorgesehen.