Archiv

Rede zur Lage der EU
Mehr Investitionen und mehr freies WLAN

Mehr als 600 Milliarden Euro an Investitionen, ein gemeinsamer Grenzschutz und freies WLAN an öffentlichen Plätzen: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Sinnkrise der Europäischen Union mit konkreten Vorschlägen für Verbesserungen überwinden.

    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Europa befinde sich derzeit in einer "in Teilen existenziellen Krise", sagte Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem EU-Parlament in Straßburg. Hintergrund der schwierigen Lage sei das Votum der Briten im Juni für ein Ausscheiden aus der EU und der Dauerstreit in der Gemeinschaft. Die EU-Staaten sind uneins, wie Wirtschaftsflaute, Flüchtlingskrise und Terrorgefahr zu überwinden sind. Zu jeder der Dauerbaustellen machte Juncker nun Vorschläge. In den nächsten zwölf Monaten müsse die EU liefern.
    Konjunktur stärken
    Um die Konjunktur zu stärken und Jobs zu schaffen, will er sein 2014 gestartetes Investitionsprogramm verdoppeln: Statt 315 Milliarden Euro binnen drei Jahren sollen mit dem sogenannten Juncker-Plan nun in der doppelten Zeit 630 Milliarden bereitgestellt werden. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht geklärt.
    Die Digitalisierung Europas will Juncker unter anderem mit dem raschen Ausbau des superschnellen Mobilfunkstandards 5G vorantreiben. Bis 2025 soll dieser überall in der EU verfügbar sein. Davon verspricht er sich bis zu zwei Millionen zusätzliche Jobs. Außerdem gab er als Ziel aus, bis 2020 an öffentlichen Plätzen in den Stadtzentren der EU freies WLAN anzubieten.
    Juncker machte sich für Freihandel als Jobmotor stark, auch für das umstrittene Abkommen Ceta mit Kanada. Es sei das "beste und fortschrittlichste" Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen habe. Ceta soll laut Plan Ende Oktober zwischen der EU und Kanada endgültig unterzeichnet werden. Nachverhandlungen schloss Juncker aus: "Die Garantien, die wir brauchen, können in den Parlamenten präzisiert und ausverhandelt werden."
    Bedingungen für Großbritanniens Zugang zum EU-Binnenmarkt
    Großbritannien kann nach Worten des Kommissionspräsidenten nicht mit einer Sonderbehandlung beim Zugang zum EU-Binnenmarkt rechnen. Dies könne es nur geben, wenn London den EU-Bürgern Freizügigkeit gewähre, sagte Juncker mit Blick auf den Brexit. Die 27 EU-Staaten ohne Großbritannien treffen sich am Freitag in Bratislava, um die Folgen des britischen Austritts und ihre weitere Zusammenarbeit zu beraten. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte in seinem Einladungsschreiben gewarnt, dass das Brexit-Votum nicht nur britische Gründe gehabt habe, sondern das Unwohlsein vieler Europäer auch in anderen Mitgliedstaaten zeige. Der Pole forderte vor allem Maßnahmen, damit sich das "Chaos von 2015" in der Flüchtlingskrise nicht wiederholt.
    Gemeinsamer Grenzschutz
    Wegen der Verunsicherung vieler Europäer seit der Flüchtlingskrise mahnte Juncker den raschen Aufbau eines gemeinsamen Grenz- und Küstenschutzes an. Konkret sollen bereits ab Oktober 200 zusätzliche Beamte aus Europa Bulgarien bei der Sicherung der Grenze zur Türkei helfen. Darüber hinaus soll es auch in Europa - ähnlich wie in den USA - ein Registrierungssystem für Einreisende geben, um alle Bewegungen lückenlos zu erfassen und Personalien mit Terrordatenbanken abzugleichen. Diese sollen nach Junckers Worten zusammengeführt werden, um den Informationsaustausch zu erleichtern und Terroristen aufzuspüren.
    Solidaritätskorps aus aus jungen Freiwilligen aufbauen
    In der Flüchtlingspolitik forderte Juncker von den Mitgliedstaaten zudem mehr europäische Solidarität. Den nationalen Interessen werde zu oft Vorrang eingeräumt. Viele hätten vergessen, was es bedeute, Europäer und Teil der EU zu sein. Ansätze von Solidarität seien zu beobachten gewesen - Europa brauche viel mehr davon. Die Solidarität müsse aber von Herzen kommen und könne nicht erzwungen werden. Er schlug vor, ein sogenanntes Solidaritätskorps aus jungen Menschen aufzubauen, die sich als freiwillige Helfer in Krisensituationen zur Verfügung stellen. Bis 2020 sollen die ersten 100.000 jungen Europäer daran teilnehmen. Als Beispiel für mögliche Einsatzgebiete nannte er das Erdbeben in Italien.
    (fwa/nin/rm)