Es ist ein politisches Ritual, mit immer gleichem Muster.
John Boehner: "Members of Congress, I have the privilege and the honour of presenting to you President of the United States of America."
Die State-of-the-Union-Rede lässt das politische Jahr in den USA beginnen. Die Exekutive, der Präsident, trägt der Legislative, dem Kongress, ihre politische Bestandsaufnahme und Wunschliste vor. Zur Bestandsaufnahme gehörte, dass Obama die große Wirtschaftskrise und ihren langen Nachhall für die USA für beendet erklärte.
"Wir schlagen heute eine neue Seite auf. Es war ein Jahr des Durchbruchs für Amerika. Unsere Wirtschaft und die Beschäftigung wachsen rapide, mit dem schnellsten Tempo seit 1999. Unsere Arbeitslosenrate ist jetzt niedriger als vor der Krise. Mehr unserer Kinder studieren als je zuvor, und mehr Menschen als je zuvor sind krankenversichert."
Höhere Kapitalertragssteuer, Entlastung der Mittelschicht
Seine Wunschliste hatte der Präsident bereits vor seiner Rede an die Öffentlichkeit lanciert. Mit einer Erhöhung der Kapitalertragssteuer für Einkommen über 500.000 Dollar sollen erhöhte Steuerfreibeträge, Kinderbetreuung und College-Ausbildung für Familien mit einem Jahreseinkommen bis zu 210.000 Dollar finanziert werden.
"Wirtschaftspolitik für die Mittelklasse muss Sicherheit bieten in einer sich schnell verändernden Welt. Man muss den Menschen dabei helfen, Kinderbetreuung, Collegeausbildung, Gesundheitsversorgung zu bekommen. Sie müssen sich ein Heim und eine Altersvorsorge ersparen können. Das werde ich in meinem Haushaltsentwurf detaillierter darlegen."
Zu Obamas Wunschliste gehört auch, dass in Zukunft jeder Amerikaner ein Recht auf ein kostenloses zweijähriges Studium an einem Community College bekommen soll. Auch eine Erhöhung des bundesweiten Mindestlohnes forderte Obama. Doch aus all diesen Vorhaben wird voraussichtlich nichts werden. Die Republikaner haben in beiden Kammern die Mehrheit, und sie haben bereits im Vorfeld Steuererhöhungen ausgeschlossen. Damit ist das Geld zur Finanzierung der meisten Vorschläge Obamas nicht vorhanden.
Obama sieht erfolgreiche Russland-Strategie
Ein knappes Drittel seiner Redezeit verwandte Obama auf die Außenpolitik. Er verlangte vom Kongress die Autorisierung zum Abschluss der beiden großen Handelsverträge mit dem pazifischen und dem europäischen Raum. Der Terrorismus müsse weiter bekämpft werden, der Kongress solle den Militäreinsatz gegen die IS-Miliz in Syrien und dem Irak offiziell genehmigen. Einen Erfolg sieht Obama in seiner Russland-Strategie.
"Einige haben die Aggressionspolitik Putins als meisterhafte Demonstration der Stärke bezeichnet. Aber heute ist Amerika wirtschaftlich stark und politisch einig mit seinen Verbündeten, während Russland isoliert ist und die russische Wirtschaft in Trümmern liegt. So wird Amerika seiner Führungsrolle gerecht: nicht mit Getöse, sondern mit beständiger Entschlossenheit."
Großer Bogen zum Schluss
Barack Obama forderte den Kongress auf, das Embargo gegen Kuba zurückzufahren und keine neuen Sanktionen gegen den Iran zu verabschieden – die werde er mit einem Veto belegen müssen. Denn derzeit habe man die Chance, einen nuklear bewaffneten Iran durch Verhandlungen zu verhindern.
Die State-of-the-Union-Rede war die vorletzte seiner Präsidentschaft. Und Obama schlug zum Schluss einen großen Bogen zu seiner Rede auf dem demokratischen Parteitag 2004, als der damals noch unbekannte Senator Obama an die Gemeinsamkeiten aller Amerikaner appelliert hatte. Den Glauben daran habe er trotz ernüchternder Erfahrungen der letzten Jahre immer noch, so Obama. Doch seine Rede sollte vor allen Dingen eines: die Themen der Demokraten für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 setzen.