"Ich bin Stefan. An dem Tag, als ich geboren wurde, ging es um Leben und Tod."
So beginnt der Werbeclip im Fernsehsender der Republika Srpska für die Abstimmung am Sonntag:
"An meinen Vater kann ich mich nicht erinnern, aber ich weiß, was ich von ihm geerbt habe: den heimischen Herd, das serbisch-orthodoxe Familienfest und meine Heimat. Sie steht nicht zum Verkauf."
Der große mediale Aufwand, den der Präsident der serbischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas, Milorad Dodik, betreibt, um die Volksabstimmung zu einem Erfolg zu führen, wäre nicht nötig: Ohnehin wird eine übergroße Mehrheit der rund 1,2 Millionen Wahlberechtigten ihr Kreuzchen auf die Frage bei "Ja" machen, ob der 9. Januar, auf den auch das Fest des Heiligen Stephans der serbisch-orthodoxen Kirche fällt, künftig "Nationalfeiertag" werden soll.
Der 9. Januar 1992 löste den Bürgerkrieg mit über 100.000 Toten aus
Denn seit jenem 9. Januar 1992, als unter Leitung des damaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic die Republika Srpska ausgerufen wurde und der den blutigen Bürgerkrieg mit über 100.000 Toten auslöste, wird dieser Tag jedes Jahr von den serbischen Einwohnern der Teilrepublik als "Feiertag" begangen. Nein, das Referendum dient einem anderen Zweck:
Es ist ein Signal an die Zentralregierung in Sarajevo und an die Weltgemeinschaft, dass sich die Republika Srpska aus dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina verabschieden will. Ungeachtet massiver innen- wie außenpolitischer Proteste und Drohungen – ungeachtet eines Urteils des bosnischen Verfassungsgerichts vom letzten Wochenende, wonach das Referendum in der Teilrepublik nicht verfassungskonform sei, Milorad Dodik bleibt dabei:
"Wir werden unsere nationalen Interessen entschlossen verteidigen. Ich habe mich nie um die Bemerkungen gekümmert, nie darum, welche Macht mir gegenübersteht, um mich daran zu hindern, das wertvollste – die Republika Srpska - zu verteidigen. Ich habe sie immer verteidigt."
Der 57jährige Dodik, seit Ausrufung der Republika Srpska ein politisches Urgestein im serbischen Teil des früheren Bürgerkriegslandes, hält enge Kontakte unter anderem zum russischen Präsidenten Vladimir Putin, der regelmäßig den Serbenführer empfängt – auch noch wenige Tage vor dem 25. September.
Das Friedensabkommen von Dayton von 1995 in Gefahr
Der muslimische Teil Bosnien-Herzegowinas verfolgt den 25. September mit äußerstem Argwohn: Damit werde das Dayton-Abkommen hinfällig und aufgekündigt, das 1995 unter massivem amerikanischen Druck den dreijährigen Bosnienkrieg beendet und die gemäß den drei ethnischen Bevölkerungsgruppen – Muslime, Kroaten und Serben – sorgsam austarierte Machtverteilung etabliert hatte. Bakir Izetbegovic, Sohn des verstorbenen ersten Staatspräsidenten Bosnien-Herzegowinas, Alija Izetbegovic, und seit sechs Jahren bosniakischer Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium:
"Das für den 25. September angekündigte Referendum ist eigentlich ein Probelauf für das Referendum über die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina. Es ist der Beginn der Zerstörung des Friedensabkommens aus Dayton vor 20 Jahren, es ist der Beginn der Zerstörung des Friedens in Bosnien-Herzegowina. Man hat vor, es am 25. September durchzuführen. Und die Zerstörung des Friedensabkommens führt unausweichlich zur Zerstörung des Friedens in Bosnien-Herzegowina und wahrscheinlich in diesem Teil Europas."
Direkte Drohungen aus Sarajevo
In Sarajevo jedenfalls werden vor dem 25. September direkte Drohungen in Richtung der Republika Srpska ausgesprochen. Sefer Halilovic, kommandierender General der bosnischen Streitkräfte im damaligen Bürgerkrieg und heute einflussreicher Politiker, sorgte vor wenigen Tagen mit dieser Warnung an die Adresse von Serbenführer Dodik für landesweites Aufsehen:
"Wenn er, Dodik, das Referendum durchführt, dann sollten er und die Öffentlichkeit soll wissen, dass ab dem Tag dann das durch Dayton befriedete Bosnien-Herzegowina nicht mehr existiert und wir juristisch gesehen auf einen Zustand zurückfallen, wie er vor dem Krieg war. Davor habe ich in den letzten 20 Jahren gewarnt. Wenn er uns in die Situation bringt, Bosnien-Herzegowina zu spalten, dann sollte er wissen, dass das nicht friedlich ablaufen wird. Niemand wird ein Stück Bosnien-Herzegowina einfach so wegnehmen können."