Das zehnseitige Papier trägt den Titel Prior Actions: vorrangige Maßnahmen. Veröffentlicht hat es die Europäische Kommission am Sonntag auf ihrem Internetauftritt. Ein ungewöhnlicher Schritt, der Transparenz bringen solle, wie es hieß. Gestern verteidigte Kommissionspräsident Juncker in Brüssel die Vorschläge:
"Dies ist kein dummes Austeritätspaket. Einige der Maßnahmen werden kurzfristig wehtun. Aber das Paket ist mehr als nur ein Steuerpaket. Es zeigt uns einen klaren Weg nach vorn."
Ein Weg zumindest, auf Grundlage dessen wohl beim Treffen der Finanzminister am Samstag ein weiteres Hilfspaket möglich gewesen wäre. Prior Actions nannte auch einleitend die Bedingungen:
Griechenland beschließt ab 1. Juli einen zusätzlichen Haushalt für das Jahr 2015 und eine Steuerstrategie für die Jahre 2016 bis 2019. Die Strategie wird von einem erheblichen und glaubwürdigen Maßnahmenpaket getragen. Das Paket beinhaltet die Reform der Mehrwertsteuer, weitere Steuermaßnahmen, eine Rentenreform, Verwaltungsreformen, die Reform der Steuereintreibung bei Steuerdefiziten sowie weitere Maßnahmen.
In insgesamt zehn Punkten listen Kommission, EZB und IWF dann detailliert auf. Da wäre zunächst:
- Die Mehrwertsteuer-Reform
Das neue System vereinheitlicht den Mehrwertsteuersatz bei 23 Prozent. Dieser Satz gilt auch für die Gastronomie. Der vergünstigte Mehrwertsteuersatz liegt bei 13 Prozent, er gilt für Grundnahrungsmittel, Energie, Hotels und Wasser. Der stark vergünstigte Satz von sechs Prozent gilt für Medikamente, Bücher und Theaterbesuche.
Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer fallen weg, etwa für Essen und Restaurants. Ebenso Vergünstigungen auf den Inseln. All dies, so die Rechnung der Ex-Troika, soll pro Jahr ein Prozent des Brutto-Inlandsproduktes mehr Steuern bringen.
Doch der Tsipras-Regierung wäre eines sicher: Der Ärger aller Griechen - denn die höhere Mehrwertsteuer müssten alle zahlen.
- Die Steuerpolitik
Griechenland beschließt Maßnahmen, um die Umgehung der Einkommenssteuer zu vermeiden. Die Steuervergünstigungen für Landwirte werden gestrichen, der Solidaritätsbeitrag wird erhöht. Die Körperschaftssteuer wird erhöht.
Auf griechische Unternehmen käme eine höhere Steuerlast zu. Dabei wollen EU und Regierung die Unternehmen unterstützen. Wie das zusammenpasst – eine umstrittene Frage. Die steuerpolitischen Forderungen scheinen für die griechische Regierung allerdings annehmbar zu sein. Zur Steuerpolitik gehört auch die geforderte Kürzung der Militärausgaben um 400 Millionen Euro im Jahr, 200 sollen die Griechen zuletzt angeboten haben.
- Die Rentenreform
Die griechischen Autoritäten erkennen an, dass das Rentensystem nicht nachhaltig ist und dringend reformiert werden muss. Das Rentenalter wird schrittweise angehoben, auf 67 Jahre. Wer 40 Jahre Beiträge gezahlt hat, kann mit 62 in Rente gehen. Ausnahmen gelten für körperlich anstrengende Berufe und Mütter von Kindern mit Behinderung. Die Beiträge zur Krankenversicherung für Rentner steigen von vier auf sechs Prozent.
Außerdem sollen die Anreize für Frühverrentung so weit wie möglich abgeschafft werden. Das griechische Rentensystem gilt insbesondere in Krisenzeiten als einzige soziale Grundversorgung. Da Arbeitslose kaum mit Unterstützung durch den Staat rechnen können, leben ganze Familien häufig von der nicht eben üppigen Rente ihrer Eltern oder Großeltern. Die Rentenreform ist hart umkämpft. Auch die griechische Regierung will reformieren, aber mit weniger Einsparungen. Die Rentenreform soll nach den Vorstellungen der Europäer Einsparungen bringen, die bis zu ein Prozent des Brutto-Inlands-Produkts betragen.
- Privatisierungen
Um die Umsetzung der Ausschreibungen zu erleichtern, werden die Behörden alle ausstehenden Vorhaben der Privatisierung umsetzen. Dazu gehören die Regionalflughäfen, die Zug- und Autobahngesellschaft und die Häfen von Piräus, Thessaloniki und Hellikon. Da das Bieterverfahren für die Regionalflughäfen abgeschlossen ist, wird die Regierung die Privatisierung unwiderruflich durchführen.
Für 14 griechische Flughäfen hatte im November der Betreiber des Frankfurter Flughafens Fraport den Zuschlag erhalten. Paradox: Auch die deutsche Fraport befindet sich zu 51 Prozent in staatlichem Besitz. Die Regierung von Ministerpräsident Tsipras hat den Verkauf gestoppt, sie ist gegen Privatisierungen. Eine ur-linke Forderung. Gleichzeitig aber geht sie bisher nicht gegen die Steuerprivilegien vor, die griechische Reeder genießen. Die stärker zu besteuern, steht ebenfalls auf der Brüsseler Liste. Auf der eine wesentliche Forderung Griechenlands wiederum gar nicht erwähnt wird: die nämlich nach einem Schuldenschnitt.