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Reflexion der Malerei

150 Werke des deutschen Nationmalers Gerhard Richter werden in der Tate Modern in London zum 80. Geburtstag des Künstlers ausgestellt. Chronologisch geordnet zeigt die Ausstellung Richters Entwicklung - alle Genres, alle Gattungen.

Von Matthias Thibaut |
    Der Künstler hat sich neue Wildleder-Mokassins gekauft und huscht beseelt durch die Tate Modern. So eine Ausstellung hat man ihm seit 2002 nicht mehr ausgerichtet, damals gab es zum 70. eine riesige Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art, die Richters internationalen Triumph erst richtig anstieß.

    In London merkte man Richter den Stolz über die Ausstellung an, die pünktlich zum 80. im Februar nach Berlin kommen wird. Es wird dort bestimmt eine Riesenfeier für den deutschen Nationalmaler werden, er wird dann etwas gesprächiger sein müssen als in London bei der Pressekonferenz. "Bitte fragen sie mich nicht, was das bedeutet, andere können besser über Kunst reden", das war alles, was er - einsilbig, aber strahlend - den Journalisten sagte.

    Rund 150 Werke werden gezeigt, alle Gattungen, alle Genres, Fotobilder, Farbfelder, Grauvermalungen, Spiegelinstallationen, Papierarbeiten, Abstraktionen aus allen Epochen bis hin zu den großen "Cage Bildern", die der Tate als Leihgabe gehören - sogar eine Papier-Folge von 1957 ist dabei, die jüngst auftauchte und eine prophetische Klammer bildet zwischen Richters prähistorischer DDR-Zeit des sozialistischen Realismus und den späteren Rakel-Abstraktionen. Statt in der Klasse über Drucktechnik aufzupassen, spielte Richter damals mit der Druckerwalze und machte abstrakte Abdrücke auf dem Papier.

    Die Ausstellung ist chronologisch geordnet, hütet sich aber, Figuration und Abstraktion als Gegensätze auseinanderfallen zu lassen: Richter wird ja oft als Chamäleon der zeitgenössischen Kunst verstanden, weil er sich weigert, sich auf das eine oder das andere festzulegen – die Ausstellung pocht durch alle 14 Räume darauf, dass beide zusammengehören.

    Richter gehört zu einer Generation westdeutscher Künstler, die durch ihre Herkunft aus der DDR zu Bilingualisten der Kunst wurden. Als Ostkünstler ist er mit einer Kunst aufgewachsen, die Bilder, Illusionen, Ideologien produzierte, im Westen war die Kunst auf Abstraktion, und Formalismus festgelegt und sollte den autonomen Zero Raum schaffen.

    Richter zwingt das zusammen, nicht nur mit seinen Verwischungen in den Fotobildern, auch wenn sich in den Stadt-und Bombenbilder zum Beispiel die Gegenständlichkeit in Abstraktion auflöst oder in den Wolkenbildern die Wolken zu sozusagen Duchampschen Readymades der Abstraktion werden. Auch aus seinen Abstraktionen tauchen Stimmungen und Bedeutungen auf – etwa in den Waldbildern, die Reprisen der Romantik sind.

    Auf einem kleinen Bild, September 2005 erkennt man das World Trade Centre beim 9/11 Anschlag. Man sieht den stahlblauen Himmel, der schon von Rauch verdeckt ist, das Flugzeug, das in den Turm rast, das aber nur ein gestischer Farbstrich ist. Das Bild schwebt zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, ein typisches Richter-Bild, unpathetisch, zurückgenommen, distanziert, verwischt, es will nicht ein Ereignis abbilden, sondern wie aus dem Objekt aus den Farben, eine Erinnerung, auftauchen könnte.

    So viel ist sicher: die Ausstellung wird hier einen riesigen Erfolg haben. Richters klassische, das ideologische herunterspielende, distanzierende Malerei kommt dem angelsächsischen Temperament entgegen. In London hatte er 1979 eine seiner frühesten internationalen Ausstellungen, hier hatte er seinen wichtigsten internationalen Galeristen, Anthony d’Offay, hier begann 1996 bei Sotheby’s seine globale Auktionskarriere. Viele Werke, die nun in der Tate Modern hängen, gingen in den letzten Jahren durch Londoner Auktionssäle.

    Er wird nun als der gefeiert, der die tausendfach totgesagte Malerei wieder zum Leben erweckt hat. Er hat die Malerei gründlicher hinterfragt und mit ihr mehr experimentiert als die meisten - aber bei ihm wird Konzeptmalerei nicht, wie so oft, flacher, monochromer, beliebiger, oder auch nur zerebraler - sondern vielseitiger, aufregender, schöner süffiger, auch altmodischer: Die Reflexion der Malerei als ihre schönste Affirmation.
    Gerhard Richter, "Matrosen", 1966 Öl auf Leinwand, 148 x 198 cm - das Gemälde will das Museum Weserburg auf dem Kunstmarkt anbieten
    Gerhard Richter, "Matrosen", 1966 Öl auf Leinwand, 148 x 198 cm - das Gemälde will das Museum Weserburg auf dem Kunstmarkt anbieten. (Weserburg)
    Blick auf das neue Südquerhausfenster (Teilansicht) im Hohen Dom zu Köln.
    Richter hat 2006 Fenster im Kölner Dom gestaltet. (AP)