Bereits im April 2021 hat der europäische Fußballverband UEFA die Eckpunkte für eine Reform der europäischen Klubwettbewerbe beschlossen. Im Kern stand dabei die Champions League, der wichtigste und mit Abstand lukrativste Wettbewerb im europäischen Fußball.
Zu diesem Zeitpunkt waren Pläne einer neuen Super League publik geworden: Zwölf europäische Großklubs, ohne die zwei deutschen Top-Teams FC Bayern und Dortmund, wollten sich von der UEFA loslösen und eine selbst vermarktete, europäische Topliga gründen. Die finanzstarken Partner für die Vermarktung sollen schon bereitgestanden haben. Der Super-League-Vorstoß scheiterte zwar schnell, nach heftigen Protesten von Fans der beteiligten englischen Klubs.
Doch die Drohkulisse eines Konkurrenzproduktes zur Königsklasse blieb bestehen. Auch vor diesem Hintergrund sah sich die UEFA zum Handeln gezwungen. Auf dem Kongress in Wien wurde die Reform der Champions League am 10. Mai 2022 verabschiedet - obwohl es damals schon Kritik an dem neuen Format gab.
Mit der Saison 2024/2025 wird die Reform jetzt auch auf den Spielfeldern sichtbar und umgesetzt. Es ist die größte Reform, seit 1992 der Europapokal der Landesmeister zur Champions League wurde.
Wie sieht der neue Turniermodus aus?
Die UEFA hat die Zahl der Teilnehmer von derzeit 32 auf künftig 36 Mannschaften erhöht. In der Champions League, aber auch in den beiden anderen Wettbewerben. Neu in der Königsklasse ist vor allem das Format, die bisherige Gruppenphase ist abgeschafft. Stattdessen wird eine gemeinsame Tabelle aus den Spielen aller 36 Teams gebildet. Wie in einem Ligasystem, allerdings werden die 36 Klubs mit Setzlisten auf vier Gruppen verteilt, so dass jede Mannschaft in der Vorrunde acht Spiele bestreitet.
Der Kern des bisherigen Formats bleibt damit für die Vorrunde bestehen: Top-Teams wie der FC Bayern, die sich ihren Status durch gutes Abschneiden in der Vergangenheit verdient haben, werden weiter gegen unterschiedlich starke Teams antreten.
Die ersten acht Teams in der Gesamttabelle qualifizieren sich am Ende direkt für das Achtelfinale, die darauffolgenden 16 Teams spielen in einer K.o-Runde acht weitere Teilnehmer der Achtelfinalspiele aus. Die Teams auf den Plätzen 25 bis 36 scheiden nach der Vorrunde direkt aus.
Auch die Auslosung hat sich verändert: Vor der Auslosung sind vier Lostöpfe mit je neun Teams gesetzt. Welches Team in welchem Lostopf ist, entscheidet die Koeffizientenrangliste der Vereine. Bei der Auslosung werden jedem Verein dann jeweils zwei Teams aus den vier Lostöpfen per Computer zugelost. Das bewirkt, dass es jenes Losglück nicht mehr gibt, dank dem ein sehr starker Verein es in seiner Gruppe nur mit schwächeren Teams zu tun hat und sehr einfach durch die Gruppenphase marschieren kann.
Durch den neuen Modus und die Aufstockung der teilnehmenden Teams gibt es jetzt eineinhalbmal so viele Spiele wie früher in der Champions League.
Was sind die Gründe für die Reform?
Die UEFA wollte sich vom zunehmend ungeliebten Gruppenmodus verabschieden. In der Vergangenheit standen in manchen Gruppen zum Teil schon zwei Spieltage vor Schluss die Teilnehmer im Achtelfinale fest, die verbliebenen Duelle waren fürs Weiterkommen sportlich bedeutungslos und versprachen kaum noch Spannung. Dies soll sich jetzt durch das neue Tabellenformat ändern, vor allem durch die zusätzlichen Playoff-Spiele zwischen den Teams auf den Plätzen 9 bis 24 um den Einzug in die K.o-Runde. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es wegen der Setzlisten wohl weiter der Kreis der gleichen altbekannten Teams ist, der es am Ende ins Achtelfinale schaffen wird.
Eine weitere Idee der UEFA war, zwei Startplätze für Vereine zu reservieren, die über die Liga zwar die Qualifikation zur Champions League verpasst haben, aber in den fünf Spielzeiten zuvor im Europapokal gut abgeschnitten hatten. Diese Idee war besonders umstritten. Denn sie wurde als Sicherheitsnetz für die großen Vereine und Fußball-Marken interpretiert, deren Strahlkraft sich die UEFA wohl über eine Art Wildcard sichern wollte, auch wenn sie in der Liga eigentlich an der Qualifikation für die Champions League gescheitert wären. Sollte der FC Bayern zum Beispiel in der Bundesliga nur auf Platz fünf landen - und dadurch eigentlich in der Europa League spielen müssen - dürften die Münchner aufgrund des UEFA-Koeffizienten dennoch in der Champions-League antreten.
Fan-Organisationen warfen der UEFA vor, damit leistungsschwache Eliteklubs auf Kosten anderer belohnen zu wollen und sprachen von einer "Super-League durch die Hintertür". Denn genau dies war der große Kritikpunkt am Modell Super League: Eine geschlossene Gesellschaft, bei der zwölf Spitzenklubs sicherstellen, dass sie verlässlich an das große Geld in Europa kommen, selbst wenn sie in der Liga einmal schwächeln. Auch der Status von Teams wie dem FC Bayern, die die nationale Liga seit Jahren dominieren, würde zementiert, wenn diese Vereine auf Dauer mehr Geld in Europa einnehmen und dadurch ihren auch wirtschaftlichen Vorsprung weiter vergrößern.
Wie will die UEFA profitieren?
Vor allem bringt die Reform aber mehr Spiele und mehr Geld für die UEFA und die Klubs. Wer die Champions-League erreicht, bekommt künftig mindestens acht garantierte Spiele in der Königsklasse, statt bisher nur sechs. Und damit verbunden sind auch mehr Einnahmen, aus der Fernsehvermarktung, Ticketverkäufen und Sponsoring.
Die UEFA argumentiert, dass auch die Attraktivität der Spiele steige, weil von Beginn an hochklassige Teams durch die entsprechend eingerichtete Zulosung bedingt aufeinander treffen. So spielen in der beginnenden Saison der BVB und Bayern München auf jeden Fall gegen den FC Barcelona. Dortmund und Stuttgart treffen auf Real Madrid.
Auch sollen die Spiele abwechslungsreicher sein, weil jedes Team auf acht verschiedene Gegner trifft. Das Prinzip Hin- und Rückspiel gibt es dabei nicht mehr.
Der neue Modus bringt der UEFA auch neue und mehr Vermarktungsmöglichkeiten und damit Einnahmen. Von denen sollen wohl auch die teilnehmenden Teams etwas haben: Die teilnehmenden Teams bekommen ab jetzt in der Summe knapp 2,5 Milliarden Euro von der UEFA, anstatt früher knapp 2 Milliarden Euro.
Welche Punkte sind umstritten?
Auf der anderen Seite steigt mit mehr Spielen auch die Belastung der Spieler - und das, obwohl viele Trainer gerade in England schon 2022, als die Reform beschlossen wurde, über zu viele Spiele klagten.
Die UEFA hätte den Modus in der Champions League gerne noch stärker aufgebläht - mit insgesamt 100 Spielen mehr als im bisherigem Gruppenformat, verteilt über zehn Spieltage. Durchkreuzt wurden diese Pläne aber vor allem von den nationalen Ligaverbänden, im ohnehin bereits engen Kalender wäre damit noch weniger Platz für die nationalen Ligen und Pokalwettbewerbe geblieben. Zudem gab es die Befürchtung, dass noch mehr Spiele in der Champions League den nationalen Ligen weiteres Fernsehgeld und Sponsoring-Einnahmen abgraben könnten.
Also wurde 2022 ein Kompromiss verabschiedet: acht Spiele für jedes Team vor der K.o.-Runde, auch in den anderen europäischen Wettbewerben.
Dennoch bedeutet das Mehr an Spieltagen, auch weniger Erholung und mehr Belastung für die Spieler. Anfang September hatte die Spielergewerkschaft FIFPRO von einer "Kannabilisierung des Wettbewerbskalenders" im Spitzenfußball gesprochen und den Fußballverbänden vorgeworfen, mit zu vielen Spielen der Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Gesundheit der Spieler nicht nachzukommen.
Die gestiegene Anzahl an Partien wie in den europäischen Wettbewerben sei fraglich und es fehle an ausreichend Pausen zwischen den Wettbewerben. Die Gewerkschaft fordert deshalb Schutzmaßnahmen wie eine Obergrenze von Spielen pro Spieler oder das Recht auf eine garantierte jährliche Pause.
Auch Zahlen der Gewerkschaft belegen, wie hoch die Belastung der Spieler ist: Von 1.500 befragten Spielern gaben demnach 54 Prozent an, in der Saison 2023/24 mit „übermäßigen oder hohen Arbeitsanforderungen“ konfrontiert gewesen zu sein. Auch ein Vergleich zwischen den Generationen zeigt, dass junge Fußballer heute mehr Spiele verkraften müssen: Der deutsche Nationalspieler Florian Wirtz von Bayer Leverkusen hat mit seinen 21 Jahren bereits 11.500 Minuten Profifußball gespielt. Zum Vergleich: Das ist fast dreimal so viel wie Michael Ballack im selben Alter.
Was sagen die Teams dazu?
Ein voller Wettkampfkalender auf europäischer Ebene bringt die nationalen Wettbewerbe in Bedrängnis. In Frankreich wurde bereits darauf reagiert: Ein nationaler Wettbewerb, der französische Liga-Pokal, wurde vollständig abgeschafft und die Liga wurde von 20 auf 18 Teams verkleinert, um auch da an nationalen Spielen zu sparen.
Kritik gibt es auch, weil es im neuen Modus keine Hin- und Rückspiele mehr gibt und man dadurch auf manche Gegner nur auswärts trifft. So wie der VfB Stuttgart, der nur auswärts gegen Real Madrid im Estadio Santiago Bernabéu spielt. Da wäre VfB-Spieler Deniz Undav der alte Modus wesentlich lieber gewesen:
„Ich finde das vorherige Format viel besser, da hattest du ein Heim- und ein Rückspiel. So hat keine Mannschaft einen Vorteil, weil wir zuhause auch viel lieber spielen als hier in Bernabéu.“
Auf der anderen Seite erwarten einige Vereinsfunktionäre und Fußball-Experten einen neuen Wettbewerb mit mehr Spannung und Abwechslung.
"Ich finde es richtig cool. Es wird kein Geplänkel mehr geben, weil in der Gruppenphase die zwei besten Mannschaften früh alles klar gemacht haben. Stattdessen spielen jede Woche richtig starke Teams gegeneinander. Es wird härter zugehen, weil es da ständig um alles geht", sagte Lothar Matthäus gegenüber ran.
Ähnlich äußerte sich Bayern-Sportchef Max Eberl nach der Auslosung der Begegnungen, das Format sein sehr interessant und aufregend und könne bis zum Ende spannend sein.
Quellen: sportschau, ran, Dlf