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Reform der Forschungsförderung

Die Bundesregierung fördert fast ausschließlich einzelne wissenschaftliche Projekte und Bereiche, die sie für innovativ hält. Von der aktuellen Praxis profitierten zu 90 Prozent Großunternehmen, sagt Oliver Koppel vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Er und viele andere Experten fordern eine einheitliche steuerliche Förderung.

Oliver Koppel im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Manfred Götzke: Die EFI, die Expertenkommission Forschung und Innovation, hat heute ihr Jahresgutachten veröffentlicht. In dem fordert sie übrigens auch die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung. Was das genau ist, darüber möchte ich mit Oliver Koppel vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln sprechen. Guten Tag, Herr Koppel!

    Oliver Koppel: Schönen guten Tag!

    Götzke: Herr Koppel, bevor wir auf die steuerliche F- und E-Förderung eingehen, würde ich gerne über das aktuelle Fördersystem sprechen. Zurzeit fördert die Regierung in der Regel einzelne Projekte und Bereiche, die sie für besonders innovativ hält. Aber kann man so Innovation planen?

    Koppel: Ich glaube, man muss da ganz stark unterscheiden, ob man über Spitzentechnologie redet oder über das, was so in – ich würde mal sagen – 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland, die innovativ sind, täglich passiert. Für die Spitzentechnologieförderung macht es aus meiner Sicht absolut Sinn, sehr konkrete Vorgaben für Programme zu geben. Wenn sie zum Beispiel an das Satellitensystem Galileo denken, macht es überhaupt keinen Sinn, dass jeder so vor sich hin entwickelt, und wir dann unterschiedliche Standards haben, unterschiedliche Stecker haben und jeder an was anderem rumforscht, und hinterher kann man das eben nicht benutzen. Das ist aber jetzt eben das eine Ende der Innovationsaktivitäten. Das andere Ende ist eben eher in mittelständischen und kleinen Unternehmen zu sehen, die zwar selber auch Forschung und Entwicklung betreiben, aber jetzt nicht in dem riesigen Ausmaß, wie es dann Großkonzerne tun. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen kommt es eher darauf an, dass man Forschung und Entwicklung eben auch über Konjunkturkrisen hinweg finanziert bekommt zum Beispiel. Das heißt also auch dann, wenn mir mal die Liquidität ein bisschen knapp zu werden droht, dass ich dann noch Mittel für Forschung und Entwicklung zur Verfügung habe. In dem Kontext diskutiert ja auch das EFI-Gutachten dann auch die steuerliche F- und E-Förderung. Also grundsätzlich: Projektförderung ist sinnvoll, wenn es um Großprojekte geht, wo man eben das kleinteilige Eigenentwickeln verhindern will. Kleinteiliges Eigenentwickeln, auch wenn sich das jetzt etwas abfällig anhört, ist aber sozusagen das Geschäftsmodell von 90 Prozent der innovativen Unternehmen in Deutschland, und die haben da durchaus andere Interessen.

    Götzke: Und die profitieren von der aktuellen Förderpraxis nicht, weil sie zu bürokratisch ist, oder das zu schwierig ist, diese Anträge durchzubekommen?

    Koppel: Korrekt. Also das heißt, es gibt Untersuchungen, die sagen, dass eigentlich von der aktuellen Förderpraxis ausnahmslos Großunternehmen in Deutschland profitieren, die überhaupt die Kapazitäten haben, diese komplexen Antragsprozesse zu durchblicken und eben entsprechend auch zu begleiten. Das ist alles sehr, sehr kompliziert, sehr zeitaufwendig und natürlich muss man auch erst mal ein Programm finden, was dann überhaupt für einen passt, das ist das größte Problem bei Mittelständlern: Die Probleme sind eben doch sehr speziell, sehr kundenorientiert, und die Fördertöpfe sind dann doch eben sehr, sehr großteilig gefasst, dass man sich da einfach nicht wiederfinden kann. Und aber unterm Strich ist es einfach sehr, sehr komplex und geht an den Bedürfnissen eines typischen Mittelständlers eigentlich vorbei.

    Götzke: Nun wäre die Alternative also steuerliche Forschungsförderung, fordert ja auch die Expertenkommission. Wie würde die aussehen, wie funktioniert das?

    Koppel: Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Das, was im internationalen Kontext am meisten angewendet wird – man muss dazu sagen, Deutschland ist eines der ganz, ganz wenigen Länder international, welches auf eine solche steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung verzichtet, die meisten, insbesondere Industrienationen, haben das schon lange eingeführt –, das funktioniert normalerweise so, dass ich Betriebsausgaben für Innovationsprozesse, zum Beispiel eben Personalkosten für Ingenieure, für Forscher, Entwickler, et cetera, aber eben auch Materialkosten, Reagenzgläser, Forschungslabore, et cetera, steuerlich geltend machen kann, sodass dann eben auf diese entweder dann ich eine Steuervergünstigung erhalte oder die dann eben vom zu versteuernden Unternehmensergebnis abgezogen werden und dann eben entsprechend sich auf jeden Fall positiv für das Unternehmen bemerkbar machen. Die Ausgestaltungen sind da aber sehr variabel, ob man das jetzt sozusagen von der Steuerschuld abziehbar macht, dann zum Beispiel oder von der Bemessungsgrundlage der Steuer, da gibt es sehr viele Spielarten. Im Wesentlichen geht es darum, dass Aufwendungen für Forschung und Entwicklung steuerlich begünstigt werden im Vergleich zu anderen Ausgaben, zum Beispiel dann eben zu Marketingmitteln oder zu Produktionsmitteln, die dann eben im Unternehmen angesetzt werden.

    Götzke: Eigentlich sind ja fast alle Parteien für die Einführung dieser steuerlichen Förderung. Sie steht ja auch im Koalitionsvertrag, warum ist da bisher nichts draus geworden?

    Koppel: Das ist in der Tat eine berechtigte Frage, das fragen sich eigentlich auch alle Forschungsinstitute, denn – nicht mit dem Argument, alle anderen machen es auch, also warum machen wir es nicht, sondern weil es einfach sehr gute Gründe gibt, dass eine steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung eben die Innovatoren in Deutschland in der Breite sehr gut treffen würde, fragt man sich das. Das scheint tatsächlich so zu sein, wenn man es ein bisschen ketzerisch sagen will, dann scheint die Koalition lieber 1,5 Milliarden für ein Betreuungsgeld aus dem Fenster zu schmeißen, als jetzt mal eben in die nachhaltige Forschung und Entwicklung hier am Standort zu investieren. Völlig unverständlich, es steht im Koalitionsvertrag drin, es sollte eigentlich eine Bindungswirkung haben, aber ich würde sagen, die Ausgabenpriorisierung der Bundesregierung hat das bisher leider nicht widergespiegelt im Forschungsbereich.

    Götzke: Oder will man sich einfach die gutsherrenartige Verteilung von Fördermitteln nicht aus der Hand nehmen lassen?

    Koppel: Das ist ein zweiter Punkt, in der Tat, insbesondere natürlich diese sogenannten Intermediäre, das heißt, die Institutionen, die dann für die Begutachtung und für die Begutachtung von Projektanträgen und natürlich auch für die Setzung von Technologiefeldern, die dann sich als zukünftig förderungswürdig erweisen sollen, zuständig sind, die beharren natürlich auf dem alten System, das ist immer so, dass es dann natürlich alte Besitzstände zu wahren gibt, aber das sollte jetzt für die Politik eigentlich kein Hindernis sein, wenn man doch eben der Überzeugung ist, dass man ein zumindest ergänzendes, wenn nicht sogar ersetzendes System der Förderung hätte, was da deutlich besser funktionieren würde.

    Götzke: Die Forschungsförderung sollte grundlegend reformiert werden, meint Oliver Koppel, Ökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft. Vielen Dank!

    Koppel: Vielen Dank, Herr Götzke!


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