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Reform des CO2-Emissionshandels

Der Emissionshandel sollte ein wirksames Instrument im Klimaschutz sein. Doch das europäische Modell funktionierte nicht richtig, unter anderem, weil die Obergrenze für den CO2-Ausstoß zu hoch angesetzt war. Heute unternimmt der Umweltausschuss einen erneuten Versuch, den Handel mit den Zertifikaten wieder zu beleben.

Von Eva Raisig |
    Ein Kompromiss soll die geplante Minireform des Emissionshandels nun doch noch retten. Vor zwei Monaten war die EU-Kommission vor dem Europaparlament mit der Idee gescheitert, einen Teil der überschüssigen Zertifikate zeitweise vom Markt zu nehmen, um den weiteren Preisverfall der Verschmutzungsrechte zu verhindern.

    Für Herbert Reul, den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Europaparlament, kam die Ablehnung damals überraschend.

    "Erstmalig hat sich das Parlament artikuliert und hat gesagt, wir sehen die Interessen der Industrie in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit an wichtigerer Stelle."

    Die Kritiker des sogenannten Backloadings wehren sich gegen einen Eingriff in den Zertifikatehandel und den Markt. Sie befürchten nicht nur, dass das Vertrauen in den Markt dadurch Schaden nimmt, sondern auch die Industrie. Für Rebecca Harms, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, ist diese Sichtweise ein Rückschritt in der Idee des Emissionshandels

    "Europa vergibt gerade zwei Chancen, nämlich guten Klimaschutz zu machen, aber auch dafür zu sorgen, dass die europäische Industrie innovativer wird."

    Als das System 2005 an den Start ging, war die Wirtschaftskrise fern, die Prognosen über das wirtschaftliche Wachstum optimistisch. Mittlerweile benötigen die Unternehmen allerdings weit weniger Verschmutzungsrechte, als sich auf dem Markt befinden. Die Nachfrage ist gering, der Preis fällt und damit auch der Anreiz für Unternehmen, statt der Zertifikate in klimaschonende Technologie zu investieren. Daran ändert wahrscheinlich auch der neue Kompromissvorschlag wenig, über den heute im Umweltausschuss des EU-Parlaments abgestimmt wird. Er sieht unter anderem vor, die Zertifikate nicht - wie ursprünglich geplant - nach einigen Jahren wieder in den Markt zurückzugeben, sondern gleich, nachdem die letzten Verschmutzungsrechte vom Markt genommen wurden. Einen faulen Kompromiss nennt der Konservative Herbert Reul den neuen Vorschlag:

    "Ich verstehe das ganze System jetzt nicht mehr. Wenn man sagt, ich nehme Zertifikate aus dem Markt, und sagt, zu dem Zeitpunkt kommen sie rein und dieser Zeitpunkt ist jetzt auch noch kürzer als bei der letzten Abstimmung, dann ist doch für jeden, der mit den Zertifikaten handelt, klar, das ist eine Mogelpackung. Das macht keinen Sinn. Also wir werden das, was die erreichen wollen, nämlich die Zertifikatpreise zu erhöhen, nicht erreichen."

    Neu an dem Vorschlag ist außerdem, dass ein Fonds eingerichtet werden soll, aus dessen Mitteln energieintensive Industrien dabei unterstützt werden sollen, klimafreundliche Projekte voranzutreiben. Das Geld dazu soll aus dem Erlös von 600 Millionen der 900 Millionen Zertifikate stammen, die nach dem Backloading zurück auf den Markt gegeben werden, also Geld, das eigentlich den Mitgliedsländern zukommt.

    "Das ist ein Trostpflaster auf einer wirklich sehr schwachen Maßnahme, die mit echtem Klimaschutz wenig zu tun hat","

    findet Rebecca Harms. Das Klimaziel, bis 2020 ein Fünftel weniger CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 zu emittieren, hält sie für einen Makel des Zertifikatehandels.

    ""Damit der Emissionshandel funktionieren könnte, bräuchten wir auch dieses ehrgeizigere Klimaziel, das Ziel, 2020 20 Prozent weniger, das schaffen die meisten ja im Schlafwagen, die müssen dafür nichts tun. Es ist kein Markt, der sich so, wie er jetzt aufgebaut ist, zum Besseren wenden wird."

    Viele sind also unzufrieden mit dem Kompromissvorschlag, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Doch um das System des Emissionshandels zumindest kurzfristig vor dem Kollaps zu bewahren, werden wohl die meisten im Umweltausschuss diese Kröte schlucken. Langfristig sei dieser Vorschlag aber keine Lösung, meint Herbert Reul.

    "Wir haben gelernt, dass alle die anderen Maßnahmen, Förderung der erneuerbaren Energien, Energieeffizienzziele vorantreiben, dass das Wirkungen hat auf die CO2-Reduzierung und damit auf den Zertifikatehandel. Also kann man nicht nur den Zertifikatehandel erneuern oder reformieren, sondern man muss das Ganze zusammen sehen. Und dann muss man sich mehr Zeit nehmen als einen Schuss aus der Hüfte."

    Sollte der Vorschlag den Umweltausschuss passieren, stehen ihm zwei weitere größere Hürden bevor: Ob er im Plenum Zustimmung findet, ist ungewiss, noch schwerer dürfte allerdings die Uneinigkeit im Ministerrat wiegen. Gegen einen Eingriff in den Markt wehren sich nicht wenige Mitgliedsstaaten, allen voran Polen. Großbritannien und Frankreich sind Befürworter des Backloadings. Wie Deutschland in der Frage stimmt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Doch das Interesse vieler EU-Staaten an einem Fonds, der aus ihren Staatseinnahmen gefüllt werden soll, dürfte gering sein.