Mieke Hoogkamp öffnet die Tür zur protestantischen Kirche von Gennep. Es ist ein kleines, barockes Gotteshaus mit schlichtem Interieur. In den Steinboden sind hier und da Grabplatten eingelassen. Sie tragen die Namen wohlhabender Bürger aus der Gemeinde, die bis Anfang des 19. Jahrhunderts zum deutschen Herzogtum Kleve gehörte.
"Hier auf dem Grabstein sehen Sie einen Text aus der Luther-Bibel. Wahrscheinlich wurde hier also auf Deutsch gepredigt und auch auf Deutsch die Bibel gelesen."
Dass es diese Kirche überhaupt gibt, sei vor allem Dominee Johannes Engelen zu verdanken, sagt Mieke Hoogkamp. Die promovierte Mikrobiologin und Hobby-Historikerin ist Vorsitzende des protestantischen Kirchenrates in Gennep. Im Alleingang habe Engelen Mitte des 17. Jahrhunderts das Geld für den Kirchenbau gesammelt - ja geradezu erbettelt, erzählt sie.
"Er hat alles in seinem Kollekte-Buch aufgezeichnet. Das haben wir noch, und das ist sehr berühmt. Denn da können wir sehen, was die Prinzen, die Grafen oder der Bürgermeister aus Kleve als Spende gegeben haben. Oder die Diakonie in Goch oder die Stadträte aus Zeeland. Das ist großartig."
Empfang mit offenen Armen
Mit der Reformation brach in Europa ein blutiger Religionskrieg aus. Kaiser Karl V. und der Papst gingen brutal gegen alle Andersgläubigen vor. Flucht und Vertreibung waren die Folge.
Ein Ziel der Verfolgten aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich war der Niederrhein. Denn die Klever Herzöge versprachen Glaubensfreiheit. Auch Gennep, so der heutige Bürgermeister Peter de Koning, habe die Flüchtlinge damals mit offenen Armen empfangen.
"Es ist vorgekommen, dass – wenn der Pastor krank war und ein Kind getauft werden musste – der evangelische Pfarrer eingesprungen ist und umgekehrt. Das war zu der Zeit eigentlich undenkbar. Aber das sprach sich herum. Und jeder, der sich bedroht oder verfolgt fühlte, kam nach Gennep. So ist Gennep eine Art Freistaat für Andersdenkende geworden, wo Menschen mit unterschiedlichen Ideen und Überzeugungen gemeinsam eine gute Gesellschaft aufbauen konnten."
Imam, Pastor und Pfarrer nebeneinander am Altar
Die Toleranz und Offenheit gegenüber Andersdenkenden habe sich seine Stadt bewahrt, sagt de Koning. In Gennep und den umliegenden Dörfern gibt es eine Moschee, eine indonesische Glaubensgemeinschaft, mehrere katholische Kirchen und die reformierte Gemeinde mit etwa 300 Gläubigen.
"Wenn hier Zusammenkünfte oder Feste sind, dann stehen sowohl der katholische Pastor, als auch der evangelische Pfarrer, der Imam und die anderen Prediger nebeneinander am Altar, um gemeinsam etwas zu feiern und zu erleben."
Mieke Hoogkamp zeigt einen Ort, der eindringlich daran erinnert, wie tolerant die kleine Grenzstadt schon vor drei-, vierhundert Jahren gewesen ist: den Friedhof rund um den alten Martinus-Kirchturm.
"Sie wissen, dass in der Katholischen Kirche ein im Mutterleib verstorbenes Kind nicht beerdigt werden durfte, weil es nicht getauft war. Unsere Priester haben damals gesagt: Das machen wir nicht mit. Wir taufen die ungeborenen Kinder, die verstorben sind, und die haben hier auf dem Friedhof einen ganz speziellen Platz bekommen."
Jetzt, wo weltweit wieder Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung sind, sei ein tolerantes Miteinander wichtiger denn je, meint Bürgermeister de Koning. Bei alle Bescheidenheit, so sagt er, an uns könnte sich die Welt durchaus ein Beispiel nehmen.