Archiv

Reformen in Polen
"Das Modell ist offensichtlich Orbans Ungarn"

Die konservative Revolution in Polen sei längst nicht abgeschlossen, sagte der Journalist Adam Krzeminski im DLF. Der Staat werde in Nacht- und Nebelaktionen umgebaut - in der Vorstellung, man könne die polnische Nachkriegsgeschichte umschreiben. Dennoch müsse man mit Polens Nationalkonservativen reden: "Man darf jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielen."

Adam Krzeminski im Gespräch mit Birgid Becker |
    Der polnische Publizist und Journalist Adam Krzeminski bei der Verleihung des Europapreises des Landes Rheinland-Pfalz im Mainzer Landtag.
    Der polnische Publizist und Journalist Adam Krzeminski (imago / Sämmer)
    In Polen sehe es nach einem Tohuwabohu aus, aber der politische Wille, einen konservativen Staat mit einer starken Exekutive zu schaffen, sei erkennbar. Krzeminiski spricht in diesem Zusammenhang von einer "konservativen Perestroika". Das Modell der Regierungspartei PiS orientiere sich offenbar an Ungarn unter Viktor Orban. Anders als in dem von Rechtspopulisten regierten Land sei die polnische Opposition aber in den kritischen Medien stark vertreten und es mobilisiere sich eine Protestbewegung. "Trotzdem wird es ein langer, langer Weg", sagte der Journalist im Deutschlandfunk.
    Die polnische Regierung stoße jedoch durchaus auf Probleme. So habe die Herabstufung des Landes durch Ratingagenturen zu einem Rumoren im Finanzministerium geführt. Außerdem sei die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" außenpolitisch unerfahren, da sie über zu wenige Kontakte verfüge. Die Akzentuierung der Außenpolitik variiere von Tag zu Tag. Die Betonung liege im Vergleich zur Vorgängerregierung auf einer europaskeptischen Linie.
    "Man darf jetzt nicht schmollen, man muss reden"
    Krzeminski forderte, die polnische Regierung trotzdem nicht zu boykottieren. "Wenn man mit schon mit Breschnew eine Entspannungspolitik betreiben konnte, oder einen Wandel durch Annäherung, muss man auch mit den Nationalkonservativen sprechen." Diese müssten dazu gebracht werden, sich von außen zu sehen. Die meisten PiS-Politiker hätten sich in ihrer ideologischen Verbrämung lediglich mit der Innenpolitik beschäftigt. Sie müssten auch Realpolitik lernen und würdigen, was Polen in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut habe, so der Journalist. "Man darf jetzt nicht schmollen, man muss reden - hart, aber auch mit der Gewissheit, dass es ein Danach geben wird."
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.