Stephanie Gebert: Wer studiert, der muss gucken, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert. In Deutschland gibt es dazu Hilfe vom Staat, das – Achtung, Bürokratendeutsch – Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG. Über die Höhe des Geldes, das es da gibt, diskutieren wir regelmäßig, denn ein Vorwurf lautet, die Unterstützung reicht hinten und vorne nicht. Unter anderem, weil Leben eben teurer geworden ist - Strom, Mieten, Lebensmittel.
Jetzt hat die zuständige Bundesbildungsministerin versprochen, sie werde das BAföG reformieren, Eckpunkte hat Anja Karliczek schon vorgelegt. Heute haben sich bei der Ministerin auch noch mal die Verbände über die Ideen gebeugt, etwa das Deutsche Studentenwerk. Generalsekretär dort ist Achim Meyer auf der Heyde, ich grüße Sie!
Achim Meyer auf der Heyde: Schönen guten Tag, Frau Gebert!
"Ein paar Punkte gehen in die richtige Richtung"
Gebert: War das ein Symboltermin heute oder gab es tatsächlich die Möglichkeit, noch an der Reform mitzuschrauben?
Meyer auf der Heyde: Also als Symboltermin würde ich das nicht bezeichnen, denn das ist klar, dass die Verbände angehört werden zu einer Stellungnahme, und ich hoffe natürlich, dass die Bundesregierung auch die Anmerkungen berücksichtigen wird im weiteren Verfahren.
Gebert: In welchen Punkten hat die Ministerin denn in Ihrem Sinne die Reform gestaltet? Wo sind Sie zufrieden?
Meyer auf der Heyde: Es gibt ein paar Punkte, die in die richtige Richtung gehen, aber ich muss gleich einschränken, für eine Trendwende, wie sie die Bundesregierung ja auch in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, sehe ich noch wesentlich mehr nötig. Die Punkte sind, dass die Freibeträge angehoben werden um insgesamt 16 Prozent bis zum Herbst 2021, das ist ein guter Punkt, weil dann eine mögliche Lücke im Zuge der Regierungsbildung im Herbst 2021 geschlossen wird. Gut ist auch die Einführung eines BAföG-Kranken- und Pflegeversicherungszuschlags für über 30-Jährige. Und gut ist auch, dass die BAföG-Förderungsart verzinslichtes BAföG-Bankdarlehen ersetzt wird durch ein zinsloses Volldarlehen, das ist ein gutes Signal an die Studierenden.
"Grundbedarf von Studierenden müsste wesentlich höher liegen"
Gebert: Trotzdem, Sie haben es gerade gesagt, die Trendwende, die Sie sich erhofft hatten und die auch aus dem Bundesbildungsministerium signalisiert wurde, die sehen Sie nicht. Was fehlt denn noch zu so einer Trendwende?
Meyer auf der Heyde: Erstens muss man sehen, dass nach dem BAföG-Bericht 2017, also Ende 2017, klar geworden ist, dass die Zahl derjenigen, die überhaupt potenziell noch antragsfähig sind, in den letzten zehn Jahren von über 70 auf inzwischen 63 Prozent gesunken ist. Und wenn man richtig eine Trendwende schaffen will, muss natürlich der Kreis, der potenziell Förderberechtigten wieder erhöht werden. Ein Grund ist, dass ein Großteil der Studierenden erst nach der Regelstudienzeit fertig wird und damit aus der Förderung rausfällt. Wir haben da schon angeregt, dass man die Regelstudienzeit plus mindestens ein Semester fördert. Der zweite Punkt – und das ist aus unserer Sicht noch wichtiger: Wir haben letzte Woche eine Studie vorgestellt, wonach der Grundbedarf von Studierenden auf Basis der Daten der 21. Sozialerhebung 2016 wesentlich höher liegen müsste, nämlich zwischen 500 und 550 Euro. Die Bundesregierung erhöht den Bedarf bis Ende 2020 um fünf Prozent beziehungsweise noch mal zwei Prozent auf insgesamt 427 Euro. Da tut sich eine Lücke auf, die natürlich geschlossen werden muss. Und hier ist auch unsere Kritik, warum gibt es nicht ähnlich wie bei den Elternfreibeträgen dann auch eine Erhöhung des Bedarfssatzes Ende 2021.
Höhe des Wohnzuschlags reicht vermutlich nicht aus
Gebert: Ich habe es gerade schon in der Anmoderation gesagt, wir wissen alle, dass das Leben insgesamt teurer geworden ist, zum Beispiel beim Wohnen. Es geht ja auch darum, den Wohnzuschlag anzuheben, so jedenfalls der Plan der Ministerin. Steuert das denn in die richtige Richtung?
Meyer auf der Heyde: Es wird, sagen wir mal, der Entwicklung gerecht, weil nach der Sozialerhebung von 2016 zahlen die Studierenden durchschnittlich 325 Euro Miete. Also insofern erreicht es gerade den Punkt. Ob es ausreichen wird, wird sich zeigen. Wir bezweifeln auch dieses, denn nach der Vorlage unserer Studie letzte Woche, die eben die Daten noch mal anders ausgewertet hat, zahlen insbesondere Studierende in jüngeren Semestern und Studienanfänger wesentlich höhere Mieten. Und die werden natürlich erst mal die Antragssteller sein, aber es wird ein Teil aufgefangen, aber wir zweifeln, dass es in Gänze aufgefangen wird.
BAföG-Erhöhung zum Wintersemester
Gebert: Wie schnell können Studierende Ihrer Einschätzung nach damit rechnen, dass sie zumindest die Erhöhungen, die geplant sind, auch bekommen werden?
Meyer auf der Heyde: Die Studierenden werden zum Wintersemester sicherlich die Erhöhung bekommen können. Aber auch hier kritisieren wir, dass erst über ein Jahr nach Vorlage des BAföG-Berichtes, eben Ende 2017, ein Vorschlag unterbreitet wird. Man hätte das auch so regeln können, dass es zum Sommersemester hätte kommen können.
Gebert: Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz das BAföG deutlich erhöhen. Die Reaktion des Deutschen Studentenwerks ist mäßig begeistert, warum, hat uns Achim Meyer auf der Heyde erläutert, der Generalsekretär. Danke dafür!
Meyer auf der Heyde: Schönen Dank, Frau Gebert!
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