Mark Müller steht in der Flying Machine Arena, einer zehn mal zehn mal zehn Meter großen Flugmanege an der ETH Zürich. Die Wände der Arena bestehen aus weißen Netzen, der Boden ist mit blauen Matratzen ausgelegt - falls eines der Fluggeräte einmal unsanft landet. Im Hintergrund rauscht eine Turbine, die zu dem Experiment einer anderen Arbeitsgruppe gehört. Vor Mark Müller, in Kopfhöhe, schwebt ein Fluggerät von der Größe einer Schallplatte. Es wiegt nur 500 Gramm und besteht aus einem x-förmigen Kunststoffgerüst mit kleinen Rotoren an jedem Ende. Die vier Rotoren haben ihm seinen Namen gegeben: Quadrokopter. Mark Müller hebt seinen rechten Arm.
"Drehe ich meinen Arm zu mir, dann kommt er zu mir, schiebe ich ihn weg, dann geht er weg. Nach oben, nach unten. Und wenn ich meine Hand ganz schnell bewege, sollte er einen Salto ausführen."
Ein Tracker wie man ihn von Spielkonsolen kennt, ein System also zur Bewegungsüberwachung, steht vor Mark Müller auf dem Boden, verfolgt seine Armbewegungen und überträgt sie auf das Fluggerät.
"Das ist eine sehr intuitive Art, einen Quadrokopter zu fliegen. Und wenn ich will, dass er landet, mache ich einfach meine Hand nach unten und er landet."
Mark Müller ist einer der Mitarbeiter von Raffaello D'Andrea, der als Professor am Institut für dynamische Systeme und Regelungstechnik an der ETH Zürich lehrt und das Projekt Flying Machine Arena vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat. Die Forscher programmieren hier die Steuerelektronik der Quadrokopter und bringen den Flugmaschinen so komplexe Bewegungen bei. Acht Kameras an der Decke orten die Quadrokopter in der Luft millimetergenau, erläutert Müller:
"Die Hauptbestandteile sind dann die Kameras an der Decke, die Quadrokopter und dann haben wir eine Funkverbindung, mit der wir Kommandos schicken an die Quadrokopter, die die dann ausführen. Und drinnen haben wir dann die zwei PCs, die die Hauptaufgabe haben, die Daten auszuwerten und die Kommandos auszurechnen, die wir dann an die Quadrokopter schicken."
Ballspiel in der Luft
Drinnen heißt: In dem kleinen Kontrollraum, der in die Flugarena hineingebaut ist und an einen Bau-Container erinnert. Von dort aus bereiten die Forscher jetzt das nächste Manöver vor: Der Quadrokopter soll Ball spielen. Zwischen den Rotoren haben die Wissenschaftler dazu einen Badmintonschläger ohne Griff angebracht. Die Schlägerfläche zeigt zur Decke.
Der Ball werde ebenfalls von den Kameras verfolgt und so können die Forscher vorhersagen, wohin er fliegen wird, erklärt Mark Müller ein paar Zuschauern, die gekommen sind, um sich das Manöver anzusehen.
Mark Müller wirft den mit einer reflektierenden Folie beklebten Tischtennisball in hohem Bogen in die Luft. Der Quadrokopter soll ihn zurückspielen, erwischt ihn aber zunächst nur am Rand.
Doch die Drohne lernt mit jedem Versuch, verändert einzelne Parameter - und schlägt den Ball beim zweiten Mal zurück.
Im Inneren des Kontrollraums stehen Computer, die die Flugbewegungen in der Arena überwachen und die Quadrokopter steuern. Auf einem Regal piepen im Wechsel mehrere Ladegeräte - die artistischen Einlagen sind kräftezehrend: Nach etwa zehn Minuten müssen die Batterien der Fluggeräte gewechselt werden.
Vor einem der Rechner sitzt Federico Augugliaro. Er hat den Quadrokoptern in seiner Masterarbeit das Tanzen beigebracht: ein sechsteiliges Drohnen-Ballett in taktgenauer Choreografie zur Musik. Das Video, das der junge Tessiner davon ins Netz gestellt hat, wurde zehntausendfach angeklickt.
In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich nun damit, die Fluggeräte als Bauhelfer einzusetzen und beispielsweise Schnüre transportieren und verknoten zu lassen.
In einem früheren Projekt haben die Forscher ihre Quadrokopter auch schon einen sechs Meter hohen Turm aus backsteingroßen Bauklötzen stapeln lassen. Die Drohnen griffen sich das Baumaterial und ließen die Fracht an der richtigen Stelle ab. Bei niedrigem Batteriestatus flogen sie eigenständig die Ladestation an und koordinierten sich während des Bauens per Funk über den Hauptcomputer. Federico Augugliaro:
"Dort hat man ein zentrales Reservierungssystem. Also bevor der Quadrokopter etwas fliegen würde, würde er fragen: Ok, ist dieser Platz noch frei, darf ich reintreten? Wenn nicht, bleibe ich und warte. Wenn ja, gehe ich vor. Und das wird koordiniert zwischen den verschiedenen Quadrokoptern, sodass man keine Zusammenstöße hat."
Die Flugrouten werden dabei wie bei den anderen Manövern auch von einem Programm festgelegt. Es prüft außerdem für den jeweiligen Fall, ob der Quadrokopter diese Bahn auch wirklich fliegen kann - im Fall der Trickmanöver etwa, ob er schnell genug ist für eine bestimmte Kurve oder hoch genug, um einen Salto zu schlagen.
Grundsätzlich, sagt Federico Auguliaro, gebe es zwei Herangehensweisen:
"Eine ist Planung, das ist, was wir machen. Und Reaktion, also dass man reagiert real time. Um ein System in den Alltag zu bringen, braucht man beide."
Vom Alltagsgebrauch sind die Quadrokopter noch weit entfernt, so spektakulär ihre Kunststücke auch sind. Selbst kleine Störungen wie ein leichter Windstoß oder auch Hindernisse würden die Mini-Drohnen in der freien Wildbahn wahrscheinlich durcheinanderbringen.
Sicher auch bei Rotorausfall
Ein Schritt in Richtung Alltag könnte die neueste Erfindung der ETH-Forscher sein: Ein Algorithmus, der es erlaubt, den Quadrokopter auch dann sanft und sicher zu landen, wenn einer oder sogar zwei der vier Rotoren ausfallen. Vertreter eines großen amerikanischen Internet-Kaufhauses, das angekündigt hat, Pakete künftig per Drohne zu verschicken, waren jedenfalls kürzlich vor Ort und haben sich die Fortschritte in der Flying Machine Arena genau erklären lassen.