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Regenwälder im Klimawandel
Kohlendioxid als Dünger

Bäume wachsen, Bäume sterben ab: Das ist die Dynamik des Waldes. In einigen Regenwäldern steigt dabei die Biomasse seit Jahren an, wie Studien zeigen. Wirkt dabei das Klimagas Kohlendioxid wie ein Dünger für den Wald? Zu diesem komplexen Zusammenhang liegen nun neue Erkenntnisse vor.

Von Jochen Steiner |
    Grüne Bäume im Regenwald
    Wie wirkt sich der Klimawandel auf tropische Regenwälder aus? Wichtige Hinweise liefert der Biomassen-Haushalt der Bäume (dpa / Ralf Hirschberger)
    Schon seit seiner Kindheit ist Ervan Rutishauser von tropischen Regenwäldern fasziniert - von den unzähligen Tieren, die im dichten Dschungel zu Hause sind. Mittlerweile ist der Regenwald sein Arbeitsplatz, denn der Biologe forscht am Smithsonian Tropical Research Institute in Panama.
    "Ich möchte herausfinden, wie sich der Klimawandel auf tropische Wälder auswirkt. Das Ziel ist es, die aktuellen Klimamodelle zu verbessern, denn sie bilden die dynamischen Prozesse der tropischen Regenwälder unzureichend ab."
    Messungen an Baum-Sprösslingen
    Mit dynamischen Prozessen meint Ervan Rutishauser zum Beispiel das Heranwachsen neuer oder das Absterben alter Bäume. Auf Barro Colorado Island, einer künstlichen Insel, die durch die Aufstauung des Panama-Kanals im Jahr 1914 entstanden ist, gehen Biologen seit vielen Jahren dieser Dynamik naturbelassener Regenwälder auf den Grund.
    "Unsere Forschungsstation auf dieser Insel ist unter Biologen sehr bekannt, weil wir auf Daten aus den letzten 34 Jahren zurückgreifen können. Eine weitere Besonderheit dort ist, dass Baumsprösslinge ab einem Durchmesser von einem Zentimeter erfasst werden. Bei anderen Stationen geht es erst ab zehn Zentimeter Stammdurchmesser los. Dort werden die kleinen Bäume meist nicht beachtet, sie sind quasi eine Black Box."
    Warum ändert sich die Menge an Kohlenstoff?
    Auf kleinen Untersuchungsflächen von zehn mal zehn oder 20 mal 20 Metern dokumentierten Biologen auf der Insel im Laufe der Jahrzehnte die Biomasse, die sich ändert, wenn Bäume absterben oder neue heranwachsen.
    "Es gibt Studien, die zeigen, dass die Menge an Kohlenstoff, also die Biomasse einiger naturbelassener Wälder über die Jahre zunimmt. Das ist eine große Debatte: Manche Forscher sagen, das geschieht, weil sich in Zeiten des Klimawandels die höhere Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre als eine Art Dünger für die bestehende Vegetation auswirkt. Andere argumentieren, dass durch das Wachsen neuer Bäume die Biomasse in manchen Wäldern in gewissen Zeitabständen natürlicherweise zunimmt."
    Noch hat Ervan Rutishauser seine Daten nicht vollständig ausgewertet. Aber es sieht ganz danach aus, als ob der Regenwald in Panama nicht zu den Wäldern der Erde gehört, die in den letzten Jahrzehnten an Biomasse dazugewonnen haben. Eine höhere Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre wirke auf den Versuchsflächen der Insel nicht als Dünger, so der Biologe. An anderen Orten, wie dem Amazonas, sei dies aber durchaus möglich. Doch dort könnte ein düngender Effekt auch unmittelbar durch Menschen herbeigeführt worden sein.
    "Die meisten Versuchsflächen im Amazonas liegen in der Nähe ehemaliger menschlicher Siedlungen, etwa der Mayas. Die Menschen haben damals Waldflächen niedergebrannt, um Gemüse anzubauen. Es gibt dort die Terra preta, ein schwarzer Boden hauptsächlich aus Holz- und Pflanzenkohle, der als Dünger für die Vegetation gedient haben dürfte."
    Baumarten ändern sich
    Ervan Rutishauser konnte im Regenwald Panamas über die Jahre keinen Zuwachs an Biomasse feststellen, dafür aber eine Veränderung bei der Artzusammensetzung der Bäume.
    "Sie scheint sich zu verschieben: weg von den Pionierarten, also solche, die viel Licht benötigen, hin zu solchen, die es eher dunkler mögen. Aber das müssen wir noch genauer untersuchen und zum Beispiel der Frage nachgehen, ob ein trockeneres Klima der Auslöser dafür sein könnte."
    Es ist noch viel Forschungsarbeit nötig, bis man weiß, welche Auswirkungen genau der Klimawandel auf die Wälder der Erde hat. Die zukünftigen Klimamodelle könnten durch die Arbeit von Ervan Rutishauser aber ein Stück weit präziser werden.