Das jährlich in Köln stattfindende Summerjam ist das größte Festival für Reggae, Dancehall und Hip-Hop in Europa. Letzte Woche wurde das Line-up veröffentlicht und löste nicht nur Vorfreude aus:
"Ich war entsetzt", sagt Oliver Lau. "Als Haupt-Act wird ein Reggae-Sänger plakatiert, der im Vorfeld durch homophobe Äußerungen und Songtexte aufgefallen ist." Lau ist Sprecher des Kölner Lesben- und Schwulentags, kurz KLust, der den zeitgleich zum Summerjam stattfindenden Kölner Christopher Street Day, kurz CSD, mit rund einer Millionen Teilnehmer*innen organisiert.
Der KLuST hat als Reaktion auf das Line-up das Summerjam aufgefordert, eben diesen Reggae-Sänger auszuladen.
Wer ist Buju Banton?
Buju Banton saß sieben Jahre in den USA wegen Drogenhandels im Gefängnis. Nun gibt der Jamaikaner wieder Konzerte, unter anderem auf dem Summerjam. Pressesprecherin Jutta Hackland begründet die Entscheidung:
"Buju Banton ist einer der wichtigsten Protagonisten der jamaikanischen Reggae-Szene. Er macht nicht nur reinen Roots-Reggae, er hat auch Dancehall gemacht, er ist auch immer ein musikalisches Vorbild gewesen."
Die Musik an sich klingt ja erstmal harmlos. Reggae eben. Anders aber die Texte, genauer manche seiner Texte. Denn Buju Banton ist ein Vertreter der sogenannten Batty-Tunes. Das sind Songs, die gegen Schwule hetzen. Die werden darin als Batty-Boys, also "Popo-Jungen", beschimpft und bedroht. Hackland ist sich dessen bewusst:
"In seiner Vergangenheit gab es den berühmten Song 'Boom Boom Bye', der vor 27 Jahren erschienen ist. Dieser Song ist zu Recht sehr umstritten." Denn in "Boom Boom Bye" droht Banton explizit, Schwule zu ermorden. Banton hat sich nie öffentlich von diesem Song distanziert. "Er hat ihn mit 15 geschrieben. In seinen heutigen Songs und schon seit längerer Zeit kommt das Thema Homophobie überhaupt nicht mehr vor."
Eine zweite Chance
Aber, um sich abzusichern und auch zu gewährleisten, dass keine Murder Music, wie Kritiker die Hass-Lieder nennen, gespielt werden, müssen seit 2005 alle, die beim Summerjam auftreten, einen Vertrag unterschreiben, in dem steht, dass es den Künstlern "untersagt ist, Statements gegen Homosexuelle auf der Bühne kundzutun oder rassistische oder gewalttätige Aussagen in dem Zusammenhang zu machen. Um ganz klarzumachen, dass wir das nicht dulden und ein positives Menschenbild einfordern".
Hackland ist sich sicher: Es habe ein Umdenken stattgefunden. Banton habe eine zweite Chance verdient. Bei seinem letzten Auftritt auf dem Summerjam 2009 hat er sich nicht diskriminierend geäußert. Dennoch bleibt Oliver Lau skeptisch. Denn "kurz danach ist er in diesem Interview aufgefallen, wo er wieder behauptet hat, er könne auch in 1.000 Jahren nicht mit Schwulen leben. Das war nachdem die Veranstalter vom Summerjam mit ihm beziehnungsweise mit seinem Management gesprochen haben."
Die importierte Schwulenfeindlichkeit
Allein, Schwulenfeindlichkeit ist ja kein Problem, das man nur an der Person Banton festmachen kann.
Jutta Hackland: "Die Kinder werden damit groß. In Jamaika wird eben noch gesagt: 'Schwulsein ist schlecht. Steht in der Bibel, Punkt aus und Schluss.' Und wenn man so aufwächst, kennt man ja erstmal nichts anderes." Wie in Somalia, Indien und anderen von Europäern kolonialisierten Ländern steht in Jamaica Homosexualität unter Strafe.
Oliver Lau: "Da müssen wir uns alle auch ein bisschen an die eigene Nase packen, denn das Christentum und diese sogenannten 'Werte' von damals wurden von den Kolonialisten in diese Länder getragen und werden dort von der Kirche und den Machthabern propagiert."
Nicht von Weißen sagen lassen, was richtig und was falsch ist
Viele jamaikanische Reggae-Künstler wehren sich mit ihrer Musik gegen auch heute noch bestehenden strukturellen Rassismus. Die Schwulenfeindlichkeit der britischen Kolonialherren haben manche von ihnen aber unkritisch übernommen und zum Teil der eigenen Kultur gemacht. Sich jetzt erneut von weißen Europäern erklären lassen, was richtig und was falsch ist – das möchten sie nicht.
Dennoch macht sich Lau dafür stark, "dass Texte, Performances nicht darauf abzielen, andere Menschen zu verunglimpfen, Gewalt auszusetzen, zur Gewalt aufzurufen, sei es wegen ihrer Sexualität, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion. Die künstlerische Freiheit endet ja irgendwo da, wo sie die Freiheit eines anderen Menschen angreift".
Also Auftrittsverbote?
"Das man sich wünscht, dass jemand nicht mehr auftritt, ist natürlich immer der letzte Schritt", sagt Lau. "Man hofft ja immer, dass man vorher mit jemanden ins Gespräch kommt."
Hackland fügt hinzu: "Wir setzen in dem Zusammenhang auf Dialog, dass was passiert, in den Köpfen. Rein mit Verboten können wir nichts erreichen, Ziel muss eigentlich auch sein, was zu verändern."
Dialog, das heißt jetzt erstmal, dass das Summerjam dem KLuST ein Gesprächsangebot gemacht hat. Und der KLuST ist gesprächsbereit. Von dem Gespräch über Buju Banton erhofft sich Lau "eine öffentliche Erklärung von seinem Management oder auch von ihm selber, in dem er sich ganz klar von seinem homophoben Texten und Liedern distanziert und erklärt, dass er sie nie wieder singen wird".
Viele Gemeinsamkeiten
Dass die systematische Schwulenfeindlichkeit aus Europa importiert wurde, macht sie nicht besser, aber es zeigt, wie verzweigt das Problem ist. Ein konstruktiver Austausch zwischen KLuST und Summerjam scheint schon mal ein guter erster Schritt. Denn glaubt man Lau, sind sich die beiden Veranstaltungen CSD und Summerjam gar nicht so unähnlich.
"Wir ziehen viele Leute in die Stadt, und das Summerjam-Festival auch und ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Festivalbesucher , weil er eh in der Stadt ist, mitbekommt: 'Huch, da ist ja noch ein riesiger CSD', dass wir den einen oder anderen Zuschauer noch mitnehmen vom Festival. Ein friedliches Miteinander in einer weltoffenen Stadt. Ja, da kann man schon hingehen. Natürlich."
Das Summerjam und der CSD haben beide das Ziel, für eine zeitlang Orte zu schaffen, wo im gemeinsamen Feiern auch eine Anerkennung stattfindet. Und die hilft ja im besten Fall dabei, Diskriminierungen und Vorurteile zu überwinden.