Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht wegen der schleppenden Impfungen in der Kritik, durfte nun aber eine kleine Erfolgsmeldung verkünden: den Kauf von 200.000 Antikörper-Präparaten aus den USA. Die Präparate der US-Hersteller Regeneron und Eli Lilly sollen ab dieser Woche an Universitätskliniken ausgeliefert werden, zu einem Preis von 2.000 Euro pro Dosis. Und das, obwohl solche Antikörper-Medikamente in Europa bislang noch gar nicht zugelassen sind. Wird sich das jetzt rasch ändern? Wie erfolgversprechend sind Antikörper im Kampf gegen SARS-CoV-2?
Wie funktionieren Antikörpertherapien?
Bei Antikörpertherapien erhalten Patienten fremde Antikörper, statt selbst die Infektion durchzumachen und körpereigene Abwehrstoffe zu entwickeln. Die Nutzung von fremdem Blutplasma von Menschen, die bereits eine SARS-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, konnte in Studien bislang nicht überzeugen. Deshalb werden Antikörper, die das Virus SARS-CoV-2 besonders effektiv im Blut von Patienten bekämpfen sollen, künstlich in großen Reaktoren hergestellt: Das Antikörper-Medikament richtet sich hochspezifisch gegen ein charakteristisches Merkmal des SARS-CoV-2-Erregers, etwa einen Teil des "Spike"-Proteins, und verhindert, dass er in bestimmte Körperzellen eindringt.
In den USA werden die sogenannten monoklonalen Antikörper-Medikamente von zwei Pharmaunternehmen vermarktet: von Eli Lilly und der Firma Regeneron, die gleich zwei Antikörper in ihrem Produkt gemischt hat, damit das Virus noch effektiver bekämpft werden kann. Diese Antikörper-Cocktails werden über eine Stunde als Infusion verabreicht und gelten als gut verträglich. Im Blut des Patienten sollen sie dann die Viren abfangen und helfen, die Viruslast zu begrenzen und den Krankheitsverlauf zu mildern.
Was sagen Studien über die Wirkung von Antikörper-Medikamenten?
Grundsätzlich sind Antikörpertherapien nicht bei einem fortgeschrittenen Krankheitsverlauf geeignet. Denn dann verursacht vor allem die überschießende Immunreaktion Probleme, dagegen können die Antikörper nichts ausrichten. Am Anfang einer Covid-19-Erkramnkung aber, wenn Symptome vom Erreger ausgelöst werden, können Antikörper-Medikamente aktuellen Studien zufolge die Zahl der Viren bei Infizierten effektiv senken und die Krankheitssymptome von Covid-19 mildern. Bei einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie zeigte sich, dass bei Infizierten mit milden Symptomen das Risiko eines schweren Verlaufs um mehr als zwei Drittel sank, nachdem sie das Antikörper-Medikament von Eli Lilly eingenommen hatten.
Weitere Studien werben für eine vorbeugende Behandlung mit Antikörper-Medikamenten, ähnlich wie bei einem Impfstoff, um eine Erkrankung von Risikogruppen zu verhindern, etwa in Pflegeheimen.
Die Nebenwirkungen sind zumindest nach bislang vorliegenden Studien überschaubar. Allerdings: Es liegen zur Therapie mit Antikörper-Medikamenten noch keine Ergebnisse von Phase-3-Studien vor. Insbesondere Erkenntnisse über mögliche Nebenwirkungen und Risiken wie schwere Überempfindlichkeitsreaktionen sind deshalb möglicherweise noch gar nicht bekannt.
Wo können Antikörper-Medikamente in Deutschland zum Einsatz kommen?
In den USA gibt es eine Notfallzulassung für die beiden Antikörper-Medikamente. Sie kamen bislang nur sehr begrenzt zum Einsatz, auch wegen der komplexen und vor allem teuren Herstellung. Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA gibt es bislang keine Zulassung für die Antikörper-Behandlung. Dennoch hat die Bundesregierung ein Kontingent von insgesamt 200.000 Dosen der beiden US-Präparate gekauft.
Antikörper-Medikamente könnten auch ohne vorliegende Zulassung im Rahmen sogenannter individueller Heilversuche verabreicht werden: im Einzelfall, nach sorgfältiger Abwägung von Risiken und Nebenwirkungen durch die medizinischen Teams, und wenn die klassischen Therapien gegen schwere Symptome von Covid-19 nicht greifen.
Aus diesem Grund sollen die gekauften Antikörper-Medikamente auch vorrangig an Universitätskliniken mit der entsprechenden Behandlungskompetenz verteilt werden.
Experten wie der Marburger Virologe Stefan Becker oder Florian Klein von der Uniklinik Köln sehen ein großes Potenzial, Patienten durch die Behandlung mit Antikörpern von der Intensivstation fernzuhalten. Wichtig sei aber eine genaue Dokumentation des Einsatzes der neuen US-Präparate, um herauszufinden, welche Bedeutung die monoklonalen Antikörper künftig wirklich im Kampf gegen Corona haben könnten.