Im vergangenen Jahr habe die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe in den ostdeutschen Bundesländern stark zugenommen, heißt es im aktuellen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit, den die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.
"Bürgerliche Proteste und Rechtsextremismus verschwimmen"
"Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen eines sich verfestigenden Fremdenhasses geworden", heißt es in dem Bericht. Bei den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sei deutlich geworden, dass die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischen Agitationsformen zunehmend verschwömmen. Gleicke betonte, die große Mehrheit der Ostdeutschen sei nicht fremdenfeindlich oder rechtsextrem. "Aber ich würde mir schon wünschen, dass die Mehrheit noch lauter und deutlicher Stellung bezieht."
Die Bundesregierung spricht von "besorgniserregenden Entwicklungen", die das Potenzial hätten, "den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu gefährden". Auch negative Konsequenzen für die Wirtschaft werden befürchtet. "Ostdeutschland wird nur als weltoffene Region, in der sich alle dort lebenden Menschen zu Hause fühlen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben, gute Entwicklungsperspektiven haben", heißt es im Jahresbericht.
Ostdeutschland auf Zuzug von Menschen angewiesen
Laut Regierung besteht die Gefahr, dass durch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus "die Chancen der Zuwanderung gerade dort verspielt werden, wo man aufgrund der demografischen Entwicklung in ganz besonderer Weise auf Zuzug angewiesen ist." Im Jahr 2015 betrug den Angaben zufolge die statistisch erfasste Nettozuwanderung aus dem Ausland nach Ostdeutschland etwa 150.000 Personen. Etwa zwei Drittel davon waren Asylsuchende.
Den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands eröffne die Zuwanderung qualifizierter Fachkräften und EU-Ausländer die Chance, den Bevölkerungsrückgang, die zunehmende Alterung und den sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangel zu mildern. Da sich unter den Flüchtlingen ein hoher Anteil von Menschen befindet, die jünger als 30 Jahre sind, bestünden grundsätzlich gute Voraussetzungen für Qualifikation und Weiterbildung. Damit sich Zuwanderer für eine langfristige Perspektive in Ostdeutschland entscheiden, bedürfe es aber einer verstärkten Willkommens- und Anerkennungskultur, sagte Gleicke.
(nch/tzi/jcs)