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Regierungsbildung in Italien
Erst die Themen, dann die Namen

Zwar steht noch nicht fest, wer Italien künftig als Regierungschef anführen wird. In vielen anderen Punkten sind sich die rechte Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung jedoch schon einig. Schon in der kommenden Woche könnte dann die neue Regierung die Amtsgeschäfte übernehmen. Das begeistert allerdings nicht jeden.

Von Lisa Weiß | 12.05.2018
    Die italienische (l) und die EU-Flagge wehen 2001 am Palazzo di Montecitorio, dem Sitz des italienischen Parlaments in Rom.
    Noch ist unklar, wer die neue italienische Regierung anführen wird (picture alliance/dpa)
    Wer wird Italiens neuer Ministerpräsident? Es ist einer der Knackpunkte bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Sowohl Lega-Chef Matteo Salvini als auch Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio würden den Posten gerne übernehmen. Doch momentan erscheint es wahrscheinlicher, dass ein Dritter oder eine Dritte in Zukunft Italiens Regierung führen wird. Wer das sein wird – darüber gibt es offenbar noch keine Einigung.
    Rentenreform, härteres Vorgehen gegen Migranten, Bürgereinkommen
    Matteo Salvini und er hätten ausgemacht, erst über Themen zu sprechen und dann über Namen, so Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung. Und Themen gibt es viele, schon in den letzten Tagen wurde intensiv in Rom verhandelt, jetzt geht’s in Mailand weiter. Beide Seiten wollen unter anderem eine Pensionsreform, die Rente soll in Italien wieder davon abhängig werden, wie hoch das letzte Einkommen war und nicht davon, wie viel man eingezahlt hat. Auch eine Steuerreform soll kommen.
    Der rechten Lega ist ein härteres Vorgehen gegen Migranten wichtig, sie will mehr Abschiebungen und dafür sorgen, dass weniger Menschen in Italien ankommen. Und der Fünf-Sterne-Bewegung liegt vor allem das sogenannte Bürgereinkommen am Herzen – eine Art Hartz-IV. Worauf sich die Parteien genau einigen, ist noch nicht klar. Die Fünf-Sterne-Bewegung will jedenfalls ihre Mitglieder über das Ergebnis der Verhandlungen abstimmen lassen, so Davide Casaleggio von den Fünf Sternen.
    "Unser Vorbild ist der deutsche Koalitionsvertrag. Und auch in Deutschland haben die Mitglieder der SPD über den Koalitionsvertrag abgestimmt.
    Natürlich machen wir das ein bisschen anders und vielleicht ein bisschen günstiger als in Deutschland: Wir bitten die Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung, direkt online abzustimmen."
    Sorgenvoller Blick nach Italien
    Führende Köpfe der EU sehen die mögliche neue Regierung Italiens mit Sorge: Politiker beider Parteien gelten als europaskeptisch. Sie lehnen die EU-Haushaltsregeln ab und wollen mit der EU über eine Erhöhung der Defizitgrenzen sprechen. Auch wenn die Fünf-Sterne-Bewegung schon versichert hatte, nicht aus der EU oder dem Euro austreten zu wollen: Der Chef des EU-Parlaments Antonio Tajani warnte die beiden Parteien:
    "Aus Europa auszutreten macht keinen Sinn, so wie es auch keinen Sinn macht, aus der gemeinsamen Währung auszutreten. Es wäre nur eine selbstverstümmelnde Entscheidung. Und ich glaube, dass der überwältigenden Mehrheit der Italiener das Schicksal Italiens und das Schicksal Europas am Herzen liegt."
    Auch Maurizio Martina von der bisherigen Regierungspartei Partito Democratico ist beunruhigt. Er befürchtet: Wenn Bürgereinkommen und Steuersenkungen wirklich kommen, dann könne das zu nichts anderem führen als einer Neuverschuldung. Und Italien hat bekanntlich ja sowieso mit hohen Staatsschulden zu kämpfen.
    Doch solche Kritik perlt von Luigi Di Maio ab. Er ist überzeugt davon: Die beiden Parteien realisieren das, was sich die Italiener von ihnen erwarten. Und:
    "Wir kennen die Situation Europas. Wir wissen, dass es Dinge gibt, die in Europa angegangen werden müssen. Auch im Bereich des europäischen Haushalts gibt es Anforderungen von Italien, beim Europäischen Sozialfonds, bei den EU-Beihilfen, die noch kommen müssen. Es gibt viel zu tun. Wer in dieser möglichen Regierung eine Bedrohung für Europa sieht, sieht vielleicht eine Bedrohung für seinen eigenen Posten."
    Bis Sonntag soll das Regierungsprogramm stehen – Italien könnte dann vielleicht schon nächste Woche eine neue Regierung bekommen.