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Regierungsbildung in Rumänien
Kräftemessen zwischen Präsident und Sozialdemokraten

Das Ergebnis der rumänischen Parlamentswahl ist klar. Die sozialdemokratische PSD hat mit Abstand das beste Resultat erzielt. Ob ihr Vorsitzender Dragnea allerdings Regierungschef wird, ist offen. Der Mann ist vorbestraft.

Von Andrea Beer |
    Liviu Dragnea, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (PSD) in Bukarest, Rumänien
    Liviu Dragnea, der offenbar den Job des rumänischen Regierungschefs anstrebt, ist nicht nur wegen Wahlbetrugs verurteilt. (AFP/Daniel Mihailescu)
    Wahlsendung im rumänischen Privatfernsehen: die Moderatorin ist ganz aus dem Häuschen. Der Abend war schnell gelaufen. Die sozialdemokratische Partei PSD hat abgeräumt und mit rund 45 Prozent sogar eines der besten Wahlergebnisse überhaupt erzielt. Die Sozialdemokraten wollen nun koalieren - mit der kleinen liberalen ALDE- Partei. Doch wer wird Regierungschef? Die Sozialdemokraten hatten ja keinen Spitzenkandidaten benannt - und so brachte sich Parteichef Liviu Dragnea selbst in Spiel:
    "Ich lasse nicht zu, dass mit den Wählerstimmen Schindluder getrieben wird. Ich habe auch nicht vor, Wählerstimmen zu verschenken, sei es an Personen oder an Institutionen. Es handelt sich um ein Wahlergebnis, das eine besondere Verantwortung bedeutet - für uns alle und ganz besonders für mich."
    Blöd nur, das er vorbestraft ist, dieser Mann, der offenbar den Job des rumänischen Regierungschefs anstrebt. Der Chef der Sozialdemokraten führt eine Partei in der es nur so wimmelt vor Korruptionsermittlungen - und er selbst ist nicht nur wegen Wahlbetrugs verurteilt.
    Umstrittene Rolle des Präsidenten
    Er hat auch eine belastende Anklage am Hacken. Der Vorwurf der Antikorruptionsbehörde: unter anderem Amtsmissbrauch. Ein strafrechtlich Verurteilter in einem solch hohen wichtigen Amt? Präsident Klaus Johannis findet "nein". Er will keinen Premier ernennen der Probleme mit der Justiz hat. Jetzt gibt es erst mal Gespräche über die Regierungsbildung, meint er.
    "Die ersten Beratungen mit den Parteien stehen jetzt bevor und wir erfahren dann was jede auf der Agenda hat. Und was meine Integritäts-Kriterien angeht, wenn ich einen Premierminister ernenne: Die habe ich bewusst schon vor der Wahl geäußert. Damit es nach der Wahl keinerlei Diskussionen darüber gibt. Und ich bleibe dabei."
    "Den Premier ernenne ich", schiebt der Präsident noch nach - Liviu Dragnea nennt er nicht beim Namen - den vorbestraften Sozialdemokratischen Parteichef. Dieser hat die Beratungen über die Regierungsbildung abgesagt und die Wahlsieger deuten auch die Aufgabe des Präsidenten völlig anders. Die Partei mit den meisten Stimmen schlägt den Premier vor und dieser wird dann vom Präsidenten ernannt.
    Drohungen der Wahlsieger
    Der Ball läge damit also im Feld der Sozialdemokraten. Am Wahlabend macht deren Parteichef Äußerungen, die als indirekte Drohung an Präsident Johannis gedeutet wurden: "Rumänien ist eine Insel der Stabilität und ich will, dass die stabile Demokratie in Rumänien erhalten bleibt und unnötige Konflikte vermeiden. Das bedeutet, dass alle politischen Faktoren, alle Politiker, alle fundamentalen Institutionen des Staates die Wahlentscheidung der Rumänen verstehen und respektieren müssen."
    Die Machtprobe zwischen den Wahlgewinnern und dem Präsidenten - sie ist in vollem Gang und es gibt einen weiteren Punkt: ein Gesetz verbietet, dass ein Verurteilter ein hohes öffentliches Amt innehat. Doch über die Auslegung wird nun erbittert gestritten und möglicherweise landet das Gesetz vor dem Verfassungsgericht. Präsident Johannis hält das für möglich - aber: "Meine Kriterien an einem Premier sind nicht an ein solches Gesetz gebunden. Ob dieses Gesetz gültig bleibt oder nicht, wird sicherlich vom Parlament oder vom Verfassungsgericht entschieden werden. Erst wenn es soweit ist, können wir darüber sprechen."
    Präsident Johannis ist kein Freund der Sozialdemokraten - sondern steht dem bürgerlichen Lager nahe.
    Veränderungen in der Parteienlandschaft
    Er hätte es gerne gesehen, dass der bisherige parteilose Übergangspremier Dacian Cioloș weitermacht. Die größte Oppositionspartei hatte Cioloș auch zum Spitzenkandidaten gekürt - doch sie bekam nur schlappe 20 Prozent. Das ganze bürgerliche Lager steckt sowieso in einer Krise findet der Analyst Cristian Tudor Popescu. Er setzt auf die neue Partei "Rettet Rumänien", die kam auf Anhieb ins Parlament:
    "Wenn diese Partei klug vorgeht, wenn die Menschen mit politischem Verstand in dieser Partei vernünftig handeln, kann die 'Union Rettet Rumänien' zur wichtigsten bürgerlichen Partei Rumäniens werden. Aber im Augenblick ist die Situation des bürgerlichen Lagers alles andere als rosig, sondern, abgesehen von dieser neuen Partei, eigentlich perspektivlos."
    Auch Florin Negut macht diese Parlamentswahl Sorgen: "Wir haben nach dieser Wahl leider eine sehr polarisierte Gesellschaft, ein in zwei Teile zerbrochenes Rumänien: In den sozialen Medien sprechen die jungen Menschen sogar davon, dass sie emigrieren wollen. Aber die viele jungen Menschen könnten auch eine Lektion lernen: Wer Veränderung will der sollte auch zur Wahl gehen."
    In der Tat: nur knapp 40% der Wahlberechtigten gingen wählen. Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Der Besitzer eines Privatsenders ist Mitglied in einer ultranationalistischen Partei. Diese schaffte es nicht ins Parlament.