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Regierungsbildung in Spanien
Die Qual nach der Wahl

Nach den Parlamentswahlen in Spanien kurz vor Weihnachten ist die Regierungsbildung ins Stocken geraten. Das liegt nicht nur an den komplizierten Mehrheitsverhältnissen, aber auch daran, dass keine Partei Kompromisse eingehen will. Jetzt droht eine lange Hängepartie.

Von Hans-Günter Kellner |
    Wahlplakate zur Parlamentswahl in Spanien am 20. Dezember
    Wahlplakate zur Parlamentswahl in Spanien am 20. Dezember (dpa / picture-alliance / Eliseo Trigo)
    Auf der Straße sind die Spanier genauso ratlos, wie ihre Politiker im Parlament. Ein Land ohne Regierung wollen sie ebenso wenig, wie die einzig mögliche stabile Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten:
    "Die müssen doch zu der Position stehen, die sei vor den Wahlen vertreten haben. Rajoy nicht zu unterstützen. Sie würden ihre Wähler sonst verraten. Man könnte die Wahlen ja auch wiederholen."
    "Im Augenblick versteht sich niemand mit niemandem. So etwas wollte ich auch nicht. Es ist ein unglaubliches Chaos."
    Kompromisslos zeigt sich auch Pablo Iglesias, dessen Partei Podemos knapp 21 Prozent der Stimmen erhalten hat. Gleich fünf neue Grundsätze sollen in die spanische Verfassung aufgenommen werden, forderte er schon kurz nach den Wahlen. Darunter ein Referendum in Katalonien, eine Art Bürger-Misstrauensvotum, mit dem die Spanier in der Mitte einer Legislaturperiode ihre Regierung wieder abwählen dürfen oder eine Garantie für soziale Grundrechte.
    "Diese fünf Grundsätze sind unabdingbar für ein neues historisches Abkommen. Jetzt ist die Zeit der echten Staatsmänner gekommen. Jetzt ist nicht der Moment für Verhandlungen über Ministersessel. Die alte Politik ist Geschichte."
    Politische Zukunft ungewiss
    Eine Verfassungsreform als Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen also? Kaum vorstellbar, denn die Mehrheitsverhältnisse für eine linke Regierung wären außerordentlich schwierig, es wäre ein Bündnis aus fünf oder sechs Parteien. So richtig ernst kann es Iglesias damit wohl also nicht sein, glaubt José Ignacio Torreblanca, Chef des Madrider Büros des European Council on Foreign Relations und Autor eines Buchs über Podemos.
    "Die Spanier haben die Macht auf viele verteilt, aber nicht gesagt, was die Parteien damit machen sollen. So sind die Politiker ein wenig orientierungslos. Bei Podemos ist man überzeugt, dass man bei Neuwahlen ein besseres Ergebnis erzielen und die Sozialdemokraten übertreffen kann und so ist die Partei unflexibel. Bei der Partei Die Bürger ist das genaue Gegenteil der Fall. Sie wollen die Konservativen unterstützen, bräuchten dafür auch die Sozialdemokraten. Hier die richtige Strategie zu wählen, ist sehr schwer. Für alle, auch für die neuen Parteien, ist es eine völlig neue Situation."
    Denn ob die Spanier nun kompromissbereite Politiker wollen oder ein Abrücken von im Wahlkampf vorgetragenen Maximalforderungen gar als Verrat am Wählerwillen verstehen würden – das wissen auch Meinungsforscher und Soziologen nicht. Es handele sich wohl um zwei gleichstarke Strömungen, mutmaßt Torreblanca.
    "Das ist auch für die Wähler neu. Wir tasten uns da jetzt langsam vor. Sicher war die politische Stabilität früher größer, aber es ist doch fraglich, ob damit früher das so oft zitierte Allgemeinwohl besser geschützt wurde. Letztlich hatten die großen Parteien doch alle Kontrollmechanismen ausgeschaltet. Man muss vor dieser Unübersichtlichkeit also keine Angst haben. Das Land muss eine neue politische Kultur entwickeln. Das passiert nun mal nicht in einem Monat."
    Große Koalition (noch) unwahrscheinlich
    ...aber der Anfang ist gemacht: So regiert Podemos zum Beispiel in Madrid oder Barcelona mit Unterstützung der Sozialdemokraten und unterstützt die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten in mehreren Regionen des Landes. In Andalusien regieren die Sozialdemokraten mithilfe der liberalen Partei "Die Bürger". Trotzdem hat Podemos den Anspruch auf die Vorherrschaft bei der spanischen Linken nicht aufgegeben, meint Torreblanca. Dieser Kampf im linken Lager macht viele Sozialdemokraten – die diesmal noch eineinhalb Prozentpunkte vor Podemos landeten - wenig empfänglich für ein Bündnis mit einem so mächtigen Partner. Eine Große Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten wäre dagegen wohl das unbeliebteste der möglichen Bündnisse, wenn auch aufgrund der Sitzverteilung das einzig stabile:
    "Es gab einfach noch nie eine Große Koalition. In einigen Jahren könnte die Zeit dafür reif sein. Dafür ist aber eine jahrelange Kultur des Regierens in einer Koalition mit sich ideologisch ähnlichen Partnern notwendig. Vielleicht brauchen wir auch nur drei Monate, derzeit geschieht ja alles so schnell. Aber eine Große Koalition kann nur am Ende eines Lernprozesses stehen."
    Am 13. Januar tritt das spanische Parlament zusammen. Dann wird der spanische König Felipe VI. voraussichtlich erst einmal den amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy mit der Regierungsbildung beauftragen. Doch der hat immer noch keine Mehrheit hinter sich. So gehen viele Beobachter von Neuwahlen spätestens im Juni aus. Bis dahin werden die Spanier von ihren Politikern noch viel Wahlkampfrhetorik hören.