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Regierungsbildung in Spanien
Machtspiele in Madrid

Spanien ist seit acht Monaten politisch gelähmt. Die Parlamentswahl im vergangenen Dezember hatte zu einem Patt zwischen den politischen Lagern geführt. Die dadurch erforderliche Neuwahl vom Juni hatte keinen Ausweg aus der Sackgasse geboten. Im Land herrscht große Verunsicherung - die manch einer aber auch zu nutzen weiß.

Von Hans-Günter Kellner |
    Mariano Rajoy winkt auf einer Bühne seinen Anhängern zu.
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ließ sich im Juni feiern, eine neue Regierung konnte er noch nicht bilden. (picture alliance / dpa / EFE / Javier Lizon)
    Die politischen Programme im spanischen Rundfunk sind in der Dauerschleife. Seit mehr als einem halben Jahr geht es in erster Linie darum, dass das Land immer noch keine Regierung hat. Auch die Nachricht, dass sich Mariano Rajoy nun am 30. August endlich zur Wahl stellt, wertet Kommentar des Senders Cadenaser noch nicht als Fortschritt. Rajoy habe immer noch keine Mehrheit hinter sich und wenn sich daran nichts ändere, werde er scheitern.
    Manche sehen die politische Ungewissheit aber auch als Chance. Etwa der Regierungschef des autonomen Baskenlandes, Iñigo Urkullu. Er hat im Baskenland Parlamentswahlen für den 25. September angesetzt: "Damit sich die politische Instabilität und Unsicherheit in Spanien so wenig wie möglich auf das Baskenland auswirken", sagt der baskische Ministerpräsident, was ein wenig so klingt wie: Wenn es den Basken nicht so ergehen soll wie dem Rest der Spanier, dann sollen sie ihn wählen.
    Die Parteien blockieren gegenseitig
    Dabei könnten Urkullus baskische Nationalisten auch im fernen Madrid zur Stabilität beitragen, indem sie mit ihren fünf Abgeordneten Rajoy stützen. Aber das wollen sie auf keinen Fall, erklärt Urkullu in einem fast einstündigen Interview mit dem baskischen Rundfunk:
    "Wir haben schon ganz klar gesagt, dass wir Rajoy nicht wählen werden. Wir denken, eine Regierung der Volkspartei ist schlecht für unsere Autonomieregierung und eine Regierung der Volkspartei zusammen mit Ciudadanos halten wir für noch schlechter. Mit wem sollen wir denn dann über eine Reform unseres Autonomiestatuts verhandeln? Sie wollen doch nicht einmal mit uns sprechen. Das sagt doch schon alles."
    Dennoch schüttelt der baskische Politiker über die mangelnde Dialogbereitschaft der spanischen Parteien mit dem Kopf. Mit Mariano Rajoy will außer der liberalen Partei Ciudadanos niemand etwas zu tun haben, auch die Sozialisten bekräftigen immer wieder, gegen ihn zu stimmen. Aber auch Ciudadanos und die linke Podemos wollen nicht miteinander sprechen, dabei könnten sie in einer Art spanischen Version einer Ampelkoalition gemeinsam mit den Sozialisten regieren. So blockieren sich die Parteien gegenseitig. Urkullu darüber:
    "Die ideologischen Vorstellungen von Links und Rechts sind doch wirklich überholte Stereotype in einer solchen Situation, in der man sich einigen muss. Wir baskische Nationalisten haben uns hier mit allen geeinigt, wenn es notwendig war. Zugunsten eines gemeinsamen Projekts. Und nicht aufgrund ideologischer Vorstellungen dieser oder jener Partei."
    Kommen die dritten Neuwahlen?
    Das sind keineswegs Krokodilstränen. Tatsächlich gab es im Baskenland schon oft sehr unübersichtliche Mehrheitsverhältnisse wie derzeit im spanischen Parlament. Doch immer fanden die Parteien zu einer pragmatischen Lösung. Dank dieser Koalitionsfähigkeit und einem sehr weitgehenden Autonomiestatut ist Euskadi – wie die Gegend um San Sebastián, Bilbao und die Hauptstadt Vitoria auf Baskisch heißt – eine der prosperierendsten Regionen Spaniens. Dieses Statut will Urkullu nach einem Wahlsieg mit Madrid neu verhandeln – wenn er denn dort einmal einen Ansprechpartner hat. Doch Urkullu ist nicht der einzige regionale Regierungschef, der hofft, die Angst vor der politischen Instabilität könnte ihn im Amt bestätigen:
    In den letzten sieben Monaten habe er versucht, dass der politische Stillstand in Spanien die nordöstliche Region Galicien nicht beeinträchtigt, sagt der galicische Regierungschef Alberto Núñez Feijoo. Auch er hat darum die Regionalwahlen auf den 25. September angesetzt.
    Politische Beobachter in Madrid halten es für gut möglich, dass Galicien und das Baskenland eine neue Regierung haben, noch bevor in Spanien ein neuer Ministerpräsident gewählt ist. Denn wenn die Sozialisten im spanischen Parlament Rajoy weiter ihre Unterstützung verweigern, bliebe der Volkspartei nur noch die Möglichkeit, es mit einem anderen Kandidaten zu versuchen. Abgeordnete der Volkspartei sprechen darum schon von erneuten Neuwahlen. Die dritten Parlamentswahlen fänden dann an Weihnachten statt, am 25. Dezember.