Doch noch ein neuer Anlauf für Jamaika? Frank-Walter Steinmeier soll ihm ins Gewissen geredet haben. Dass man so meilenweit von einer Einigung entfernt gewesen sei wie die Liberalen das darstellen, der Bundespräsident dürfte zumindest Fragen gehabt haben. Denn es kursieren Papiere, wonach die FDP ziemlich weit gekommen ist - demnach hätte der Solidaritätszuschlag für Dreiviertel aller Steuerzahler wegfallen können, Christian Lindner hätte das als liberalen Erfolg verkaufen können – doch nach dem Besuch im Bellevue bleibt der FDP-Vorsitzende im RTL-Interview hart: Jamaika ist Geschichte
"Diese Gespräche sind vertraulich, aber öffentlich zumindesten kann man eines sagen: Wir haben uns nicht aus der Verantwortung geflüchtet, wie etwa die SPD. Aber am Ende dieser Sondierungsphase stand nicht eine gemeinsame Idee für die Modernisierung Deutschlands, noch nicht einmal eine gemeinsame Vertrauensbasis: Es gab fortwährend Indiskretionen und auch öffentliche Beschimpfungen untereinander. Das wäre keine stabile Regierung gewesen - dieses Jamaika-Bündnis. Deshalb mussten wir nicht weiter sondiern - für uns war das klar."
Nachdenken über Minderheitsregierung
Mit seiner Ablehnung erhöht Lindner einmal mehr den Druck auf die Sozialdemokraten. Einstimmig hatte der Parteivorstand am Montag beschlossen: Wir bleiben dabei, kein Regieren mehr mit Angela Merkel:
"Wir werden nicht in eine große Koalition eintreten"
Doch in der Fraktion wächst die Sorge, dass die Genossen als Totalverweigerer dastehen könnten. Dass Martin Schulz sein Nein öffentlich machte noch bevor der Bundespräsident eine erste Stellungnahme abgab, ist nicht gut angekommen. Ganz praktisch geht es für einige SPD-Abgeordnete sogar um die Sorge ihr gerade noch gerettetes Mandat wieder zu verlieren, sollten die Sozialdemokraten bei Neuwahlen noch einmal schlechter abschneiden. "Wir überlegen noch, wie es weitergehen könnte!" signalisiert Carsten Schneider, der Geschäftsführer der Bundestagsfraktion gegenüber dem Deutschlandfunk.
"Man wird sicherlich ein bisschen Nachdenken brauchen - auch ob man hier eine Minderheitsregierung hier vielleicht ins Spiel bringt. Das ist ne neue Situation - da muss man jetzt durchatmen und nach den fast acht Wochen Geplänkel, die wir da zwischen Jamaika hatten, ist es ganz gut wenn die SPD mal durchatmet und dann eine Entscheidung fällt."
"Da müssen wir jetzt drüber reden."
Die Minderheitsregierung! Sie ist plötzlich für die Sozialdemokraten eine Möglichkeit, um aus der Bredouille zu kommen. Damit könnte eine Neuwahl abgewendet werden, zugleich böte sie die Chance, nicht wortbrüchig zu werden - denn gerade die SPD-Basis will auf keinen Fall noch einmal in eine GroKo. Allerdings hatte Parteichef Schulz vorgestern über eine Minderheitsregierung geurteilt…
"Ich halte das in Deutschland für nicht praktikabel. Ich glaube, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Land ist, das die Tradition von Minderheitsregierungen kennt."
Doch nach einer intensiven Debatte der SPD-Abgeordneten und der Ansage von Fraktionschefin Andrea Nahles am gestrigen Morgen ...
"Da müssen wir jetzt drüber reden."
Streiten über den richtigen Weg
...hat das Nachdenken über eine Merkel-Regierung mit wechselnden Mehrheiten an Gewicht gewonnen. Im ZDF bekräftigt das heute der hessische Sozialdemokrat Thorsten Schäfer-Gümbel, der auch stellvertretender SPD-Vorsitzender ist. Wenn Martin Schulz morgen ins Bellevue fährt, wird das auf den Tisch kommen, das steht für ihn fest.
"Dass wird sicherlich auch ein Teil der Gespräche mit dem Bundespräsidenten sein. Ich werde mit Blick auf die Erfahrungen in Hessen sagen: Die Zeit einer geschäftsführenden Landesregierung mit wechselnden Mehrheiten - einer faktischen Minderheitsregierung - hat für die Demokratie in Hessen vieles auch gebracht.
Das Jamaika-Aus hat die Sozialdemokraten kalt erwischt. Große Koalition, Minderheitsregierung oder Neuwahlen - heftig wird über den richtigen Weg gestritten.