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Regierungsbildung
"Union wird nicht kuschen"

Markus Söder hat eine klare Botschaft für die Sozialdemokraten: Die Union, so der bayerische Finanzminister (CSU), wird in den Koalitionsgesprächen nicht einknicken. Als Beispiel nannte er die Pkw-Maut.

Markus Söder im Gespräch mit Christine Heuer |

    Christine Heuer: Herr Söder, die "Süddeutsche Zeitung" macht heute auf mit der Schlagzeile "Seehofer hat keine Angst vor Neuwahlen". Für wie wahrscheinlich halten Sie im Moment die Große Koalition in Berlin, sehr wahrscheinlich, eher unwahrscheinlich, fifty-fifty?
    Markus Söder: Das wird man jetzt tatsächlich sehen. Ich mach da jetzt keine endgültige Prognose. Eigentlich glaube ich schon, dass sehr gute Chancen dafür bestehen. Das hat ja die SPD eigentlich auch gesagt. Aber natürlich geht es nicht, dass man versucht, quasi möglicherweise ein Wahlergebnis umzuschreiben, das ja sehr eindeutig von den Bürgern entschieden wurde, und es kann auch nicht sein, dass wir einen Regierungsvertrag machen, nur um die SPD-Basis glücklich zu machen, sondern wir machen einen Regierungs- und Koalitionsvertrag, um Deutschland zu stärken. Darauf kommt es jetzt an, ob das am Ende belastbar ist.
    Heuer: Und Ihr Bauchgefühl im Moment?
    Söder: Es ist seit dem Wochenende sicher nicht einfacher geworden. Man kann sagen, manches sei dem Parteitag geschuldet, man kann sagen, das sei der Emotion geschuldet, aber wir haben zeitgleich, um einmal mühevoll zu werben für die Große Koalition, eine Menge von Ideen einzufordern, die nun wirklich auch für Deutschland Herausforderungen bedeuten, auch ökonomisch. Es darf ja nicht sein, dass wir Deutschland schwächen mit vielen SPD-Ideen. Und dann noch gleichzeitig zu sagen, wir wollen unbedingt mit der Linkspartei bald koalieren, das ist natürlich eine emotionale Suppe, die nicht ganz einfach ist zu gestalten.

    "Die SPD muss wissen, was Verantwortung für Deutschland bedeutet"

    Heuer: Sigmar Gabriel verlangt aber weiterhin von der Union, sie solle liefern. Haben Sie denn noch etwas im Petto, damit die SPD bereit ist, mit der Union zu regieren, oder war es das?
    Söder: Die SPD muss wissen, ob sie regieren will. Es geht ja jetzt nicht darum, ob man noch jemand ein Zückerle gibt, damit er dann endgültig mitmacht. Die SPD muss wissen, was Verantwortung für Deutschland bedeutet. Eine Partei in der Situation, die sich dieser Verantwortung verweigern würde, die muss dann auch letztlich vorm Wähler in der Zukunft bestehen. Letztlich muss man Mut haben, regieren zu wollen. Wenn man Angst vorm Regieren hat aus Partikularinteressen, dann wäre man nicht regierungsfähig.
    Ich glaube schon noch, dass da gute Chancen bestehen. Das glaube ich an sich schon. Aber das wird jetzt nicht ein Automatismus werden nach dem Motto, um den letzten SPD-Ortsverein zu überzeugen, müssen grundlegende Positionen, die die Mehrheit der Deutschen richtig findet, zum Beispiel keine Steuererhöhungen, müssen solche Positionen aufgegeben werden.

    "Wir brauchen die Pkw-Maut aus einer Gerechtigkeit heraus"
    Heuer: Die Steuererhöhungen, die sind ja gar nicht so strittig. Kommen wir mal zu einem ganz strittigen Punkt im Moment: zur doppelten Staatsbürgerschaft. Der SPD-Chef hat ja gesagt, er akzeptiert keinen Koalitionsvertrag ohne diesen Punkt. Geben Sie da nach?
    Söder: Das muss man sehen, in welcher Form und was. Es gibt ja heute schon Übergangsregelungen, die man dann an der Stelle sehen muss. Am Ende wird alles zusammengelegt und nebeneinandergelegt. Zum Beispiel ist für uns auch klar, ohne eine Pkw-Maut als CSU haben wir erheblichste Probleme. Die ist für uns absolut das zentrale Thema, beispielsweise neben der Frage einer soliden Haushaltspolitik. Das wird sicherlich nächste Woche dann in der entscheidenden Runde der Parteivorsitzenden am Ende entschieden.
    Heuer: Dann nehmen wir mal die beiden Punkte heraus, den Doppelpass und die Pkw-Maut. Könnte der Kompromiss am Ende so aussehen, dass die Übergangsregelungen, die Sie ansprechen, in beiden Fällen gelten, dass also auch die Pkw-Maut vielleicht nur im Grundsatz beschlossen, aber noch nicht definitiv vereinbart wird?
    Söder: Ja wir brauchen die Pkw-Maut nicht nur aus Gründen der Infrastruktur und der Finanzierung, sondern wir brauchen sie auch aus einer Gerechtigkeit heraus. Wenn man dieser Tage wieder hört, dass in anderen Ländern bewusst mehr gemacht wird, sogar noch zugelegt wird, was Maut- und Vignetten-Pflichten betrifft, dann kann es ja nicht sein, dass Deutschland das einzige Land ist und die deutschen Autofahrer, die woanders zahlen müssen, aber die europäischen Partner zahlen bei uns nichts. Das ist ein ganz wichtiger zentraler Punkt.
    Heuer: Aber, Herr Söder, außer der CSU will ja keiner die Pkw-Maut.
    Söder: Eine Koalition besteht aus drei Parteien.
    Heuer: Genau.
    Söder: Übrigens die Mehrheit der Deutschen auch. Alle Umfragen belegen, dass die Mehrheit der Deutschen das will. Im Grunde genommen kann man sagen, was die Mehrheit der Deutschen will, kann ja nicht so schlecht sein.

    Markus Söder
    Jahrgang 1967. Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 1983 Eintritt in die CSU, seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtags (Wahlkreis Nürnberg-West). CSU-Generalsekretär von 2003 bis 2007. Seit 2011 bayerischer Staatsminister für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat.

    Heuer: Wenn wir bei der Staatsbürgerschaft, bei der Pkw-Maut vielleicht einen Kompromiss hinbekommen, dann möchte ich noch ein drittes Thema ansprechen: die Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Sehen Sie da auch Kompromisschancen?
    Söder: Wenig.
    Heuer: Wenig? Das heißt aber nicht gar nicht?
    Söder: Aus unserer Sicht kommt das nicht infrage. Das ist ein ganz schwieriges Thema, wo wir auch glauben, dass das der falsche Weg wäre, und da gibt es eine klare Position von CDU/CSU.
    Heuer: Dass die SPD schon mal nach links blinkt und Bündnisse mit der Linkspartei auch auf Bundesebene nicht mehr grundsätzlich ausschließt, das finden Sie nicht gut. Das haben Sie eingangs schon gesagt. Jetzt hat Herr Seehofer in Richtung SPD gesagt, Druck erzeuge Gegendruck. Welchen Pfeil zieht denn jetzt die CSU aus dem Köcher?
    Söder: Na ja, für uns ist ganz klar: Wir haben am Wochenende auch noch mal Parteitag, wir machen unsere Positionen klar. Es geht doch letztlich darum, dass wir Deutschland stärken und nicht eine Partei befriedigen. Es geht doch darum, dass wir etwas fürs Land erreichen und nicht nur für irgendeine Arbeitsgruppe einer Partei. Das gilt übrigens beidseitig oder dreiseitig, wenn man das so sehen will, für jede der Parteien, die sich dort beteiligen.
    Wir können nichts machen, was im Endeffekt ein Unsinn ist, weil es Deutschland schadet. Wir müssen das tun, was das Beste fürs Land ist. Das ist unser Maßstab, den werden wir am Wochenende noch mal bekräftigen auf dem Parteitag, auch mit den klaren Positionen, die für uns zentral sind, wie keine Steuererhöhungen, Einstieg in Länderfinanzausgleichänderung, beispielsweise auch an der Stelle klar machen eine Pkw-Maut und die Mütterrente, und dann wird am Ende entschieden. Was nicht geht, dass sozusagen die SPD beschließt, jetzt liefert ihr mal, und die Union kuscht.

    "Die Union braucht keine Angst vor einem erneuten Bürgervotum haben"

    Heuer: Wenn die SPD und die Union sich nicht darauf einigen können, was das Beste fürs Land ist, Herr Söder, und es dann mit der Großen Koalition nicht klappt, was passiert dann? Wären Sie dann für Neuwahlen, oder wollen Sie noch mal mit den Grünen reden?
    Söder: Das wird man dann sehen. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Aber ich glaube, die Union braucht keine Angst vor einem erneuten Bürgervotum haben.
    Heuer: Das wäre also Ihre liebste Option in diesem Fall, den Sie sich nicht wünschen?
    Söder: Nein, das habe ich nicht gesagt. Das ist jetzt Ihre Interpretation. Sondern ich habe gesagt, man müsste sich vor keinem der Szenarien fürchten. Das Einzige, was ich das Problem finde: Jeder muss wissen, wenn am Ende es nicht zustande kommt, dass dann es für Deutschland eine schwierige Situation wäre.
    Wir sind die entscheidende Nation in Europa, wir sind das stärkste Wirtschaftsland, wir sind der zentrale Anker in der Eurozone. Deswegen ist auch wichtig, dass man eben nicht nur partikular denkt, sondern gesamtstaatlich an die nationale und europäische Verantwortung, und die heißt, dass am besten eine Große Koalition wäre, aber eben nicht zu jedem Preis.
    Heuer: In Hessen bahnt sich ja vielleicht auch gerade eine Große Koalition an. Man weiß das noch nicht so genau. Nach Ihren Erfahrungen im Bund – raten Sie Ihrem CDU-Kollegen Volker Bouffier zu einer Großen Koalition?
    Söder: Zumindest rate ich dazu aufzupassen, was da tatsächlich passiert, denn wenn sich dort jetzt eine SPD-Minderheitsregierung ergeben sollte, gestützt von ganz links, dann wäre das natürlich eine ganz neue emotionale Situation auch für die Große Koalition in Berlin.
    Heuer: Mit welchen Folgen?
    Söder: Schwer einzuschätzen. Aber es wäre auf jeden Fall ja ein Signal, wo man sieht, wo die SPD hin will. Dann würde das nämlich bedeuten, dass 2017 doch nicht so weit ist, sondern möglicherweise jetzt schon da steht. Also das ist eine sehr schwere Situation, aber es steht mir jetzt nicht an, den Hessen einen Ratschlag zu geben. Das wissen die CDU-Freunde dort selbst am besten, was sie tun müssen.
    Heuer: Der CSU-Politiker Markus Söder, er ist bayerischer Finanz- und Heimatminister und im CSU-Team bei den Koalitionsverhandlungen. Herr Söder, haben Sie vielen Dank.
    Söder: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.