Neues Ungemach für den bedrängten Regierungschef: Inmitten der Regierungskrise wehrt sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil gegen den Vorwurf, er habe sich in der VW-Abgasaffäre vom Konzern beeinflussen lassen. Der Entwurf einer Regierungserklärung vom Oktober 2015 sei VW nur deshalb zugeleitet worden, um rechtliche Fragen und die Richtigkeit der Fakten zu prüfen.
Die "Bild am Sonntag" berichtet, Weils Regierungssprecherin Anke Pörksen habe den Entwurf zum Redemanuskript an den VW-Cheflobbyisten und früheren SPD-Sprecher Thomas Steg geschickt. "Das war kein Faktencheck", so zitiert das Blatt einen Mitarbeiter. Weils Rede sei "umgeschrieben und weichgespült worden". Kritische Passagen seien aus dem Redenentwurf komplett gestrichen, dafür positivere Formulierungen eingefügt worden. Volkswagen wollte den Vorgang nicht kommentieren.
"Alles Unsinn", erwidert Regierungssprecherin Pörksen:
"Der Volkswagen-Konzern nimmt keinerlei inhaltlichen Einfluss auf Regierungserklärungen. Insbesondere hat es keine Veränderungen gegeben im Hinblick auf Abschwächung von harten Vorwürfen gegen den Konzern, sondern es ging immer nur um eine rechtliche Überprüfung."
Ministerpräsident Weil ist gleichzeitig Aufsichtsrat bei VW. Er vertritt dort das Land Niedersachsen, das 20 Prozent der Anteile des Konzerns hält.
Von der Praxis der "Überprüfung"
In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) wies auch Weil selbst den Vorwurf zurück, die Landesregierung sei in der Abgasaffäre vom Konzern politisch geführt worden. Damals habe die Zukunft des Autobauers auf dem Spiel gestanden auch wegen der schwierigen Verfahrenslage in den USA. Laut Weil sei es unter diesen Umständen richtig gewesen, VW einem von ihm selbst geschriebenen Entwurf zukommen zu lassen. Diese Praxis der "Vorprüfung" sei inzwischen beendet, weil es Fortschritte bei der Aufarbeitung der VW-Abgasaffäre gegeben habe. Im Übrigen sei er stets bei seiner harten Kritik am Vorgehen von VW geblieben.
Dass sich Weil als treibende Kraft bei der Aufklärung des Industrieskandals darstelle, spreche der Realität Hohn, sagt der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner:
"Nach unserer Auffassung ist er mit der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats deutlich überfordert. Man bleibt dann immer da etwas ratlos zurück, wenn man ihn erlebt und sieht. Und er erweckt allzu oft den Eindruck, dass er eigentlich so eine Art Pressesprecher des Konzerns ist."
Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag hatte wegen der aus ihrer Sicht unzureichenden Auskünfte zur Diesel-Affäre Ende 2015 gegen die Landesregierung geklagt.
Weil als Krisenmanager hoffnungslos überfordert?
Auch CDU-Landeschef Bernd Althusmann sieht in den jüngsten Enthüllungen den Beleg dafür, dass Weil als Krisenmanager hoffnungslos überfordert, die rot-grüne Landesregierung vor allem aufgrund interner Interessenskollisionen an sich selbst gescheitert sei.
"Der Ministerpräsident sollte jetzt ernsthaft mal erwägen, entweder er nimmt seine Auftsichtsratsrolle nicht als Hilfsarbeiter des Vorstandes wahr, sondern als Ministerpräsident, und vertritt die Interessen Niedersachsens, oder er sollte ernsthaft darüber nachdenken, dieses Aufsichtsratsmandat niederzulegen und es Fachleuten zu übertragen, die hier wirklich diese Funktion ausfüllen können – er kann es ganz offensichtlich nicht!"
Am Montag will Weil mit den Fraktionschefs über das weitere Vorgehen in der Regierungskrise beraten, die durch den Übertritt der grünen Landtagsabgeordneten Anke Twesten zur CDU ausgelöst worden war. Inzwischen gibt es bei fast sämtlichen Parteien einen Konsens darüber, den Landtag möglichst bald aufzulösen und vorgezogene Wahlen möglichst parallel zur anstehenden Bundestagswahl abzuhalten.