Nach Wahl in Südafrika
Regierungspartei ANC steht unter Druck

Der politische Frust der Südafrikaner hat sich im Ergebnis der Parlamentswahl niedergeschlagen. Zum ersten Mal seit 30 Jahren hat die Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) die Mehrheit verloren. Die Bildung einer Koalitionsregierung wird nicht einfach werden. Gleichzeitig wächst die Sorge vor politischer Instabilität.

24.06.2024
    Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bei der Bekanntgabe der Endergebnisse der Parlamentswahl.
    Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bei der Bekanntgabe der Endergebnisse der Parlamentswahl. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Jerome Delay)
    Es ist das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes, dass die Partei des einstigen Anti-Apartheid-Kämpfers Mandela nicht mehr allein regieren wird. Wie die Wahlkommission mitteilte, erhielt der ANC rund 40 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren waren es noch 57 Prozent. Als Gründe für die hohen Verluste des ANC gelten unter anderem Korruption und Misswirtschaft, die der ehemaligen Befreiungsbewegung nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft zugeschrieben werden. Zudem konnte die neugegründete MK-Partei des ehemaligen Präsidenten Zuma dem ANC offenbar Stimmen abringen. Sie wurde mit 14 Prozent drittstärkste Kraft. Auf Platz zwei landete die Demokratische Allianz mit knapp 22 Prozent.
    "Unser Volk hat gesprochen, ob es uns gefällt oder nicht", sagte Präsident Ramaphosa nach Verkündung der Endergebnisse. Die Entscheidung müsse respektiert werden. Zuvor hatte ANC-Generalsekretär Mbalula erklärt, die Ergebnisse sendeten eine klare Botschaft. Weiter sagte er: "Wir möchten den Menschen in Südafrika versichern, dass wir sie gehört haben. Wir haben ihre Sorgen, ihre Frustrationen und ihre Unzufriedenheit gehört." Der Vorsitzende der Wahlbehörde, Moepya, nannte das Wahlergebnis einen "Schlüsselmoment" für das Land.

    ANC: Werden in den kommenden Tagen Koalitionsgespräche führen

    Der ANC, der trotz der hohen Wahlverluste die meisten Stimmen erhielt, wolle nun eine stabile und effektive Regierung bilden, um grundlegende wirtschaftliche und soziale Reformen durchzusetzen, so Generalsekretär Mbalula. Die Partei werde in den kommenden Tagen Koalitionsgespräche mit den Parteien führen, die eine solche Agenda vorantreiben könnten. ANC-Vizechefin Mokonyane sagte, man habe auch schon vor der Wahl mit mehreren Parteien gesprochen. Es gehe um die Stabilität im Land.
    Die Zeit ist knapp berechnet: Innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung des amtlichen Endergebnisses, das heute Abend stattfinden soll, müssen die 400 neugewählten Parlamentarier laut Verfassung eine Regierung bilden und einen Präsidenten wählen.

    Ramaphosa will weiter Präsident bleiben

    Mbalula wies Gerüchte zurück, Präsident Ramaphosa werde aufgrund des schlechten Wahlergebnisses sein Amt niederlegen. Solche Forderungen seien ein "No Go". Präsident Ramaphosa sei der Präsident des ANC und dies werde auch so bleiben.
    Ramaphosas Vorgänger Zuma forderte eine Wiederholung der Wahl aufgrund "sehr, sehr ernsthafter" Wahlmanipulation, begründete die Vorwürfe aber nicht. Der 82-Jährige gilt als Populist und Unruhestifter. Nachdem Zuma 2021 eine 15-monatige Haftstrafe wegen Missachtung der Justiz antreten musste, kam es in Südafrika zu gewaltsamen Protesten, Plünderungen und Zerstörung von Infrastruktur, bei denen mehr als 300 Menschen ums Leben kamen.
    ANC-Generalsekretär Mbalula rief die Südafrikaner auf, die Grundregeln demokratischer Wahlen zu respektieren und "den Bemühungen jener Kräfte zu widerstehen, die unsere Wahlprozesse untergraben wollen". Der ANC werde keine Bedrohung der Demokratie dulden. "Wir werden gemeinsam gegen diejenigen vorgehen, die mit Gewalt und Instabilität drohen", so Mbalula.

    Südafrikas Bedeutung für Europa

    Welche Parteien in den kommenden Tagen die erste Koalitionsregierung in Südafrikas Geschichte bilden werden, ist auch für Deutschland und Europa relevant. Südafrika ist trotz seiner strauchelnden Wirtschaft die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents. Es gilt politisch sowie wirtschaftlich als "Tor zu Afrika", als Zugangsland zu einem Kontinent, der aufgrund seiner für die Energiewende benötigten Rohstoffvorkommen international immer wichtiger wird. Südafrika ist zudem das einzige afrikanische Mitglied der Gruppe der großen Wirtschaftsnationen (G20).
    Diese Nachricht wurde am 02.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.