Der Regierungsrücktritt, die Bildung einer neuen Regierung und die von Putin vorgeschlagenen Verfassungsänderungen sind als Paket zu betrachten, das Russlands innenpolitische Debatte voraussichtlich über Monate prägen wird. Kennzeichen des autoritären politischen Systems ist dabei nicht die Entscheidungsfindung infolge längerer öffentlicher politischer Debatten, sondern dass Veränderungen offenkundig bereits geplant wurden und nun rasch durchgesetzt werden.
So stand schon kurze Zeit nach dem Rücktritt Medwedjews und seiner Regierungsmannschaft fest, wen sich der Präsident als neuen Ministerpräsidenten wünscht: Michail Mischustin, bislang Chef der föderalen Steuerbehörde.
Mischustin ist der breiten russischen Öffentlichkeit so wenig bekannt, dass das Staatsfernsehen umgehend begann, dessen biographische Eckdaten zu verbreiten. 53 Jahre alt, Technokrat. Ihm wird zugeschrieben, die Steuerbehörde seit 2010 modernisiert zu haben, so dass sie dem Staat Finanzmittel nun effizienter beschafft. Schon an diesem Donnerstagvormittag will er sich mit den Fraktionen der Staatsduma treffen.
"Ich bitte Sie, Ihre Verpflichtungen vollumfänglich zu erfüllen, bis eine neue Regierung gebildet sein wird", sagte Putin, gewandt an Medwedjew und die bisherigen Minister. Es soll kein Machtvakuum entstehen. "Die weiteren Entscheidungen wird der Präsident des Landes treffen", so der scheidende Regierungschef. In der Tat steht dem Land eine Reihe von Veränderungen bevor, von denen die meisten allerdings noch nicht klar definiert sind.
"Russland muss eine starke Präsidialrepublik bleiben"
Zwar muss der Präsident künftig in manchen Personalfragen den Föderationsrat konsultieren, und außerdem bekommt das Parlament einige Rechte mehr als bisher, etwa die Wahl der Regierung und das zu Lasten des Präsidenten. Doch zum einen verlaufen die Wahlen zur Staatsduma nicht nach den Regeln eines freien politischen Wettbewerbs, sondern es gelten vom Kreml fein geplante Abläufe, und zum zweiten stellte Putin klar:
"Ich bin überzeugt, dass unser Land mit seinem riesigen Territorium, seiner schwierigen Zusammensetzung [aus vielen verschiedenen Nationalitäten, Anm. d. Red.], vielfältigen historischen Traditionen, sich nicht normal entwickeln kann, oder einfacher: nicht stabil existieren kann in der Form einer parlamentarischen Republik. Russland muss eine starke Präsidialrepublik bleiben."
Den Plänen zufolge werden mehrere Funktionen aufgewertet. Der Sicherheitsrat, in dem unter anderem die Sicherheitsapparate des Landes vertreten sind, bleibt in der Hand des Präsidenten. Dmitrij Medwedjew wird dort nun stellvertretender Chef.
Außerdem bekommt der Staatsrat mehr Gewicht, sogar Verfassungsrang. Das ist ein Gremium, das aus Gouverneuren und dem Präsidenten besteht. Welche Aufgaben dieser Staatsrat bekommt, ist noch unklar. Es wird bereits spekuliert, ob Putin mit ihm eine Instanz schafft, deren Vorsitz er anstreben könnte – als eine Möglichkeit, für sich ein machtvolles Amt zu erhalten, selbst wenn er nicht mehr Präsident sein wird.
Höhere Hürden für Staatsämter
"Ich schlage vor, verpflichtende Anforderungen an die Personen in die Verfassung einzufügen, die kritisch wichtige Ämter zur Gewährleistung der Sicherheit und Souveränität des Landes bekleiden" – gemeint sind neben anderen Präsident, Premier, Minister, auch Abgeordnete: Sie dürften keine zweite Staatsbürgerschaft mehr besitzen. Und wer Präsident werden wolle, müsse 25 Jahre ununterbrochen im Land gelebt haben. Damit bekommen junge Menschen mit Lebenserfahrung im Ausland, aber auch Oppositionelle wie Alexej Nawalnyj und der frühere Ölmagnat Michail Chodorkowskij, der in London lebt, keine Chance mehr auf das höchste Amt Russlands.
Zusätzlich werden sozialpolitische Mindeststandards in die Verfassung eingefügt. Das gesamte Paket soll dann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.