Der französische Präsident hat wirkliche Macht. Er kann Ministerinnen und Minister entlassen, kann neue ernennen – ohne Begründungen.
François Hollande folgt diesem Grundsatz: Umso mehr wird um ihn herum über sein Handeln gemutmaßt. Und die Kommentatoren sind sich weitgehend einig, dass der Sozialist Hollande mit seiner neuen, gleich auf sechs Ministerposten veränderten Regierung seine Aussichten auf eine zweite Präsidentschaft verbessern möchte.
Hatte er sich nach den Terroranschlägen von 2015 mit Sicherheitsgesetzen, die die Persönlichkeitssphäre des Einzelnen erheblich einschränken, in den Augen vieler seiner Wähler weit nach rechts bewegt, soll - so die weit verbreitete Ansicht - dem jetzt entgegengewirkt werden. Eine wirklich linke Regierung soll Werbung auch für ihn machen, mit Politprominenz aus bisher vernachlässigten ersten Reihen.
Reform oder Wahlkampfhilfe für die Sozialisten?
Allen voran: Emmanuelle Cosse, die Generalsekretärin der grünen Partei "Europe-Ecologie-Les Verts", die das Ministerium für Wohnungswesen bekommt und Jean-Michel Baylet, Chef der Radikalen Linken, der für die ländliche Entwicklung zuständig sein wird.
Auch im abendlichen dreißigminütigen Fernsehinterview, dem ersten des Staatspräsidenten seit Monaten, zielt gleich die erste Frage darauf, ob die neue Regierung Frankreich reformieren oder ihm selber mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen helfen solle.
Hollande: "Nein, es ist eine Regierung, die handeln soll, die reformieren soll, die vorankommen soll. Es stimmt, dass sie größer geworden ist, ich wollte Persönlichkeiten aus der ökologischen Partei dabei haben, aber es muss einen Zusammenhalt geben. Ich habe drei Prioritäten."
Und ohne Umstände kommt Hollande auf seine drei großen Themen zu sprechen, die das weitere Interview auch bestimmen werden: die Franzosen zu schützen, Arbeitsplätze zu schaffen und den Umweltschutz voranzutreiben – ganz im Sinne der Pariser Klimakonferenz.
Auch Premierminister Manuel Valls mag die Regierungsumbildung - jenseits von Sätzen, wonach er sich auf die Zusammenarbeit freue, nicht wirklich kommentieren. Über das Novum grüner Politiker in seinem Kabinett fallen Sätze wie dieser:
"Wir haben immer gesagt, dass die Ökologie, die Umweltpolitik ihren Platz in der Regierung hat. Jetzt hat der Präsident der Republik das ausdrücklich so bestimmt, und es ist eine gute Sache, und nicht nur für die Linke, sondern fürs ganze Land! Nach dem Erfolg des Klimagipfels von Paris ist es wichtig, dass die Grünen in einer Regierung mitarbeiten, die die Beschlüsse des Klimagipfels umsetzt."
Neuer Außenminister Jean-Marc Ayrault spricht perfekt Deutsch
Neben der "Ökologisierung" fällt die "Feminisierung" auf: 19 Frauen und 19 Männer hat das um sechs Mitglieder vergrößerte Kabinett, damit kommt Hollande einem Wahlversprechen nach. Über den neuen Außenminister wird man sich in Berlin besonders freuen: Jean-Marc Ayrault spricht perfekt deutsch und pflegt gute Kontakte ins Nachbarland, insbesondere zur SPD.
Als echter Überraschungscoup des François Hollande wird in der Kulturszene die Ernennung von Audrey Azoulay zur neuen Kulturministerin gewürdigt, ja gefeiert. Die in Marokko geborene Absolventin mehrerer Elitehochschulen versteht viel von Kultur und Kulturwirtschaft, seit zwei Jahren berät sie den Präsidenten in kulturellen Angelegenheiten. Nun soll sie als Ministerin die wenig auffällige Fleur Pellerin ersetzen.
Eine große Kabinettsumbildung, die vergleichsweise unaufgeregt über die Bühne geht. Die politischen Beobachter bleiben fast ausnahmslos - skeptisch. Den Neuen bleibt ein gutes Jahr sich zu profilieren, noch dazu bei längst fest stehenden und knappen Etats, was können sie groß ausrichten?
Wird das reichen, um die Wählerschaft der Linken und der Grünen vom Präsidentschaftskandidaten Hollande zu überzeugen?