Finanzdruck im Amateurfußball
Russisch Roulette in der Regionalliga

Anfang Oktober musste die Partie zwischen Türkspor Dortmund und Fortuna Köln in der Regionalliga West abgesagt werden. Dem Verein war die Stadionmiete zu hoch. Ähnlich geartete Beispiele sind im Amateurfußball keine Seltenheit.

Von Constantin Eckner |
Die Spieler von Türksport Dortmund stehen auf dem Feld.
Türkspor Dortmund verfügt bisher über keine eigene, regionalligataugliche Spielstätte und trug deswegen seine Heimspiele in der "IMS-Arena" in Velbert aus - ein kostspieliges Unterfangen. (IMAGO / Thorsten Tillmann )
Im besten Fall stehen die Amateurligen für Fußballromantik pur – Fannähe, lokale Identitätsstiftung, Ehrenamt. Allerdings gibt es auch immer wieder ungesunde Auswüchse und negative Entwicklungen. Spielabsagen und der Rückzug von Mannschaft sind keine Seltenheit.
"Also mein Eindruck ist, dass es einfach immer wieder die Versuche gibt, dass ein Verein nach oben gepusht werden soll. Meistens ist dann eine Person dafür verantwortlich, nämlich der Geldgeber," sagt Tim Frohwein, Fußballsoziologe von den "Hartplatzhelden". "Diese Person, die schiebt dann Geld in den Verein hinein und versucht nach Möglichkeit, möglichst schnell aufzusteigen. Der Finanzdruck ist gerade im ambitionierten Amateurfußball gestiegen. Also die Regionalliga ist eine Liga, in der man viel aufwenden muss und wenig Ertrag hat. Wenige Zuschauereinnahmen zum Beispiel. Überhaupt keine Fernseheinnahmen oder nur sehr, sehr wenige."

Abhängigkeit von einem Mäzen

Der Druck ist gerade hoch bei Traditionsvereinen, die in der Vergangenheit höherklassig gespielt haben und gerne wieder nach oben möchten. Von diesen findet man etwa in Nordrhein-Westfalen oder auch den ostdeutschen Bundesländern einige. Problematisch wird es vor allem dann, wenn man sich einem Mäzen oder Großsponsor hingibt.
Das sagt Christos Katzidis, Präsident des Fußball-Verbands Mittelrhein: "Die Vereine, die in der Regel auf eine Person, ein Unternehmen setzen und damit im Wesentlichen oder ganz überwiegend den Verein finanzieren, sind dann meistens die Vereine, die auch komplett zu Bruch gehen, wenn sich der Unterstützer zurückzieht. Das ist eine wichtige Philosophie in den Vereinen. Und nach meinem Kenntnisstand wissen das die Vereine auch und versuchen zumindest zu gewährleisten, sich möglichst breit aufzustellen.

Der Profifußball drängt den Amateurfußball an den Rand

Jedoch hat sich die Lage der Amateurclubs in den vergangenen Jahren ein Stück weit verschlechtert, weil aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage weniger Unternehmen bereit sind, als Sponsoren von lokalen Fußballvereinen zu fungieren.
Das bestätigt auch Tim Cassel, der Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands: "Den Eindruck hat man landläufig nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern dass das natürlich eine Rolle gespielt hat. Aber auch wenn man sieht, dass sowas wie Zuschauerzahlen im Amateurbereich eher rückläufig ist im Verhältnis zu früheren Zeiten und dass der Profifußball diesbezüglich eine ganze Menge abgräbt, was die Aufmerksamkeit angeht, weil auch die Häufigkeit der Profispiele, die im Fernsehen gezeigt werden, mittlerweile so groß ist, dass da zum Teil weniger Platz für den Amateurfußball ist. Und das wirkt sich natürlich dann nachher auch auf die Wertigkeit aus, was das Thema Sponsoren angeht."

Bezahlkultur bedroht den Amateurfußball

Zugleich ist mittlerweile allgemein bekannt, dass Amateurspieler nicht per se für lau spielen, sondern zuweilen mehr als passable Löhne erhalten – vor allem in den oberen Spielklassen. Das ist notwendig, weil Vereine ansonsten nicht wettbewerbsfähig sind. Allerdings kann das auch negative Auswirkungen haben, wie Fußballsoziologe Tim Frohwein erläutert. "Die eine große Umfrage vor drei Jahren, auch meine Forschung im Rahmen meiner Diplomarbeit, diese Studien kommen zu den gleichen Ergebnissen: Nämlich, dass Spieler, die Geld bekommen, zum Beispiel die Geselligkeit im Vereinsleben weniger schätzen als diejenigen, die kein Geld bekommen.“
Außerdem fühlten sich Spieler, die Geld bekommen, weniger an ihren Verein gebunden und wechseln häufiger: "Also das, was der Amateurfußball eigentlich erreichen will, sowas wie Identifikation, sowas wie Zugehörigkeit, Gemeinschaftssinn, diese Aspekte fallen weg oder werden durch die Bezahlkultur im Amateurfußball bedroht."

Risikobereitschaft an manchen Standorten zu groß

Das Problem zu lösen ist nicht leicht, weil man durch zu restriktive Auflagen im schlimmsten Fall Vereine abschrecken könnte. Tim Cassel sagt: "Das, was wir an Zulassungsvoraussetzungen für die Oberliga zum Beispiel bei den Herren haben, das ist angemessen. Das ist machbar für die Vereine. Und das ist auch aus unserer Sicht vollkommen ausreichend, um die Tauglichkeit der jeweiligen Vereine für diese Spielklasse auch vorher zu prüfen. Der nächste Schritt, das ist dann natürlich ein weitaus größerer, wenn ein Oberligist aus Schleswig-Holstein in die Regionalliga aufsteigt. Da sind natürlich noch ganz andere Voraussetzungen gefragt. Und das prüfen natürlich entsprechend die Regionalverbände, bei uns der Norddeutsche Fußballverband, die das auch sehr gut machen. Aber aus meiner Sicht ist da dann die Notwendigkeit von detaillierteren Zulassungsbestimmungen weitaus notwendiger, als es das in der Oberliga der Fall ist."
Wirklich verhindern lassen sich Spielabsagen und andere Vorkommnisse im Amateurfußball nicht. Dafür ist die Risikobereitschaft zumindest an manchen Standorten zu groß.